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MKL1888:Magenkrebs

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Magenkrebs“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Magenkrebs“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 11 (1888), Seite 6869
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Magenkrebs. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 68–69. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Magenkrebs (Version vom 20.11.2023)

[68] Magenkrebs (Carcinoma ventriculi), ein bösartiges Gewächs des Magens, welches in Form einer Geschwulst oder als Geschwür vorkommt und nach mehr oder weniger langwierigem Krankheitsverlauf stets zum Tod führt. Unter allen Organen des Körpers ist der Magen am häufigsten, in 45 Proz. der Fälle, vom Krebs betroffen. Im ganzen erkranken Männer häufiger an M. als Frauen. Zwischen dem 40. und 60. Jahr ist die Krankheit am häufigsten, vor dem 40. selten, vor dem 30. nur ganz ausnahmsweise beobachtet worden. Der M. entwickelt sich am häufigsten in der Pförtnergegend, seltener in der Nähe des Mageneingangs oder an der kleinen Kurvatur, am seltensten im Magengrund und an der großen Kurvatur. Da der M. ein gewisses Bestreben zeigt, sich in die Quere auszubreiten, so entstehen leicht ringförmige krebsige Einschnürungen des Magens am Pförtner und am Magenmund. Die Magenkrebse sind bald zellenreicher und weich (Markschwamm), bald zellenärmer und hart (Scirrhus); bald sind ihre Zellen schleimig entartet, wodurch der sogen. Alveolar- oder Gallertkrebs entsteht. Zuweilen sind sie sehr gefäßreich und sitzen wie Pilze mit breiter Basis der Innenfläche auf (Fungus haematodes, Blutschwamm). Der M. beginnt wahrscheinlich in allen Fällen von der Schleimhaut aus. Hier entstehen bald kleine Knoten, bald mehr eine diffuse, nicht scharf umschriebene Verdickung; beide vergrößern sich, es entsteht eine grobhöckerige Geschwulst, in welche allmählich die Schleimhaut in ihrer ganzen Dicke, später auch die Muskelhaut und Serosa des Magens eingeht. Die weichen Magenkrebse breiten sich viel schneller aus als die harten. Beide wachsen, ohne eine Begrenzung zu finden, an ihrer Peripherie und zugleich in der Dicke fort, während ihre mittlern Partien sich schon dem Zerfall zuneigen. Hat nämlich die Geschwulst die freie Schleimhautfläche erreicht, so beginnt sie auf ihrer Oberfläche zu schwärzlichen, zottigen, weichen Massen zu zerfallen, die abgestoßen werden und unter sich ein kraterförmiges Geschwür zurücklassen, das von aufgeworfenen, nach außen umgestülpten, blumenkohlartigen Rändern wie von einem Wall umgeben ist. Von diesem Geschwür aus schreitet der Zerfall der Geschwulst peripherisch weiter, das Geschwür erreicht eine oft sehr ansehnliche Größe, bis zum Umfang zweier Hände, und dabei kann die krebsige Wucherung so bedeutend sein, daß die Höhle des Magens darmartig verengert ist. Häufig greift die krebsige Entartung des Magens auf die Nachbarorgane über, und durch Zerfall der Krebsmasse können abnorme Kommunikationen zwischen den Höhlen dieser Organe eintreten, z. B. der Höhle des Magens und Grimmdarms. Zerfällt der M. bis zu seinem Bauchfellüberzug, bevor letzterer mit andern Organen verklebt ist, so öffnet sich der Magen nach der Bauchhöhle hin, und es entsteht eine tödliche Unterleibsentzündung. Die Symptome und der Verlauf des Magenkrebses hängen wesentlich von seinem Standort ab, so daß sich zwischen einem M., welcher den Mageneingang verlegt, und einem solchen, welcher den Ausgang verschließt, die größten Unterschiede ergeben. Wenn die Krebsgeschwulst zur Verengerung des Pförtners führt, so wird der übrige Magen vor dem Pförtner stark ausgedehnt und seine Wand einfach hypertrophisch (Magenerweiterung). Ist dagegen Verengerung des Mageneingangs durch einen dort sitzenden Krebs vorhanden, so pflegt der ganze Magen zusammengezogen, seine Höhle verengert zu sein. [69] Schmerzen können vorhanden sein, aber auch fehlen; vor allem leidet aber der Kranke in beiden Fällen an schwerer allgemeiner Verdauungsstörung, er magert stark ab und bekommt eine schmutzig gelbgraue Hautfarbe. Meist gesellt sich hierzu Erbrechen, welches besonders dann nach jeder Mahlzeit eintritt, wenn der M. am Pylorus sitzt und diesen verengert. Bei Verengerung des Pylorus tritt das Erbrechen gewöhnlich erst mehrere Stunden nach dem Essen, bei Verengerung des Mageneingangs während desselben oder unmittelbar nachher ein. Wenn das Erbrechen längere Zeit hindurch mit großer Regelmäßigkeit bestanden hatte, so verliert es sich manchmal erst allmählich und dann gänzlich. Dies hat seinen Grund darin, daß die verengerte Stelle des Magens, welche das Brechen hervorrief, durch Zerfall der Krebsgeschwulst wieder erweitert wird. Die erbrochenen Massen bestehen aus den genossenen, mit dickem Schleim umhüllten Speisen, welche mehr oder weniger verändert sind. Bei dem Zerfall der Krebsgeschwulst kommen gewöhnlich leichte kapillare Blutungen vor; das Blut vermischt sich mit dem Mageninhalt, und dieser wird dann als schwärzliche, krümelige, kaffeesatzähnliche Masse erbrochen. Seltener werden beim Zerfall des Magenkrebses größere Gefäße angefressen, und dann kommt es zu reichlichen Magenblutungen mit oft tödlichem Blutbrechen. Wenn der M. keine der Magenpforten einnimmt, so kann er ganz ohne örtliche Symptome verlaufen. Das sicherste Zeichen für das Vorhandensein eines Magenkrebses ist das Auftreten einer Geschwulst, welche sehr oft nicht sowohl am Magen selbst bemerkbar wird, sondern in der ganz gewöhnlich später ergriffenen Leber durch die Bauchdecken hindurch gefühlt werden kann. Dieses Symptom fehlt jedoch in vielen Fällen von M. Ist die Neubildung ein weicher, zellenreicher Krebs, so ist der Verlauf meist in mehreren Monaten abgeschlossen; der harte Krebs dagegen und vor allem der Gallertkrebs kann mehrere Jahre lang bestehen. Der M. endigt niemals anders als mit dem Tod, welcher gewöhnlich unter den Zeichen allmählicher Erschöpfung eintritt, viel seltener nach Durchbohrung der Magenwand und schnell tödlich verlaufender Bauchfellentzündung. Noch seltener rufen Magenblutungen den Tod herbei. Die Unterscheidung des Magenkrebses vom chronischen Magenkatarrh und chronischen Magengeschwür ist oft außerordentlich schwierig.

Bei der Behandlung des Magenkrebses muß man vor allem die Verdauung zu erhalten suchen. Die Diät muß dieselbe sein wie beim chronischen Magenkatarrh (s. d.). Die zweckmäßigste Nahrung für Kranke, welche an M. leiden, ist die Milch, welche leider nicht immer vertragen wird; man muß sie dann durch konzentrierte Fleischbrühen, Eigelb und andre nahrhafte Stoffe zu ersetzen suchen, diese aber immer in geringer Menge auf einmal und womöglich in flüssiger Form geben. Auch Wein, namentlich Rotwein, darf der Kranke nehmen. Eine abnorme Säurebildung im Magen suche man durch das Trinken von Sodawasser zu beseitigen. Nicht selten wird aber alles Genossene sofort wieder erbrochen, und in solchen Fällen sind die Nahrungsklystiere von Pepton, welches, in lauwarmem Wasser gelöst, durch den After in den Darm eingeführt wird, von hohem Wert. Gegen die bei M. fast immer bestehende hartnäckige Stuhlverstopfung werden Pillen aus Aloe und Koloquinten empfohlen; gegen Schlaflosigkeit und heftige Schmerzen wird Morphium angewendet. In neuester Zeit ist zuerst von Billroth der Versuch gemacht worden, das krankhafte Magenstück durch Operation zu entfernen. Hierdurch hat sich die Möglichkeit einer chirurgischen Heilung zweifellos ergeben; zur Nachahmung dürfte vorerst noch eine Vervollkommnung der Magenuntersuchung notwendig sein, da ein Herausschneiden nur dann dauernde Heilung versprechen kann, wenn der M. klein und vollständig auf den Magen beschränkt ist; bei bereits vorhandenen metastatischen Krebsknoten der Lymphdrüsen, Leber etc. hat sich die Operation als ohnmächtig erwiesen.