MKL1888:Magna Charta

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Magna Charta“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 74
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Magna Charta. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 74. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Magna_Charta (Version vom 19.11.2023)

[74] Magna Charta (lat., engl. the Great Charter, „die große Charte“ oder „der große Freiheitsbrief“), in England das Staatsgrundgesetz, welches 1215 Adel und Geistlichkeit dem König Johann ohne Land abnötigten, und das als die Grundlage der englischen Verfassung und des Konstitutionalismus in England gilt, welcher in der Folgezeit auch in den Kontinentalstaaten zur Geltung kam. Die M., welche 15. Juni 1215 unterzeichnet wurde, bestätigt in 60 Artikeln frühere Gesetze Eduards des Bekenners, die Veränderungen Wilhelms I., die Charta libertatum von Heinrich I. und bewilligt Erweiterungen und Reformen. Ihre Bedeutung besteht darin, daß sie sich auf die gesamte Nation erstreckt und die uralten Grundsätze der persönlichen Freiheit der angelsächsischen Zeit mit den ständischen Rechten des normännischen Lehnsstaats verbindet. Namentlich wurde festgesetzt, daß es zu jeder außerordentlichen Gelderhebung der Einwilligung einer allgemeinen Reichsversammlung bedürfe, zu welcher alle Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Grafen, Barone und alle unmittelbaren Vasallen zu berufen seien. Alle Vorrechte, die der König den Baronen bewilligen würde, sollten von ihnen auch den Untervasallen zugestanden werden. Die fremden Kaufleute sollten keinen willkürlichen Zöllen und Abgaben unterworfen sein, London sowie alle Städte und Flecken ihre alten Rechte und Gewohnheiten behalten. Die Gerichte sollten jedermann offen stehen, die Gerechtigkeit nicht verzögert, verkauft oder verweigert werden. Kein freier Mann sollte gefangen gesetzt, seiner Güter beraubt oder sonst beschädigt werden, wenn nicht mittels Urteils von Richtern seinesgleichen und nach den Landesgesetzen. Der Gerichtshof für gemeinschaftliche Klagen (Court of common pleas, Common bench) sollte fortan nicht mehr der Person des Königs folgen, sondern stets an einem bestimmten Ort seine Sitzungen halten. Die Forsten und Wasser sollten freigegeben werden. König Johann schon trachtete, diese Akte kraft der Lossprechung seitens des Papstes Innocenz III. zu brechen, und starb darüber im Kampf mit der Nation. Unter Heinrich III. wurde die M. infolge der Geldnot, in welcher sich der König beständig befand, nicht weniger als siebenmal bestätigt. Ein zweiter Freiheitsbrief desselben, die Charta de foresta (Charter of the forest), beschränkte 11. Febr. 1225 die königlichen Forstrechte. Verloren nachmals auch viele der in der M. ausgesprochenen Freiheiten und Rechte durch die veränderten Verhältnisse ihre Bedeutung, so behielt doch das Steuerbewilligungsrecht seinen Wert und wurde von der englischen Nation mit der ganzen ihr eigentümlichen Zähigkeit festgehalten. Die Verletzung desselben durch die Stuarts rief das Volk zum Kampf gegen König Karl I. auf und veranlaßte die große englische Revolution. Die wesentlichen Bestimmungen der M. sind später in die Declaration of rights aufgenommen worden, welche vom Parlament 1688 dem König Wilhelm III. überreicht und von diesem bei seiner Thronbesteigung gewährleistet wurde. Der erste Druck der M., die ursprünglich lateinisch geschrieben war, erschien 1507. Die besten Ausgaben lieferten Blackstone in „The Great Charter and Charter of the forest“ (Oxf. 1753) und Thompson in dem „Historical essay on the M.“ (das. 1829). Vgl. Lau, Die Entstehungsgeschichte der M. (Hamb. 1857).