MKL1888:Mandātsprozeß
[180] Mandātsprozeß (lat.), ein summarischer Prozeß, dessen Eigentümliches darin besteht, daß der Verklagte unter gewissen Voraussetzungen angewiesen wird, den Kläger zu befriedigen, ohne vorher gehört worden zu sein. Man unterschied im frühern Prozeßrecht zweierlei Arten von prozessualischen Mandaten, bedingte und unbedingte. Bedingt nannte man das Mandat dann, wenn zwar dem Beklagten (Implorat) befohlen ward, den Kläger (Implorant) zu befriedigen, aber doch mit dem ausdrücklichen Zusatz, daß es ihm gestattet sein solle, binnen einer gewissen Frist seine etwanigen Einwendungen vorzubringen. Unbedingt hieß das Mandat, wenn dieser Zusatz fehlte, ohne daß jedoch dem Beklagten damit alle Verteidigung abgeschnitten worden wäre. Dem M. entspricht in der deutschen Zivilprozeßordnung das Mahnverfahren (s. d.). Das österreichische Recht kennt dagegen neben dem Mahnverfahren auch noch einen M., wenn der thatsächliche Inhalt der Klage alsbald durch öffentliche Urkunden voll bewiesen wird, während das deutsche Prozeßrecht in solchem Fall die alsbaldige Zwangsvollstreckung eintreten läßt. Auch das moderne Strafprozeßrecht kennt eine Art M., insofern nämlich, als der Richter bei geringfügigen Straffällen ohne vorgängiges Gehör des Angeschuldigten ein sogen. Strafmandat (Strafbefehl) an denselben erlassen kann. Die deutsche Strafprozeßordnung statuiert den Erlaß von Strafbefehlen durch den Amtsrichter bei den sogen. Übertretungen und bei leichtern Vergehen, doch darf die angedrohte Strafe nicht über eine Geldstrafe bis zu 150 Mk. oder über eine Freiheitsstrafe von höchstens sechs Wochen hinausgehen. Auch die Strafverfügungen der Polizeibehörden gehören hierher, in welchen jedoch keine andre Strafe als Haft bis zu 14 Tagen oder Geldstrafe oder Einziehung angedroht werden kann (s. Polizeistrafverfahren). Ebenso können in Poststrafsachen (s. d.) und wegen Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle von den zuständigen Verwaltungsbehörden Strafbescheide erlassen werden. In allen diesen Fällen steht dem Beschuldigten das Recht des Einspruchs binnen einer Woche zu, in welchem Fall die Sache durch die Vermittelung der Staatsanwaltschaft an das zuständige Gericht zur Entscheidung abzugeben ist. Vgl. Deutsche Strafprozeßordnung, § 447 ff., 453 ff., 459 ff.; Parey, Das behördliche Polizei-Strafverordnungsrecht in Preußen (Berl. 1882); Reinecke, Die polizeiliche Strafgewalt (das. 1883).