MKL1888:Manichäer

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Manichäer“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 190
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Manichäer. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 190. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Manich%C3%A4er (Version vom 10.12.2023)

[190] Manichäer, die Anhänger des Manes (s. d.), eine im 4. und 5. Jahrh. besonders im Orient verbreitete, den Gnostikern verwandte Religionspartei. Das manichäische System (Manichäismus) ist einfach zu bezeichnen als persisch gedachte Gnosis, wie z. B. der spätere Basilidianismus die griechisch gedachte Gnosis darstellt. Das System der M. charakterisiert sich durch den ausgeprägtesten Dualismus, d. h. es beruht auf der Voraussetzung zweier von Ewigkeit zu Ewigkeit nebeneinander bestehender, sich direkt entgegengesetzter Grundwesen. Im Kampf beider Prinzipien sind einige Lichtteile von der Materie verschlungen worden. Sie bilden die sogen. Weltseele, die sich nach Befreiung sehnt. Hieraus entwickelten die spätern M. die Idee des leidenden Menschensohns (Jesus patibilis). Ihm entspricht als Vertreter des frei gebliebenen Lichts der Sonnengeist Christus. Derselbe ist in einem Scheinleib in die Welt gekommen, um die Lichtseelen zu besonnen und an ihren Ursprung zu erinnern. Die Erlösung geschieht durch den Unterricht, den Christus begann und den Manes als der Paraklet aus Christi Reden und aus selbst empfangenen Offenbarungen vollendet. Die M. verwerfen daher das Alte Testament ganz und gebrauchen das Neue Testament nur mit Auswahl und nach Manes’ eigner Deutung. Ihre Sittenlehre gebot die strengste Askese und zwar drei signacula (Kennzeichen): das signaculum oris, wonach der Genuß des Weins und Fleisches verboten war; das signaculum manus, wonach keiner Tiere töten oder Pflanzen beschädigen, überhaupt die Materie berühren sollte; das signaculum sinus wehrte insbesondere aller Geschlechtslust. Aber nur die Auserwählten (electi) oder Vollkommenen (perfecti) bewahrten die signacula streng, während die Hörer (auditores) im Ehestand lebten und durch ihre Arbeit die Auserwählten mit ernährten. Jedoch waren alle M. zu den gleichen Gebeten viermal des Tags und zu strengen und häufigen Fasten verpflichtet. Der Gottesdienst war einfach; sie hatten weder Tempel, noch Altäre, noch Opfer. Das Hauptfest war im März der Todestag des Manes. Die M. verbreiteten sich rasch von den Grenzen Indiens bis nach Nordafrika und Spanien, wurden aber seit 377 von der christlichen Kirche und bald auch im Perserreich hart verfolgt und endlich unterdrückt. Über ihren Zusammenhang mit den Priscillianisten und Paulicianern sowie mit den Katharern des Mittelalters s. die betreffenden Artikel. Vgl. Baur, Das manichäische Religionssystem (Tübing. 1831); Geyler, Das System des Manichäismus (Jena 1875).

Manichäer, studentische Bezeichnung für Gläubiger (wahrscheinlich in Anspielung auf „mahnen“).