MKL1888:Mantŭa

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Mantŭa“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 207208
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Mantŭa. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 207–208. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Mant%C5%ADa (Version vom 22.12.2023)

[207] Mantŭa (ital. Mantŏva), ital. Provinz in der Lombardei, hat ein Areal von 2490 qkm (nach Strelbitsky 2359 qkm oder 42,9 QM.) größtenteils ebenen Landes, (1881) 295,728 Einw. und ist sehr reich an natürlichen Gewässern, als Po, Oglio, Mincio, Secchia, sowie an Kanälen, welche zur Fruchtbarkeit des Landes viel beitragen, von denen aber die Flüsse auch häufige Überschwemmungen veranlassen. Der Haupterwerbszweig der Provinz ist die Kultur von Reis, Wiesen, Getreide und Wein. Außerdem werden Bienen- und Seidenzucht, Fabrikation von Öl, Leder und Seilerwaren betrieben. Die Provinz zerfällt in die elf Kreise: Asola, Bozzolo, Canneto, Castiglione, Gonzaga, M., Ostiglia, Revere, Sermide, Viadana und Volta. Die Stadt M. liegt 27 m ü. M., an der Oberitalienischen Eisenbahn auf einer vom Mincio gebildeten Insel. Der Fluß verbreitert sich an der Nordseite der Stadt zu einem See und umgibt an der Südseite die Stadt mit einem von Sümpfen begleiteten Arm, welcher bei Belagerungen noch durch Stauungen vergrößert werden kann. M. ist eine der stärksten Festungen Europas. Die Werke der eigentlichen Stadt, schon von Natur durch das Wasser gesichert, bestehen in einer bastionierten Umfassungsmauer. In den westlichen Sümpfen liegt das vorgeschobene Hornwerk Pradella, an der Südseite ein verschanztes Lager und das starke Außenfort Pietole. Jenseit des Sees liegen an der Nord- und an der Ostseite je ein starkes Fort, welche durch befestigte Dämme (Ponte dei Molini und Ponte San Giorgio) mit der Stadt verbunden sind. Ein Nachteil der starken Festung ist, daß ebenso wie die Belagerer auch die Belagerten im Sommer durch Malaria furchtbar zu leiden haben. Im Innern ist die Stadt geräumig, voll großer Paläste, aber ohne Leben und wegen ihrer tiefen, sumpfigen Lage kein angenehmer Aufenthalt. Unter den öffentlichen Plätzen zeichnen sich aus: die mit Bäumen bepflanzte Piazza Virgiliana, dem Andenken des Dichters Vergil geweiht, welcher in der Vorstadt Pietole (früher Andes) geboren sein soll; die Piazza Sordello, von dem Dom und dem Herzogspalast eingeschlossen, mit dem Denkmal der Märtyrer von 1851; die Piazza d’Erbe mit der Statue Dantes. Bemerkenswerte Gebäude sind: der umfangreiche herzogliche Palast (Corte reale), 1302 erbaut, im 16. Jahrh. von Giulio Romano im Innern ausgeschmückt, mit schönen Sälen, prächtigen Decken, Fresken etc.; das Castello di Corte, der älteste Teil des herzoglichen Palastes mit Türmen, die eigentliche Burg der Gonzaga, im Innern bemerkenswerte Bildnisse aus dem Leben Ludwig Gonzagas von Mantegna enthaltend; der vor dem südlichen Thor (Porta Pusterla) gelegene Palazzo del Te, nach dem Plan Giulio Romanos erbaut, mit berühmten Fresken dieses Meisters; die Kirche Sant’ Andrea, eins der bedeutendsten Gebäude der Renaissance (1472 nach Albertis Entwürfen begonnen), mit gotischem Backsteinturm und dem Grabmal des Malers Andrea Mantegna; die fünfschiffige Kathedrale San Pietro, ein gotischer Bau, von Giulio Romano erneuert; die Kirche San Barnaba (mit dem Grab Giulio Romanos) und 16 andre Kirchen; die alte und neue Synagoge, der Barockpalast Colloredo (jetzt Gerichtsgebäude), das Wohnhaus des Giulio Romano, zwei Theater etc. M. zählt (1881) 28,048 Einw. (darunter [208] ungefähr 3000 Juden), welche Weberei, Gerberei und Salpeterraffinerie sowie einigen Handel betreiben. Die Stadt liegt an der Eisenbahnlinie Verona-Modena, von welcher sich hier eine Linie nach Cremona abzweigt. Zu den Kommunikationen gehört auch ein durch die Stadt fließender Kanal, welcher am Ausgang einen Hafen bildet. Von Kunst- und wissenschaftlichen Anstalten besitzt M. eine Akademie der Künste und Wissenschaften, ein Lyceum, ein königliches und ein bischöfliches Gymnasium, ein Seminar, eine öffentliche Bibliothek mit 80,000 Bänden und 1000 Manuskripten, ein Antiquitätenmuseum, 2 Archive, eine Sternwarte, ein chemisches Laboratorium, ein physikalisches Kabinett, einen botanischen Garten, ein mineralogisches Museum. Ferner befinden sich hier ein großes Militärhospital, ein allgemeines Krankenhaus mit Irrenanstalt und Findelhaus, 2 Waisenhäuser, eine Arbeits- und Versorgungsanstalt, ein Strafhaus. M. ist Sitz der Provinzialbehörden, eines Bischofs und eines Festungskommandos.

[Geschichte.] M. soll 600 v. Chr. von Etruskern erbaut worden sein und sich von den um 400 einwandernden Kelten unabhängig erhalten haben. Unter der römischen Herrschaft blühten hier namentlich die schönen Künste (bekanntlich war in der Nähe [Andes] die Heimat des Vergil), doch litt es in den Bürgerkriegen sehr. Nach der Auflösung des weströmischen Reichs kam M. an die Ostgoten, darauf an die Langobarden, von diesen an Karl d. Gr., der die Stadt befestigt haben soll, und 951 unter Otto I. an die deutschen Könige. Diese belehnten Theobald von Canossa und später dessen Sohn Bonifacius damit, worauf 1052 die Stadt und ihr Gebiet an dessen Tochter Mathilde, Markgräfin von Toscana, fielen. Nach Mathildens Tod (1115) wurde M. unter der Oberhoheit des Reichs Freie Stadt und trat 1167 dem lombardischen Städtebund bei. Seit dem Konstanzer Frieden 1183 wurde es durch eigne Konsuln und Älteste (Anziani) regiert. 1220 geriet M. in die Gewalt des Sardello de’ Visconti, und 1234 wurde hier der lombardische Städtebund erneuert. 1237 wurde es von Friedrich II. erobert, verteidigte sich aber 1248 mit Erfolg gegen Ezzelino. Nach Sardellos Tod (1247) wurde die Stadt durch zwei gewählte Konsuln regiert. Einer derselben, Pinamonte Buonacolsi, warf sich zum unumschränkten Herrn auf und behauptete diese Gewalt bis 1293, wo er von seinem eignen Sohn Bardillone Buonacolsi, dem Haupte der Guelfen, abgesetzt und gefangen genommen wurde. Dieser mußte aber selbst wieder seinem Neffen Guido Buonacolsi, mit dem Beinamen Bottigella, einem Parteigänger der Ghibellinen, 1299 den Platz räumen. Dessen Bruder Rinaldo Buonacolsi, mit dem Beinamen Passerino (Spätzlein), erhielt vom Kaiser Heinrich VII. den Titel eines kaiserlichen Vikars und eroberte 1313 auch Modena. Er herrschte gewaltthätig und grausam. Nachdem er 1328 bei einem Aufstand gefallen und seine Söhne gefangen genommen waren, übernahm Aloisio Gonzaga mit dem Titel eines Capitano die Regierung der Stadt und erhielt 1329 auch die Belehnung durch Kaiser Ludwig. Er wurde Stifter der berühmten Dynastie Gonzaga und des Fürstentums M., welches ein ansehnliches Gebiet umfaßte. Die Gonzaga hatten viele Kämpfe gegen die Visconti von Mailand zu bestehen. Johann Franz Gonzaga nahm 1425 an dem Bündnis gegen Mailand teil und ward vom Kaiser Siegmund 1433 zum Markgrafen von M. unter kaiserlicher Oberhoheit ernannt. Markgraf Friedrich II. wurde von Karl V. 1530 mit der Herzogswürde belehnt und erhielt 1536 auch das Marquisat Montferrat, welches 1574 gleichfalls zum Herzogtum erhoben wurde. Als mit Vincenzo II. 26. Dez. 1627 die italienische Hauptlinie der Gonzaga ausstarb, besaßen die nächste Anwartschaft Ferdinand, Fürst von Guastalla, und Karl Gonzaga, Herzog von Nevers, welcher seinen gleichnamigen Sohn sogleich nach Vincenzos Tod Besitz von dem Herzogtum nehmen ließ. Kaiser Ferdinand II. verhängte hierauf als Lehnsherr das Sequester über M., bis er über die Ansprüche der Prätendenten werde entschieden haben. Der junge Herzog fand jedoch Hilfe in Frankreich und bei Venedig, und so entstand der mantuanische Erbfolgekrieg. Der Kaiser sprach über Karl die Reichsacht aus, und M. ward hierauf 18. Juli 1630 von den Kaiserlichen erstürmt und drei Tage lang furchtbar verwüstet. Wegen der Fortschritte der Schweden in Deutschland brauchte der Kaiser seine Truppen in Deutschland, und es ward daher der mantuanische Krieg durch den Frieden von Chierasco 1631 in der Art beendet, daß der Kaiser und der König von Spanien Karl von Nevers als Herzog von M. anerkannten, wogegen dieser einen Teil von Montferrat an Savoyen abtreten mußte. Der letzte Nevers, Ferdinand Karl (IV.), wurde, weil er im spanischen Erbfolgekrieg sich den Franzosen anschloß und ihnen die Festung Casale in Montferrat überlieferte, ja sogar versprach, ihnen M. selbst einzuräumen, vom Kaiser Leopold I. seines Anteils an Montferrat für verlustig und 1708 von Joseph I. in die Acht erklärt. Da er bald darauf (5. Juli) kinderlos starb, wurde das Herzogtum M. vom Kaiser eingezogen und 1785 mit den Landschaften vereinigt, aus denen Österreich die Lombardei bildete. Im französischen Revolutionskrieg ergab sich M. nach achtmonatlicher Belagerung und viermaligem vergeblichen Entsetzungsversuch 2. Febr. 1797 den Franzosen. Es wurde nun erst zur Cisalpinischen und dann zur Italienischen Republik geschlagen, bis es 28. Juli 1799, nachdem es vom Mai bis Juli von dem österreichischen General Kray eingeschlossen und zuletzt vier Tage lang bombardiert worden war, der französische General Foissac-Latour an die Österreicher übergab. Im Frieden zu Lüneville wurde M. wieder zur Cisalpinischen Republik und dann zum Königreich Italien geschlagen; hier ward 20. Febr. 1810 Andreas Hofer erschossen. 1814 fiel es an Österreich zurück und wurde mit in das Lombardisch-Venezianische Königreich gezogen. Vom März bis Juli 1848 ward es durch die Piemontesen blockiert, und 18. Juli fand hier eine Schlacht zwischen diesen und den Österreichern statt. Infolge des Friedens von Villafranca (12. Juli 1859) ward es von der Lombardei getrennt und kam zu Venetien, mit dem es endlich 1866 an das geeinigte Italien fiel. Vgl. Graf Arco, Studi intorno al municipio di Mantova (Mantua 1871–74, 7 Bde.).