MKL1888:Maréngo

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Maréngo“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 228229
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Maréngo. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 228–229. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Mar%C3%A9ngo (Version vom 25.12.2023)

[228] Maréngo, Dorf in der ital. Provinz Alessandria, 5 km südöstlich von Alessandria an der Straße nach Novi gelegen, mit (1881) 2127 Einw., in sumpfiger Gegend, am Fluß Bormida, bekannt durch den am 14. Juni 1800 hier erfochtenen Sieg der Franzosen unter Bonaparte über die Österreicher unter Melas. Während Moreau in Süddeutschland kämpfte, überschritt Bonaparte Mitte Mai 1800 den Großen St. Bernhard. Melas, der von diesem Alpenübergang keine Kunde hatte, war, um die Belagerung Genuas zu decken, am obern Po stehen geblieben, während die Franzosen sich nach Osten wendeten, den Tessin überschritten, in Mailand die Cisalpinische Republik

Karte zur Schlacht bei Marengo (14. Juni 1800).

wiederherstellten und sich auch der Po-Linie bemächtigten. Nach dem Angriff der Österreicher auf Casteggio (9. Juni), den Lannes mit Erfolg abwies, hatte Bonaparte bei Stradella eine feste Stellung genommen. Als aber hier kein Angriff erfolgte, rückte er 13. Juni, in der Meinung, Melas werde sich nach dem inzwischen eroberten Genua zurückziehen, um sich dort auf der englischen Flotte einzuschiffen, in die Ebene des Tanaro bei Alessandria vor und entsendete die Division Desaix nach Novi auf der Straße nach Genua, um dort zu rekognoszieren, während zwei Divisionen unter Victor das Dorf M. besetzten, eine unter Lannes in der offenen Ebene zwischen M. und Castel Ceriolo stehen blieb, er selbst aber mit einer Division nach Torre di Garofalo zurückging. Melas, der in Alessandria selbst stand, hatte sich inzwischen entschlossen, durch die feindliche Armee nach Piacenza durchzubrechen, und begann mit Tagesanbruch die Bormida auf drei Brücken zu überschreiten. Um 9 Uhr griffen die Österreicher die Franzosen, die in ihrer Zersplitterung auf eine Schlacht nicht vorbereitet waren, in M. an. Diese schlugen, geschützt durch einen tiefen sumpfigen Graben (Fontanone), zweimal tapfer die Angriffe der Österreicher zurück; aber um Mittag gelang es beim dritten Male, M. zu erstürmen und die Franzosen zum Rückzug zu zwingen. Jetzt erst erschien Bonaparte mit der Division Monnier und der Konsulargarde und versuchte, indem er die Flügel verstärkte, die Schlacht zum Stehen zu bringen. Aber die Tapferkeit der Garde war fruchtlos, das Zentrum der Franzosen war vollständig durchbrochen, und auch die Truppen Bonapartes wurden in den Rückzug mit fortgerissen. Der greise Melas hielt den Sieg für entschieden, und erschöpft durch die Strapazen und durch eine leichte Wunde begab er sich nach Alessandria zurück, um seinen Erfolg nach allen Seiten hin zu verkünden, während er seinem [229] Generalstabschef, General v. Zach, die Verfolgung des Feindes überließ. In diesem Augenblick (3 Uhr nachmittags) erschien Desaix auf dem Schlachtfeld, der auf den Kanonendonner seinen Marsch auf Novi unterbrochen hatte und nach San Giuliano geeilt war. Sofort warf er sich mit seinen 5000 Mann den Feinden entgegen, während Marmont das Geschütz sammelte und auf die vorderste Kolonne der Österreicher richtete, welche Zach selbst befehligte. Einen Augenblick hemmte Desaix deren Vormarsch; aber bald fiel er, durch eine Kugel tödlich getroffen, und die Österreicher drangen unaufhaltsam vor. Da griff Kellermann mit seinen Dragonern die feindliche Flanke mit solchem Ungestüm an, daß er sie durchbrach und Zach, mit 2000 Mann abgeschnitten, sich kriegsgefangen ergeben mußte. Nun trat ein völliger Umschlag ein. Während die Franzosen sich sammelten und wieder zum Angriff vorgingen, wichen die Österreicher erschreckt zurück; die Reiterei ergriff offen die Flucht und riß auch das Fußvolk mit fort, so daß zuletzt eine wahre Panik ausbrach und alles in wirrem Knäuel sich über die Bormida zu retten suchte. Fast die ganze Artillerie blieb in den Händen der Franzosen. Außerdem verloren die Österreicher 6400 Mann an Toten und Verwundeten und 3000 Gefangene, die Franzosen 7000 Mann im ganzen. Aber der unerwartete Sieg derselben war entscheidend: die allgemeine Niedergeschlagenheit ergriff auch den Oberbefehlshaber, welcher bereits 15. Juni mit Bonaparte einen Vertrag schloß, worin er sich verpflichtete, Genua, Piemont und die Lombardei zu räumen und sich hinter den Mincio zurückzuziehen. So rettete Desaix’ und Kellermanns Tapferkeit Bonaparte vor dem Untergang. Im Gefühl der Beschämung über seinen geringen Anteil am Erfolg haben Bonaparte selbst und seine Anhänger die Vorgänge der Schlacht möglichst zu verwirren und zu fälschen gesucht, und da Bonaparte sich nicht selbst das ausschließliche Verdienst beimessen konnte, so ließ er bloß dem toten Desaix einen Teil des Ruhms zukommen. Erst neuerdings ist der wirkliche Sachverhalt aufgeklärt worden. Vgl. Duc de Valmy, Histoire de la campagne de 1800 (Par. 1854).