MKL1888:Messer

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Messer“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 512513
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Messer. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 512–513. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Messer (Version vom 24.06.2023)

[512] Messer, Werkzeuge zum Schneiden, werden aus Stahl, selten aus Neusilber, Silber, Gold, Knochen, Horn etc. angefertigt. Die einfachen Stahlklingen werden durch Schmiedearbeit hergestellt. Der Stahl ist etwa 13–15 mm breit und 3–4 mm dick und wird in Einer Hitze ausgeschmiedet. Hierauf trennt man durch Abhauen die Klinge von der Stange, indem man an ersterer einen Teil sitzen läßt, der groß genug ist, um die Angel oder bei Einlegemessern den Druck zu bilden. Die Ausarbeitung dieses Teils geschieht in einer zweiten Hitze. Die Scheibe (Schild, Balance) zwischen Klinge und Angel wird durch Ansetzen auf dem Amboß hervorgebracht und dann in einem zweiteiligen Gesenke oder mittels eines stählernen Stempels vollendet. Um Stahl zu sparen, macht man die Angel häufig aus Eisen. Das ausgearbeitete M. wird behufs des Härtens im rotglühenden Zustand in Wasser abgelöscht und dann bis zu einer bestimmten Farbe angelassen, gerichtet, auf nassen oder trocknen Schleifsteinen geschliffen, auf einer hölzernen rotierenden Scheibe mit Schmirgel und Öl weiter bearbeitet und bei feinern Sorten mit Kalk, Polierrot oder Zinnasche und Öl oder Branntwein auf belederter Scheibe poliert und auf einem Handölstein vom Grat befreit (abgezogen). Die Flächen einer Tischmesserklinge sind unter einem Winkel von 2–5° gegeneinander geneigt, und durch das Scharfschleifen entsteht an der Schneide ein Winkel von 15–20°. Die Seiten einer Federmesserklinge laufen in der Schneide unter einem Winkel von 13–19° zusammen. Man fertigt die Federmesser ebenso wie die größern M., versieht sie aber hinter dem Druck mit einer interimistischen Angel, damit der Schleifer sie in einem Heft befestigen kann. Nicht selten werden M. aus Stahlblech unter einem Durchstoß ausgeschnitten und durch kurzes Nachschmieden vollendet. Bei großen Schneidwerkzeugen wird eine Klinge aus Schmiedeeisen mit der Schneide aus Stahl durch Vorstählen hergestellt.

Zu Rasiermessern sowie den Messern für chirurgische Zwecke wird der feinste Stahl bei schwacher Rotglut unter öfterer Erwärmung verarbeitet. Der Amboß zum Schmieden der Rasiermesser ist an den Seiten etwas abgerundet, um die Klingen dünn ausschmieden und den Flächen schon einige Höhlung geben zu können. In der letzten Hitze setzt man das Hämmern bis zum völligen Erkalten fort. Die befeilten Klingen werden kirschrot erhitzt und mit dem Rücken voraus in reines oder mit wenig Schwefelsäure versetztes Wasser getaucht. Das Anlassen erfolgt gewöhnlich in den Abstufungen des Gelb. Das Schleifen geschieht auf drei Schleifsteinen, von denen die beiden letzten und kleinsten die Höhlung herstellen. Zum Polieren dient Schmirgel, dann Zinnasche oder Polierrot auf Lederscheiben mit Öl. Das Abziehen geschieht zuerst auf einem sehr feinkörnigen Sandstein mit etwas konvexer Oberfläche, dann auf dem bekannten gelben Rasiermesserschleifstein mit ebenen Flächen mit Öl und zuletzt auf einem blauen, feinkörnigen Schiefer mit Wasser. Die höchste Verfeinerung erhält die Klinge durch den Streichriemen, dessen eine Seite mit Polierrot und die andre mit Graphit (beide Pulver mit Öl oder Talg angemacht) eingerieben ist. Die rote Seite wird zuerst benutzt. Die Krümmung auf den Seitenflächen der Rasiermesser hat einen Halbmesser von 35–100 mm, die Seiten stoßen an der Schneide unter einem Winkel von 16–19° zusammen, so daß die Leichtigkeit, mit welcher Rasiermesser schneiden, nur von der vollkommenen Ausbildung der Schneidkante, der feinen Politur der Schneide und der sehr geringen Dicke der Klinge in nächster Nachbarschaft der Schneide abhängig ist. Sehr gute Rasiermesser werden durch Ausschneiden der Klingen mittels eines Durchschnitts aus vorläufig durch Kaltwalzen verdichteten Stahlplatten hergestellt; der dicke Rücken wird an diese M. als besonderes Stück angesetzt.

Gabeln werden wie M. verfertigt. Man schmiedet aus einem Stahlstab zuerst die Angel und den Schaft oder Stiel und haut dann die Gabel ab, indem man ein etwa 2 cm langes Stück des Stabes [513] daran sitzen läßt. Dieses Stück wird in einer zweiten Hitze zu einer Platte von der Länge der Zinken ausgeschmiedet und dann die Scheibe zwischen Schaft und Angel in einem Gesenke vollendet, worauf man die Zinken durch Einhauen mit dem Meißel oder mit einem Durchschnitt bildet und die Zwischenräume mit der Gabelfeile ausarbeitet. Das Härten und Anlassen geschieht wie bei den Messern. Man schleift die Gabeln zum Teil aus freier Hand auf einem Ölstein und schmirgelt oder poliert sie auf Bürstenscheiben oder mittels des Polierstahls. M. und Gabeln aus Silber und Gold werden ebenfalls durch Schmieden, die aus Neusilber durch Ausschneiden aus Blech oder durch Gießen und Ausbilden in Stanzwerken roh vorgearbeitet und mittels Feilen und Schleifen vollendet. Die Hauptsitze deutscher Messerfabrikation sind Solingen, Remscheid und andre Orte der Rheinprovinz und Westfalens, Suhl, Schmalkalden, Steinbach bei Altenstein, Ruhla, Eberswalde, Sorau, Nürnberg, Fürth, Erlangen, Regensburg, Reutlingen, Stuttgart, Tuttlingen, Heilbronn, Karlsruhe, Heidelberg, Pforzheim, Aachen. Bessere M. werden in fast allen großen Städten in den Messerschmiedewerkstätten gefertigt; besonders gute Ware liefern Heilbronn, Neustadt bei Stolpen in Sachsen und Solingen. In Österreich liefern Wien, Karlsbad, Nixdorf in Böhmen, Steyr und Grünberg viele M. Die englischen M., welche als die besten gerühmt werden, aber die neuern deutschen Fabrikate nicht übertreffen, kommen besonders aus Sheffield, Birmingham, Woodstock und London. Die französischen M. sind höchst zierlich und elegant gearbeitet und stehen den englischen und deutschen zum Teil gleich.

M. und Gabeln als Eßbesteck kamen erst im 15. Jahrh. vereinzelt auf und wurden dann im 16. Jahrh. allgemeiner, aber immer noch als Luxusgerät betrachtet und demnach künstlerisch verziert. Besonders kostbare Exemplare wurden in silbernen Scheiden (Bestecken) aufbewahrt. Die Gabeln, ursprünglich zweizinkig, seit der Mitte des 16. Jahrh. auch dreizinkig, wurden an den Griffen mit Figuren, Köpfen

Messer und Gabeln. 1–5 von Silber; 6 und 7 von Eisen; 8 und 9 geschnitzte Elfenbeingriffe (Nationalmuseum in München).

und Ornamenten verziert. Silber, Gold, Elfenbein, Knochen und Holz waren das beliebteste Material für die Griffe. Einige charakteristische Beispiele aus der Renaissancezeit zeigt obenstehende Abbildung. Seit Mitte des 18. Jahrh. wurden die Griffe aus glattem, bemaltem Porzellan gefertigt. Aus Holz geschnitzte Gabeln werden noch heute mit Figuren, Köpfen, Blumen etc. an den Griffen versehen. S. auch Löffel.