MKL1888:Nazarēner

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Nazarēner“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 23
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Nazarēner. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 23. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Nazar%C4%93ner (Version vom 27.06.2023)

[23] Nazarēner, 1) (Nazaräer) nach der Apostelgeschichte (24, 5) ursprünglich gemeinschaftlicher Name aller Christen, dagegen bei Hieronymus Parteiname derjenigen syrischen Christen, welche sich für an das mosaische Gesetz gebunden erachteten, ohne jedoch diese Forderung, wie die Ebioniten (s. d.) thaten, auch auf die Heidenchristen auszudehnen. Die Evangelien der Ebioniten und Nazaräer haben sich als Rezensionen des Evangeliums Matthäi ausgewiesen und bilden zusammen eine unter dem Namen des Evangeliums der Hebräer bekannte Familie.

2) Sekte, deren Anhänger sich an das apostolische Glaubensbekenntnis halten, nur Taufe und Abendmahl als Sakrament anerkennen, nur die Erwachsenen taufen, das Abendmahl in der Form des Brotes und Weines nehmen, nicht schwören, das Tragen von Waffen verwerfen, der Militärpflicht nur gezwungen Genüge leisten und einen extrem puritanischen Gottesdienst, darin jeder Erleuchtete das Wort nehmen kann, feiern. Durch zwei Schlossergesellen (Denkel und Kropacsek) fand die Sekte 1839 Eingang in Ungarn, wo der Schlossergeselle Hencsei (gest. 1841 in der Schweiz) ihr Apostel wurde; dort wuchs sie auf 5–6000 Anhänger und machte sich selbst für die ungarische Regierung bemerkbar.

Nazarēner, Spottname für die Vertreter einer Richtung der neuern deutschen Malerei, welche an die zwar durch rührende Naivität anziehende, aber in der Formgebung wie in der Technik unentwickelte Darstellungsweise der Italiener des 14. u. 15. Jahrh. (Giotto, Fiesole, Perugino) anknüpfte und sich schließlich in einseitiger Askese und geistiger Leere verlor. Hauptvertreter dieser Richtung waren: Overbeck, Schadow, Ph. Veit, Schnorr v. Carolsfeld u. a., welche um 1812 in Rom die Genossenschaft der „Klosterbrüder von San Isidoro“ bildeten (s. Malerei, S. 156). Schnorr und Schadow verließen später die Richtung, dafür traten Führich und Steinle hinzu. In der englischen Malerei entspricht den Nazarenern die Richtung der Präraffaeliten (s. d.).