MKL1888:Odysseus

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Odysseus“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 331332
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Odysseus. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 331–332. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Odysseus (Version vom 09.04.2022)

[331] Odysseus, bei den Römern Ulixes (falsch Ulysses), im griech. Mythus König von Ithaka, Sohn des Laertes und der Antikleia, der Tochter des Autolykos (s. d. 1), Gemahl der Penelope und Vater des Telemachos. Da ihm geweissagt worden war, er werde erst nach 20 Jahren in seine Heimat zurückkehren, suchte er sich der Teilnahme an dem Trojanischen Krieg zu entziehen und stellte sich wahnsinnig, als Agamemnon, Menelaos und Palamedes nach Ithaka kamen, um ihn zur Befreiung der geraubten Helena aufzufordern. Durch eine List entdeckte jedoch Palamedes die Verstellung des O., und nun weigerte sich derselbe nicht länger. Er führte die zwölf Schiffe, welche von den Inseln des Ionischen Meers aus gegen Troja zogen, und zeichnete sich während der Belagerung der Stadt durch List, Gewandtheit und Rednergabe aus. Er nahm teil an der Gesandtschaft, welche an Priamos wegen Auslieferung der Helena geschickt wurde, versöhnte Agamemnon mit Achilleus und ging als Kundschafter in das Lager der Trojaner. [332] Er führt die Chryseïs wieder zu ihrem Vater zurück und meldet sich zum Zweikampf mit Hektor; er erschlägt den Späher Dolon und hilft die schönen Rosse des Rhesos entführen; er ist bei allen Unternehmungen, welche Mut und Schlauheit erfordern, der erste und vorderste. Auch war er unter denen, welche sich in dem hölzernen Pferd verborgen hatten. Er erhob daher auch gerechten Anspruch auf die Waffen des Achilleus. Noch bevor die Griechen nach Zerstörung der Stadt in die Heimat abzogen, war O. mit Nestor abgesegelt; aber er mußte zehn Jahre auf der Reise nach Ithaka zubringen. Nachdem er durch einen Sturm zu den Kikonen, den Bundesgenossen der Trojaner, getrieben worden, deren Stadt Ismaros er plünderte, kam er zu den Lotophagen und hierauf an die Küste von Sizilien zu den Kyklopen, wo er den Polyphem (s. d.) überlistete. Von Äolos, dem König der Winde, dessen Insel er besuchte, erhielt er einen Schlauch, in welchem die ungünstigen Winde gefesselt waren; bereits war O. in der Nähe Ithakas, als seine Gefährten unvorsichtig den Schlauch öffneten, worauf die entfesselten Winde ihn zu den Äolischen Inseln zurücktrieben. Von da ward er zu den Lästrygonen verschlagen, die viele seiner Begleiter auffraßen, und kam dann nach der Insel Äa, wo die Zauberin Kirke seine Gefährten in Schweine verwandelte. Durch ein von Hermes empfangenes Kraut den Zauber lösend, erzwang er die Rückgabe seiner Gefährten und blieb ein Jahr bei der Zauberin, während welcher Zeit er sich auch in der Unterwelt von Teiresias sein Schicksal verkünden ließ. Glücklich segelte er dann bei den Sirenen vorüber, verlor aber bei der Fahrt durch die Skylla und die Charybdis sowie durch einen spätern Sturm sein Schiff samt allen noch übrigen Begleitern. Er allein rettete sich auf die Insel Ogygia, wo ihn die Nymphe Kalypso gut aufnahm und sieben Jahre lang bei sich behielt. Als er endlich weiter segelte, litt er, von einem furchtbaren Sturm überfallen, im Angesicht der Insel der Phäaken abermals Schiffbruch, gelangte jedoch mit Hilfe der Leukothea ans Land. Gastfreundlich bei den Phäaken aufgenommen, kämpfte er in den Spielen derselben und erhielt, nachdem er sich ihnen entdeckt, ein Schiff ausgerüstet, das ihn endlich glücklich nach Ithaka brachte. Hier findet er seine treue Gattin von zahllosen Freiern, die in seinem Palast schwelgten, bestürmt und das Leben seines Sohns von denselben bedroht. Er entdeckt sich dem letztern in der Hütte des treuen Sauhirten Eumäos und bespricht mit ihm die Ermordung der Freier. In Bettlergestalt betritt er sein Haus, nur von einem treuen Hund erkannt, unterredet sich dann unerkannt mit Penelope, ihr die baldige Ankunft ihres Gemahls verheißend, und beginnt am andern Morgen, sein Bettlergewand abwerfend, den Kampf, in welchem er, von seinem Sohn und zwei treuen Dienern unterstützt, sämtliche Freier tötet. So weit der Mythus, wie ihn Homer in der „Odyssee“ erzählt. Eine andre Sage berichtet, daß O. noch lange friedlich auf Ithaka geherrscht habe und endlich von seinem ihm von der Kirke gebornen Sohn Telegonos in einem Gefecht durch einen Lanzenstich getötet worden sei.

Odysseus, einer der Helden des griech. Freiheitskampfes, Sohn des Klephthenführers Andrutzos, geb. 10. Juni 1788 auf Ithaka. Von Ali Pascha zum Armatolen von Böotien, Phokis und Doris ernannt, unterstützte er heimlich die Klephthenführer und förderte die Sache der Freiheit, siegte im Chan von Gravia (20. Mai 1821), verteidigte dann Thermopylä und wurde 1822 von der ersten griech. Nationalversammlung zum Obergeneral für Osthellas ernannt. Doch legte er das Kommando nieder, als der Areopag seinen Zug gegen Lamia tadelte, und lebte als Einsiedler in Korykion-Antron (s. d.). Beim Herannahen der drei Türkenheere unter Dramali Pascha, Resit Pascha und Omer Vrioni von der provisorischen Regierung zurückberufen, verteidigte er nun siegreich die Thermopylen gegen Bayram Pascha, darauf die Akropolis zu Athen gegen Resit Pascha u. entsetzte Missolunghi. Nach seiner erfolglosen Belagerung von Chalkis (1823) wurde O. von der Regierung abgesetzt und trat zu den Türken über, wo er jedoch auf ein berechtigtes Mißtrauen stieß. Zu seinem frühern Unterkommandeur Gura zurückgekehrt u. von diesem gefangen nach Athen geschickt, wurde er 5. Juni 1825 auf der Akropolis erdrosselt. 1888 wurde ihm in Gravia ein Denkmal errichtet.