MKL1888:Orseille

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Orseille“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 455
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Orseille. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 455. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Orseille (Version vom 13.03.2024)

[455] Orseille (franz., spr. -sséllje, Archil), roter Farbstoff, welcher aus verschiedenen, den Gattungen Roccella, Usnea, Lecanora, Variolaria angehörigen Flechten gewonnen wird. Diese Flechten wachsen an felsigen Küsten, besonders auf den Azoren, Kanaren und Kapverdischen Inseln, an den Küsten von Portugal, Spanien, England, Südfrankreich, in Angola, Benguela, auf St. Helena, Madagaskar, Sansibar, an der Küste von Mosambik und auf Ceylon; doch werden auch in Schweden, im Thüringer Wald, in der Rhön, im Jura, in den Pyrenäen und in Schottland ähnliche Flechten gesammelt, welche auf der Erde, an Steinen und Rinden wachsen und als minder wertvolle Erdorseille in den Handel kommen. Zur Darstellung der O., welche ursprünglich von den Florentinern geheimgehalten wurde, wird das Flechtenpulver mit Harn oder Ammoniak angerührt und der Gärung überlassen. Aus dem Harn entwickelt sich Ammoniak, und dies wirkt gemeinsam mit dem Sauerstoff der Luft auf die in den Flechten enthaltenen eigentümlichen Säuren (Lecanorsäure, Orseillesäure, Erythrinsäure, Gyrophorsäure, Evernsäure, Usninsäure etc.) in der Art ein, daß Orcin entsteht, welches dann weiter in Orcein übergeht. Letzteres ist der wesentliche Farbstoff der O., die als steifer Brei in den Handel kommt. Sie bildet eine rötliche Masse, riecht veilchenartig und schmeckt alkalisch. Persio (Persico, Cudbear, roter Indigo) ist ziemlich dasselbe Präparat wie O., nur reiner und getrocknet. Er wurde früher in Schottland aus den dortigen Flechten dargestellt, später aber in großer Menge in Deutschland (Stuttgart), Frankreich und England fabriziert. Orseillepurpur (pourpre français) wird erhalten, indem man die Flechten mit Ammoniak schnell extrahiert, den Auszug mit Salzsäure fällt, den ausgewaschenen Niederschlag (wesentlich die genannten Flechtensäuren) in Ammoniak löst, die Lösung der Luft aussetzt, bis sie kirschrot geworden ist, dann kocht und in flachen Gefäßen anhaltend auf 70–75° erhitzt. Wird die purpurfarben gewordene Flüssigkeit mit Alaun oder Chlorcalcium gefällt, so erhält man den bläulich purpurfarbigen Orseillelack, welcher beim Reiben Kupferglanz annimmt. Ein dem Orseillepurpur ähnliches Präparat ist Orseillekarmin. Man benutzt alle diese Präparate zum Rot- und Violettfärben von Wolle und Seide, noch mehr mit andern Farbstoffen zu braunen Nüancen, den Purpur auch in der Kattundruckerei. Durch die Anilinfarben hat die O. an Bedeutung sehr verloren.