MKL1888:Panzerschiffe

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Panzerschiffe“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 19 (Supplement, 1892), Seite 707
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Panzerschiffe. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 19, Seite 707. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Panzerschiffe (Version vom 17.11.2022)

[707] Panzerschiffe.[WS 1] Wie im Landkriege, so hat auch im Seekriege eine Vervollkommnung der Waffen im allgemeinen Änderungen der Fechtweise zur Folge. Da man indes neben den eigentlichen Waffen, dem Geschütz und dem Torpedo, im weitern Sinne auch das Schiff selbst in seinen Eigenschaften und Leistungen als Ramme, wie in seiner Fahrgeschwindigkeit, Manövrierfähigkeit und seinem Aktionsradius (ohne Kohlenauffrischung unter Dampf zurückzulegende Entfernung) als Waffe ansehen kann, so haben die Wechselbeziehungen zwischen Waffen und Fechtweise im Seekriege doch einen etwas andern Charakter als im Landkriege. Denn es können sehr wohl der Schiffsbautechnik in Voraussicht einer gewissen taktischen und strategischen Verwendung einzelner Schiffe oder ganzer Geschwader weitere Aufgaben und Ziele gesteckt werden, von deren technischer Erfüllung die Ausführbarkeit jener Maßnahmen abhängt. Als 16. April 1856 auf dem Kongreß zu Paris die Abschaffung der Kaperei unter Zustimmung aller größern Seestaaten, mit Ausnahme Spaniens, der Vereinigten Staaten von Nordamerika und Mexikos, erklärt wurde, erfüllten sich die Hoffnungen derjenigen nicht, welche einen Schutz für alles Privateigentum auf See wünschten. Denn wenn es Endzweck jeden Krieges ist, dem Feinde in möglichst kurzer Zeit alle Hilfsmittel zu vernichten, so ist für den Seekrieg die Aufbringung feindlicher Handelsschiffe eine der wirksamsten Maßregeln. Da dies durch Kaperschiffe nicht mehr geschehen darf, so haben die Kreuzer der Kriegsflotten diese Aufgabe zu erfüllen. Sie sollen demnach auf den Seehandelsstraßen den feindlichen Handelsschiffen den Weg verlegen und sich ihrer bemächtigen, nebenbei aber auch die feindlichen Küsten, besonders die durch Küstenbefestigungen nicht geschützten reichen Handelsplätze brandschatzen. Von diesem Grundsatz werden in einem künftigen Seekriege die Operationen der Kriegsflotten ausgehen. Daraus erklärt es sich, weshalb alle Seestaaten in neuerer Zeit ein so großes Gewicht auf die Verbesserung des Kreuzerbaues und die Verstärkung der Kreuzerflotte legen. Unter den 70 Schiffen, welche England zufolge der Naval defence act von 1889–94 baut, befinden sich neben 8 Panzerschiffen erster und 2 zweiter Klasse 42 Kreuzer, unter diesen 9 von 7400 bis 7700 Ton. und 29 von 3400–3600 T. Dennoch hält der Admiral Symonds diese Zahl unter Hinzurechnung der vorhandenen Kreuzer für unzureichend, um die eigne Handelsflotte zu schützen und die feindliche zu schädigen. Die Ergebnisse früherer Flottenübungen scheinen diese Behauptung zu bestätigen. Die Erfüllung jener Aufgaben erfordert eine Fahrgeschwindigkeit der Kreuzer, welche die der Schnelldampfer noch übertrifft. Die größten der bis heute gebauten Schnelldampfer, Teutonic und Majestic von 177,40 m Länge der White Star-Linie, haben ebenso wie die nächstgrößten, City of New York und City of Paris der Inman-Linie von 170,70 m Länge, etwa 19, der Schnelldampfer Fürst Bismarck der Hamburger Packetfahrtgesellschaft 19,50 Knoten Fahrgeschwindigkeit. Die neuen englischen Kreuzer sollen deshalb 20 Knoten laufen. Der Erfolg dieser Kreuzer wird aber nicht allein hiervon, sondern auch von ihrer Befähigung zu langdauernden, weitreichenden Fahrten ohne Kohlenauffrischung abhängen, sie müssen deshalb sowohl große Maschinen als große Kohlenvorräte erhalten. Der Kreuzer erster Klasse Royal Arthur, der am 26. Febr. 1891 in Portsmouth vom Stapel lief, hat 7350 Ton. Gewicht, seine Maschinen entwickeln 12,000 Pferdekräfte, welche ihm eine Geschwindigkeit von 20 Seemeilen in der Stunde geben sollen. Er führt 850 T. Kohlen an Bord, welche für 10,000 Seemeilen bei 10 Knoten und für 2500 Seemeilen bei voller Geschwindigkeit ausreichen sollen. Entsprechend ihrer eignen großen Geschwindigkeit und in Rücksicht auf die gleiche Schnelligkeit feindlicher Schiffe, mit denen der Kampf aufzunehmen ist, besteht die Armierung ausschließlich aus Schnellladekanonen, und zwar aus 11 von 15,2 cm, 16 von 5,7 cm, 3 von 4,7 cm Kaliber und 8 Mitrailleusen. Außerdem 4 Torpedorohre. Um die Splitterwirkung der in die Batterie einschlagenden feindlichen Geschosse zu beschränken, sind die Geschütze in der Batterie räumlich weit auseinander gezogen und durch Panzerquerwände getrennt. Die Geschütze auf dem Oberdeck stehen über den Zwischenräumen der Geschütze in der Batterie. Es war bisher gebräuchlich, die Geschütze auf dem Oberdeck in balkonartig über die Bordwände hinausgeschobenen Ausbauten auf Drehscheiben durch Schirme geschützt aufzustellen, damit sie jederzeit auch in der Längsrichtung des Schiffes, bei der Verfolgung nach vorn, beim Rückzug nach rückwärts, feuern können. Da an diesen Erkern sich aber bei hohem Seegang die Wellen brechen und den Gebrauch der Geschütze beschränken, und da diese Vorbauten beim Aneinandervorbeifahren zweier Schiffe der Gefahr ausgesetzt sind, abgestreift zu werden, so hat man dieselben in neuerer Zeit, auch auf dem Royal Arthur, möglichst wenig hinausgeschoben. Um die Maschinen, Kessel, Munitionsräume [708] etc. gegen feindliche Artilleriewirkung zu schützen, sind dieselben von einem 120 mm starken Stahlpanzerdeck überdeckt, welches vom Rammbug bis zum Heck sich erstreckt, mit seinem höchsten Punkte etwa in der Wasserlinie liegt und an die Seitenwände des Schiffes etwa 1,5 m unter Wasser sich ansetzt. An den Seitenwänden unter und über dem Panzerdeck sind die Kohlen gleichzeitig als Schutzgürtel gegen Artilleriegeschosse gelagert. In der Wasserlinie wird das Schiff von einem etwa 2,5 m breiten und 1 m dicken Kofferdamm, mit Kork oder Kokosnußfaser als leckstopfendes Mittel gefüllt, umgeben. Ihres Panzerdecks wegen werden diese Kreuzer geschützte genannt, zum Unterschied von den gepanzerten, die einen Gürtel- oder Seitenpanzer, und den ungeschützten, die weder Panzerdeck noch Seitenpanzer haben. Das sind im allgemeinen auch die Grundsätze, nach denen die kleinern Kreuzerschiffe, wie sie für weniger weite Kreuzerfahrten in benachbarten oder heimischen Meeren ausreichen und darum zweckmäßig sind, und von denen nur geringere Gefechtskraft gefordert wird, gebaut sind. Die neuen englischen Kreuzer zweiter Klasse des verbesserten Medeatypus haben bei 91 m Länge 3400–3600 T. Gewicht, 9000 Pferdekräfte, 20 Knoten Geschwindigkeit und eine Armierung von zwei 15,2 cm, sechs 12 cm, acht 5,7 cm, einer 4,7 cm Schnellfeuerkanone und 4 Mitrailleusen. Für die stehende Maschine ist das Panzerdeck durchbrochen und die Öffnung nach oben mit einem 127 mm dicken Panzerschacht umgeben. Die Kreuzer dritter Klasse haben bis 1800 T. Gewicht, aber auch 20 Knoten Geschwindigkeit. England baut zwei vielgenannte Kreuzer, Blake und Blenheim, von 9170 T. Gewicht und Maschinen von 20,000 Pferdekräften, die dem Schiff 22 Knoten Geschwindigkeit geben sollen; ihr Kohlenvorrat soll für 15,000 Seemeilen ausreichen, das Panzerdeck ist 76–155 mm dick. Den Kern für den Kampf der selbständig operierenden Kreuzergeschwader auf hoher See bilden gepanzerte Kreuzer, die bei einer kraftvollern Geschützarmierung nahezu die gleiche Fahrgeschwindigkeit haben wie die geschützten Kreuzer. England besitzt 10 Panzerkreuzer mit 254 mm dickem Gürtelpanzer und 406 mm Querpanzerwänden (Auroratypus). Sie führen außer Schnellfeuerkanonen aller Kaliber zwei 23,4 cm Kanonen in Türmen. Drei dieser Panzerkreuzer (Orlandotypus) haben schwächern Panzer, aber Kanonen von 25,4 cm Kaliber. Frankreich hat seinen fünf Panzerkreuzern vom Typus Dupuy de Lôme einen das ganze tote Werk bekleidenden 11 cm dicken Panzer gegeben, welcher auch die übrigen Schiffsteile, die bei den englischen Panzerkreuzern ungeschützt sind, gegen Brisanzgeschosse schützen soll. Die deutsche Marine besitzt in den Kreuzerkorvetten Prinzeß Wilhelm und Irene vorläufig die einzigen geschützten Kreuzer moderner Bauart. Sie haben 4400 T. Deplacement, 8000 Pferdekräfte, 18 Knoten Geschwindigkeit und 750 T. Kohlen an Bord, mit welchen sie 16,66 Tage oder 4000 Seemeilen bei 10 Seemeilen stündlicher Fahrt kreuzen können. Sie haben eine sehr starke Armierung von sechs 15 cm Kanonen L/35 in seitlichen Ausbauten und acht 15 cm Kanonen L/25 an den Seitenwänden, 8 Revolverkanonen auf dem Oberdeck und in den Gefechtsmasten. Das Stahlpanzerdeck ist 76 mm dick, der Kommandoturm ist mit 51 mm dickem Stahlpanzer bekleidet. Nach dem Etat für 1889/90 ist der Bau von 7 geschützten Kreuzern genehmigt worden, von denen der erste, Kaiserin Augusta, 14. Januar 1892 auf der Germaniawerft bei Kiel vom Stapel lief. Das Schiff von 118,5 m Länge in der Wasserlinie, 15 m Breite, 6052 T. Deplacement, erhält drei Schrauben, welche ihm bei 12,000 Pferdekräften der dreifachen Expansionsmaschinen 20–22 Knoten Geschwindigkeit geben sollen. Es wird die starke Armierung von zwölf 15 cm und acht 8 cm Schnellladekanonen außer den kleinern Schnellfeuer- und Revolverkanonen erhalten.

Die vor einigen Jahren viel angezweifelte Zweckmäßigkeit des Baues großer P. veranlaßte mehrere Marinen, die Beschaffung solcher Schiffe zu verzögern oder einstweilen auszusetzen, wie in Deutschland, wo 1884 das letzte Panzerschiff Oldenburg vom Stapel lief. In den letzten Jahren hat sich jedoch die Überzeugung Bahn gebrochen, daß eine starke Marine der Panzerschlachtschiffe nicht entbehren kann; sie repräsentieren die eigentliche Kampfkraft einer Kriegsflotte; ohne P. stärkster Art ist heute eine Seeschlacht nicht mehr denkbar. Deshalb haben alle großen Seemächte seit einigen Jahren eine Vermehrung ihrer Panzerschlachtflotte begonnen. Deutschland hat 1889: 4 Panzerschlachtschiffe auf Stapel gelegt, von denen bereits 1891: 2 zu Wasser gelassen wurden; England baut zufolge der Naval defence act von 1889: 10 Schlachtschiffe. Frankreich hat 1891 abermals den Bau von 3 Schlachtschiffen ersten Ranges begonnen, nachdem es 1889 bereits 4 kleinere in Bau genommen, und wird im nächsten Jahre abermals 3 auf Stapel legen. Italien, welches sich rühmen kann, 10 der größten P. der Welt zu besitzen, hat abermals den Bau von 3 großen Schlachtschiffen beschlossen, bevor noch die zuletzt in Angriff genommenen 3 abgelaufen sind; und die Vereinigten Staaten von Nordamerika, deren Marine zu einem Trümmerhaufen verfallen war, haben die Beschaffung einer Kriegsflotte unter Aufwendung von mehr als einer Milliarde Mark begonnen und werden binnen wenigen Jahren eine Reihe großer Panzerschlachtschiffe besitzen. Wohl noch nie, solange P. gebaut werden, ist auf diesem Gebiete eine so großartige Thätigkeit entfaltet worden wie gegenwärtig. Wenn nun auch die allgemeinen Konstruktionsgrundsätze überall dieselben sind, so herrscht doch über die Art ihrer Ausführung verschiedene Meinung, wobei auch zu berücksichtigen bleibt, welche Aufgaben das Panzerschiff in einem Seekriege erfüllen soll. Ein ideales Schiff müßte über Wasser gegen Artilleriegeschosse und unter Wasser gegen Torpedos so geschützt sein, daß es schwer verwundbar ist und, verwundet, nicht versinken kann. Seine Armierung muß sowohl schwere Geschütze umfassen, die den Panzer jedes feindlichen Schiffes auf die Kampfentfernungen zu durchschlagen vermögen, als aus einer hinreichenden Anzahl von Schnellfeuerkanonen verschiedener Kaliber zur Abwehr von Torpedobooten und kleiner schnellfahrender Fahrzeuge auf Entfernungen jenseit der Torpedoschußweite, sowie aus Maschinengeschützen oder Mitrailleusen gegen Mannschaften auf dem Deck feindlicher Schiffe bestehen. Die Geschütze müssen getrennt, vollkommen gedeckt stehen, so daß sich ihre Bedienungen nicht hindern. Torpedorohre für den Bug-, Heck- und Breitseitschuß müssen unter Wasser eingebaut sein. Das Schiff muß bei jedem Wetter seetüchtig sein und die Bedienung seiner Geschütze zulassen, bei vorzüglicher Manövrierfähigkeit muß es dauernd eine angemessene und möglichst große Geschwindigkeit halten und einen so großen Kohlenvorrat besitzen, daß es lange Zeit ohne dessen Auffrischung die See halten kann. Schließlich soll die innere Einrichtung den Aufenthalt im Schiff und seine militärische Verwendung [709] in jeder Hinsicht unterstützen und erleichtern. Diese Bedingungen sind in ihrer Gesamtheit unerfüllbar, da nicht einmal ihre Grenzen stets feststellbar sind. Bei Feststellung des Bauplanes muß deshalb erwogen werden, welche Eigenschaften das Panzerschiff zur Erfüllung der ihm zu stellenden Aufgaben vorzugsweise besitzen muß, und in welchen andern ein Nachlassen gestattet ist; daraus erhellt, daß jedes Panzerschiff nur auf dem Wege des Kompromisses zustande kommen kann. Die vorgenannten Waffen des Seekrieges sind auch diejenigen des Panzerschlachtschiffes. Die gefährlichste Waffe ist das Schiff selbst in der Ausführung eines Rammstoßes, der gut treffend unter allen Umständen das getroffene Schiff zum Sinken bringt, und gegen den es kein technisches Schutzmittel gibt. Gegen die Sprengwirkung des Torpedos schützt die Einteilung des Schiffes durch Längs- und Querwände in eine große

Fig. 1. Panzerschiff Royal Sovereign (England).

Anzahl wasserdicht verschließbarer Räume; schon durch den doppelten Boden des Schiffes werden eine große Zahl wasserdichter Zellen gebildet. Auch gegen die Durchschlagskraft der Geschosse gibt es keinen vollkommen sichern Panzerschutz, man müßte denn über 70 cm Stahl hinaufgehen. Ein solcher Gürtelpanzer würde mit Hinzurechnung der Turmpanzer und Panzerquerwände zu einem unmöglichen Gewicht führen. Rechnet man aber darauf, daß das schräge Auftreffen der Geschosse deren Durchschlagsvermögen entsprechend abschwächt, so wird man mit einer geringern Panzerstärke sich genügen lassen dürfen. Eine nicht unwesentliche Verstärkung findet das Widerstandsvermögen des Panzers durch die längs der Seitenwände des Schiffes, soweit die Maschinen- und Kesselräume reichen, liegenden Kohlenbunker. Man hat längst davon absehen müssen, die ganzen Seitenwände der Schiffe zu panzern, weil die schwere Artillerie und sonstigen großen Gewichte die Tragfähigkeit des Schiffes ohnedies in hohem Maße in Anspruch nehmen; die italienischen P. der Lepantoklasse haben deshalb gar keine Seitenpanzer. In England dagegen hat man grundsätzlich nur beim Royal Sovereign (Fig. 1) von 14,150 T. Deplacement den mittlern Teil der Schiffe, soweit die Türme reichen, in der Wasserlinie gepanzert, die Schiffsenden aber frei gelassen. Die Enden der Panzerung hat man dann durch Panzerquerwände verbunden und so eine Art Kasematte hergestellt, innerhalb deren die Türme stehen und die Maschinen und Kessel unterhalb der Wasserlinie liegen; diesem Beispiel entsprechen auch die vier Schiffe der Sachsenklasse in Deutschland. In Frankreich hat man dagegen stets an einem um das ganze Schiff herumlaufenden Panzergürtel festgehalten (Fig. 2, S. 710, Marceau). Schießversuche mit Brisanzgeschossen zeigten die verheerende Wirkung der letztern gegen ungepanzerte Schiffsteile und waren deshalb Ursache, daß man in Frankreich die neuen Panzerkreuzer ganz panzerte und in England auf den 456 mm starken Gürtelpanzer noch einen 127 mm dicken Panzer, welcher bis zum Batteriedeck reicht, aufsetzte; in Italien aber hat man die neuen P. Re Umberto, Sardegna und Sicilia, entgegen dem Bauplan, mittschiffs auf 78 m Länge mit einem 10 cm dicken Breitseitstahlpanzer bekleidet. Die Munitionskammern liegen stets unter dem Panzerdeck, aber die aus ihnen nach oben führenden Hebevorrichtungen müssen stets gepanzert sein, für die Turmgeschütze führen sie innerhalb des Turmpanzers in die Höhe. Die im Bau befindlichen deutschen Panzerschlachtschiffe, von denen Kurfürst Friedrich Wilhelm (Fig. 3, S. 710), Brandenburg und Weißenburg bereits vom Stapel liefen, haben einen umlaufenden Gürtelpanzer, der mittschiffs 40 cm dick ist und sich nach den Schiffsenden auf 30 cm abschwächt. Die zwischen dem Vorder- und Mittelturm liegende Batterie ist durch einen 5 cm starken Panzer geschützt; der Gürtelpanzer liegt auf einer 20 cm dicken Teakholzhinterlage. Die drei Türme haben nur 30 cm dicken Panzer; man darf ihn schwächer sein lassen als den Seitenpanzer, weil ein senkrechtes Auftreffen der Geschosse dort weniger wahrscheinlich ist. Die Türme stehen in der Längsachse des Schiffes, und zwar die beiden hintern auf dem Panzerdeck, der vordere, sehr hochliegende auf dem Batteriedeck, unter welchem ein Panzerschacht zum Panzerdeck führt, so daß die Türme gegen das gefahrvolle Einschlagen und Explodieren von Geschossen unter den Geschützständen gesichert sind. In jedem Turme stehen zwei 28 cm Kanonen L/35 auf Drehscheiben, welche mit einem Panzerschutzschild überdeckt sind. Sechs 10,5 cm und acht 8,7 cm und zwei leichte Schnellfeuer- sowie eine Anzahl Revolverkanonen bilden die übrige Armierung. Zwei Schnellfeuerkanonen stehen in [710] seitlichen Ausbauten vor dem vordern Turm, über der stark nach innen geneigten (eingezogenen) Bordwand, die übrigen stehen in der Batterie hinter dem vordern Turm, in den Gefechtsmasten etc. Die beiden Schrauben werden durch zwei dreifache Expansionsmaschinen getrieben, deren jede 4500–5000 Pferdekräfte entwickelt und dem Schiff gegen 16 Knoten

Fig. 2. Panzerschiff Marceau (Frankreich).

Geschwindigkeit erteilen werden. Die Schiffe werden eine größte Länge von 116, eine Breite von 19,5, einen Tiefgang von 7,4 m und ein Gewicht von 10,300 T. haben. Hinter dem vordern Geschützturm befindet sich der aus 30 cm dicken Panzerplatten hergestellte Kommandoturm, von welchem alle Telegraphen

Fig. 3. Panzerschiff Kurfürst Friedrich Wilhelm (Deutschland).

und Sprachrohre ausgehen, und wo auch das Direktionsrad der Dampfsteuerung untergebracht ist. Das Schiff besitzt durch seine Einteilung in 120 wasserdicht abschließbare Räume eine sehr große Schwimmfähigkeit.

Von der Aufstellung 100 Ton. wiegender oder noch schwererer Geschütze an Bord von Panzerschiffen, wie es in Italien und England geschehen, ist man zurückgekommen. Durch die in der Neuzeit erzielte Vervollkommnung der Geschütze erhalten wir schon bei erheblich geringerm Kaliber, bis zu etwa 34 cm, eine hinreichende Durchschlagskraft der Geschosse. Neben der erheblich geringern Belastung der Schiffe wird damit noch der Vorteil erzielt, daß diese Geschütze im Notfall mit der Hand bedient werden können, was bei den schweren Geschützen nur mittels Maschinen geschehen kann. Während man bei den deutschen und englischen Schiffen Angriffs- und Widerstandskraft sorgfältig gegeneinander abgewogen, sind in Italien die Geschützarmierung und Fahrgeschwindigkeit auf Kosten der Panzerung sehr bevorzugt, ein System, das viele Freunde hat, und dem von manchen die Zukunft zugesprochen wird. Sardegna z. B. wird mit vier 34,3 cm, acht 15 cm Kanonen L/40, zehn 12 cm, zehn 5,7 und zwölf 3,7 cm Schnellfeuer- sowie 7 Revolver- und Maschinengeschützen armiert und Maschinen von 22,800 Pferdekräften erhalten, die ihm mindestens 18 Knoten Geschwindigkeit erteilen werden.

Auch betreffs der Torpedoboote ist insofern eine Wandlung eingetreten, als die schon geäußerten Zweifel über die Zweckmäßigkeit sehr kleiner Boote wegen mangelnder Seefähigkeit durch die Flottenübungen [711] vergangener Jahre bestätigt wurden. Während man früher bis zu Booten von 20–30 Ton. herunterging und solche von 50–60 T. für alle Fälle ausreichend hielt, baut man heute die Hochseeboote zu etwa 90 T. und darüber, während für den Dienst an der Küste auch kleinere Boote zweckmäßig Verwendung finden. Um sich aber die Vorteile kleiner Boote auf hoher See im Verbande der Schlachtflotten zu erhalten, hat man in England Schiffe gebaut, welche auf Deck sechs Torpedoboote transportieren, die im Gebrauchsfalle schnell mittels Dampfkränen zu Wasser gelassen werden können. Das nach diesen Grundsätzen gebaute, englische Torpedo-Depotschiff Vulkan von 6620 T. kann vermöge seiner großen Geschwindigkeit von 20 Knoten den Geschwadern folgen und soll sich bei den Übungen bewährt haben. Vgl. Dislère, Die Kreuzungsschiffe und der Kaperkrieg (deutsch von Dietrich, Pola 1876); Lechner, Unsre Flotte (Kiel 1891); Busley, Die neuern Schnelldampfer der Handels- und Kriegsmarine (das. 1891); „Die neuesten Panzerschlachtschiffe der fremdländischen großen Marinen“ („Marine-Rundschau“, Heft 6–8, Berl. 1891).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe auch den Artikel Panzerschiff im Hauptteil.