MKL1888:Polārlicht

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Polārlicht“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Polārlicht“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 13 (1889), Seite 167170
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Polarlicht
Wiktionary-Logo
Wiktionary: Polarlicht
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Polārlicht. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 167–170. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Pol%C4%81rlicht (Version vom 19.04.2024)

[167] Polārlicht (hierzu Tafel „Polarlicht“), eine Lichterscheinung des Himmels, welche sich in ihrer vollsten Pracht in den Polarländern zeigt, aber auch zuweilen in unsern Breiten gesehen wird, wie z. B. in den glanzvollen Erscheinungen des 7. Jan. 1831, 18. Okt. 1836, 24. u. 25. Okt. 1870, 4. Febr. 1872, 2. Okt. 1882 u. a. Je nachdem die Lichterscheinung in den Nordpolar- oder in den Südpolarländern auftritt, pflegt man sie mit dem Namen Nordlicht (Aurora borealis) oder Südlicht (Aurora australis, Australlicht) zu bezeichnen, wofür jetzt der gemeinschaftliche Name P. üblich geworden ist. Die Polarlichter treten, je nach Zeit und Ort, unter sehr verschiedenen Formen auf; am häufigsten (Fig. 1 u. 4 der Tafel) bilden

[Ξ]

POLARLICHTER.
Fig. 1. Häufigste Form des Nordlichts in Deutschland und dem südlichen Skandinavien.
Fig. 2. Nordlicht, beobachtet von Hayes zu Port Foulke in Grönland, 6. Januar 1861.
Fig. 3. Nordlicht, beobachtet von Capron zu Guildford in England, 24. Oktober 1870.
Fig. 4. Nordlicht, beobachtet von Capron auf der Hebrideninsel Skye, 11. September 1874.

[168] sie einen leuchtenden Bogen am Horizont, dessen unterer Rand schärfer begrenzt zu sein pflegt als der mehr verschwommene obere. Unter dem Lichtbogen sieht der Himmel schwärzer aus als gewöhnlich, wie eine dunkle Wolke oder Nebelwand in der Gestalt eines kreisförmigen, vom Horizont begrenzten Segments. Der höchste Punkt des Lichtbogens liegt ziemlich nahe in der Richtung, nach welcher die Kompaßnadel hinweist, also im magnetischen Meridian. Der Polarlichtbogen ist häufig aus einzelnen Strahlen zusammengesetzt, welche von seinem untern Rand nach oben hin gerichtet und von verschiedener Länge sind und oft über den ganzen Bogen hinzuwandern scheinen. Der Polarlichtbogen steht nicht selten ziemlich hoch am Himmel, und seine Erhebung ist über dem Horizont von dem Standort des Beobachters abhängig. Manchmal zeigen sich gleichzeitig mehrere Polarlichtbogen übereinander, welche ihre Form und Stellung am Himmelsgewölbe ziemlich rasch ändern. Zuweilen ist das P. auch ohne Zusammenhang über einen größern Teil des Himmels zerstreut. Diese Art der Polarlichter und nicht minder das Licht der Polarlichtbogen zeigt häufig eine stark flackernde oder flammende Bewegung, indem verschieden gefärbte Strahlen bald hier, bald dort am Himmel aufleuchten. Zuweilen erscheinen diese Strahlen wie ein vom Wind bewegtes leuchtendes Band oder eine Lichtwelle (Fig. 2), zuweilen erfüllt sich der ganze Himmel oder wenigstens ein Teil desselben mit solchen flammenden Polarlichtstrahlen, welche in einem Punkte des Himmelsgewölbes zusammenzulaufen scheinen, der nach neuern Untersuchungen in der Richtung der magnetischen Inklinations- (Neigungs-) Nadel liegt, da, wo das obere Ende derselben hinweist. Dieser Punkt heißt die Krone des Polarlichts. Man kann daher der Hauptsache nach fünf verschiedene Formen beim P. unterscheiden, je nachdem dasselbe 1) als heller Bogen 2) in Form eines wogenden Bandes, 3) als Strahlen, 4) als Krone erscheint oder 5) als heller Schein über den Himmel verbreitet ist. Die Farbe des Polarlichts ist gewöhnlich weißlich oder gelblich; es gibt aber auch rote Polarlichter, die sehr glänzend werden können, wie z. B. das vom 24. u. 25. Okt. 1870 (Fig. 3). Weyprecht, der sich auf der österreichisch-ungarischen arktischen Expedition zwei Jahre lang (1872–74) unter dem Gürtel größter Häufigkeit der Nordlichter befand, teilt über die Farben des Polarlichts mit, daß ihre Reihenfolge die einzige gesetzmäßige Eigenschaft der Polarlichter war, von welcher niemals eine Ausnahme beobachtet wurde. Nach seiner Beschreibung ist die normale Farbe weiß mit leichter grünlicher Betonung, bei trübem Wetter schmutzig gelb. Bei größerer Intensität des Polarlichts tritt Grün und Rot auf, und zwar bildet bei der häufigsten Form, dem breiten Lichtband, das Rot den untern Saum, dem dann das viel breitere Weiß der Mitte und dann das Grün des obern Saums in ungefähr gleicher Breite wie das untere Rot folgt. Violett tritt häufig bei den nur geringe Lichtintensität besitzenden Erscheinungen auf, welche formlosen, schwach leuchtenden Nebeln gleichen. Das Spektrum des leuchtenden Bogens des Polarlichts besteht nach Angström aus einer einzigen, dem P. charakteristischen hellen Linie zwischen den Fraunhoferschen Linien D und E. Außerdem beobachtete Angström noch drei schwache Streifen nach der Fraunhoferschen Linie F zu. Bei dem prachtvollen P. vom 25. Okt. 1870 beobachtete Zöllner außer der charakteristischen Linie zwischen D und E eine rote Linie, doch erschien diese nur an solchen Stellen des Himmels, die auch dem unbewaffneten Auge stark gerötet erschienen. Im blauen Teil des Spektrums traten nur zuweilen bandartige Streifen auf. Die Linien im Spektrum des Polarlichts stimmen nicht mit dem Spektrum eines verdünnten Gases in den Geißlerschen Röhren überein, während sich nach Angström die charakteristische Polarlichtlinie im Spektrum des Zodiakallichts (s. d.) wiederfindet. Ist das P. überhaupt elektrischer Natur wie die Lichtentwickelung der verdünnten Gase in den Geißlerschen Röhren, so muß es einer so niedrigen Temperatur angehören, wie sie bei diesen nicht gut hergestellt werden kann. Über die Höhe der Polarlichter sind die Ansichten der Naturforscher sehr geteilt. Nach Plücker fängt das elektrische Licht im luftverdünnten Raum an zu verschwinden bei einem Druck von 0,3 mm und ist bei 0,1 mm Druck vollständig fort. Daraus würde folgen, daß das P. bis 9 Meilen hoch sein könnte. Nach Waltenhofen tritt das elektrische Licht noch bei 20,000maliger Verdünnung der Luft auf und könnte deshalb das P. weit über 10 Meilen oberhalb der Erde vorhanden sein. Eine direkte Messung der Höhe des Polarlichts ist in der Art ausgeführt, daß man an verschiedenen Punkten der Erdoberfläche, die womöglich auf demselben Meridian lagen, die Erhebung einzelner charakteristischer Stellen des Polarlichts, wie unteres oder oberes Ende eines bestimmten Lichtstrahls etc., über den Horizont beobachtete und aus der so gefundenen Parallaxe seine Höhe berechnete. Auf diese Weise wurde aus den Beobachtungen über das P. vom 25. Okt. 1870 von Heis in Münster und Flögel in Schleswig abgeleitet, daß die Basis der Strahlen 20–35 Meilen und die Spitzen derselben 70, wahrscheinlich bis über 100 Meilen hoch waren. Zu ähnlichen Resultaten kamen auch Galle und Reimann in Breslau. Nach andern Beobachtungen tritt das P. auch in den untern Luftschichten auf, und namentlich ist dieses in den Polargegenden der Fall, wo z. B. Lemström u. a. das P. unterhalb von Berggipfeln und Wolken sowie von Nebeln und leuchtenden Wolken ausgehend beobachtet haben und es deshalb weniger als 4000 Fuß hoch gewesen sein muß. Aber auch im hohen Norden tritt das P. in größerer Höhe auf, wie z. B. in Wester-Norrland am 19. Febr. 1876 ein prachtvolles P. mit der Corona borealis nach 11 Uhr abends oberhalb der Cirruswolken, also in sehr großer Höhe, gesehen wurde. Daß das P. einen Einfluß auf den Zustand der untern Luftschichten ausübt, geht daraus hervor, daß der Himmel beim Auftreten eines starken Polarlichts, zumal wenn die Krone sich zeigt, in ungewöhnlich schneller Wechselfolge sich bewölkt und wieder aufklärt. Das Verhalten des Polarlichts zu den großen Bewegungen der Atmosphäre, zu den Winden, den Temperatur- und Luftdruckerscheinungen ist noch nicht genauer untersucht und noch nicht genügend festgestellt.

Bei starken Polarlichtern wollen einzelne Beobachter bisweilen ein eigentümliches knisterndes Geräusch, wie das Rascheln eines Seidenstoffs, gehört haben, während von andern die Existenz eines Geräusches ausdrücklich geleugnet wird. In neuester Zeit ist darauf hingewiesen, daß die Entdeckungen von Bleuler und Lehmann in Zürich über „zwangsmäßige Lichtempfindungen durch Schall und verwandte Erscheinungen“ (Leipz. 1881) zur Erklärung des von einzelnen Beobachtern gehörten Geräusches dienen können. In ähnlicher Weise, wie solche Photismen oder Farbenvorstellungen durch Schall entstehen, werden nämlich auch bei gewissen Personen zwangsmäßige Schallempfindungen, Phonismen, durch Licht hervorgerufen, und da gleichzeitig mit jedem [169] Aufflackern des Polarlichts ein Ton gehört werden soll, so deutet diese Gleichzeitigkeit ebenso wie die Beschränkung der Empfindung auf gewisse Personen darauf hin, daß die Schallempfindungen als Phonismen aufzufassen sind. Manche Polarlichter werden nur auf verhältnismäßig kleinen Strecken beobachtet, während andre eine außerordentlich große Verbreitung haben. So war z. B. das schöne P. vom 7. Jan. 1831 im ganzen nördlichen und mittlern Europa sowie auch am Eriesee in Nordamerika sichtbar. In diesem Fall können nicht überall dieselben leuchtenden Strahlen gesehen sein, sondern am Eriesee wird man einen andern Teil des Phänomens wahrgenommen haben als in Europa. Wahrscheinlich hatte sich damals ein großer Strahlenkamm gebildet, welcher, ungefähr der Richtung eines magnetischen Parallelkreises folgend, vom Eriesee über den Atlantischen Ozean bis nach Norwegen und Schweden reichte. Eine bedeutsame Thatsache ist es, daß die Polarlichter am Nord- und Südpol sehr oft gleichzeitig erscheinen. Aus den vergleichenden Zusammenstellungen der Polarlichtserscheinungen durch Fritz und Loomis ergibt sich, daß das P. im allgemeinen zwar in den nördlichen Ländern der kalten und nördlichen gemäßigten Zone am häufigsten vorkommt, seltener in der südlichen oder wärmern gemäßigten Zone (von 45°–231/2° nördl. Br.) und noch seltener in den tropischen Gegenden; aber keineswegs sind die Zonen gleich großer Häufigkeit der Nordlichter parallel dem Äquator, und noch viel weniger findet die größte Häufigkeit in der größern Nähe des geographischen Nordpols statt. Vielmehr liegen die Orte, wo man das P. am häufigsten und in seiner intensivsten Entfaltung sieht, in einer Zone von ovaler Form, welche sich von der Barrowspitze in Nordamerika über den Großen Bärensee nach der Hudsonbai hinzieht, diese unter 60° nördl. Br. schneidet und dann über Labrador, südlich vom Kap Farewell zwischen Island und den Färöern in die Nähe des Nordkaps nach dem Nördlichen Eismeer geht. Nach den weiter zu Gebote stehenden Beobachtungen soll die Linie um Nowaja Semlja und um das Kap Tscheljuskin gehen, sich im östlichen Sibirien der Küste nähern und von da zur Barrowspitze zurückkehren. Nördlich und südlich von dieser Zone nimmt die Häufigkeit und Intensität des Polarlichts ab, und zwar nach N. zu in stärkerm Grad als nach S. (s. Isochasmen). Südlich von dieser Zone sieht man das P. in der Regel im Norden (daher der Name Nordlicht); aber nördlich von ihr erscheint das P. gewöhnlich am südlichen Teil des Himmels. Innerhalb der jährlichen Periode ist das P. zur Zeit der Äquinoktien (s. d.) am häufigsten und zur Zeit der Solstitien (s. d.) am seltensten. Außerdem hat das P. eine Periode von ca. 11 Jahren, in welcher seine Häufigkeit gleichzeitig mit der Häufigkeit der Sonnenflecke zu- und abnimmt, so daß P.- und Sonnenflecken-Maxima und -Minima gleichzeitig eintreffen. Dabei drückt sich der periodische Wechsel in den Nordlichtern viel energischer aus als in den Sonnenflecken. Neben dieser elfjährigen Periode zeigt sich noch eine Periode von 551/2 Jahren und wahrscheinlich eine noch größere von 222 Jahren, die man in den Nordlichtsverzeichnungen verfolgen kann (vgl. H. Fritz, Verzeichnis beobachteter Polarlichter, Wien 1873, und Loomis in Sillimans „American Journal“). Die bisher vorliegenden Beobachtungen der Südlichter (1841–48 zu Hobarttown u. 1857–62 zu Melbourne) sprechen dafür, daß bei ihnen dieselbe Periodizität vorhanden ist wie bei den Nordlichtern.

Die Beziehungen, welche zwischen dem P. und dem Erdmagnetismus bestehen, zeigen sich zunächst darin, daß während eines Polarlichts die Deklinationsnadel sehr starke und unregelmäßige Schwankungen zeigt, weshalb A. v. Humboldt die Nordlichter sehr bezeichnend magnetische Gewitter genannt hat. Diese magnetischen Störungen treten an den verschiedenen Orten gleichzeitig auf, wie die Polarlichter selbst, und sind um so stärker, je intensiver und je weiter verbreitet am Himmel das P. ist; sie zeigen sich auch an Orten, wo das P. selbst nicht sichtbar ist, so daß man aus einer solchen unruhigen Bewegung der Magnetnadel mit Sicherheit auf ein in entferntern Gegenden sichtbares P. schließen kann. Am unzweifelhaftesten aber ergibt sich die Beziehung des Polarlichts zum Erdmagnetismus aus der Bildung der Polarlichtkrone an dem Punkte des Himmels, nach welchem die magnetische Inklinations- (Neigungs-) Nadel hinweist. Der gewöhnliche Polarlichtbogen rührt nach der Ansicht Nordenskjölds von einem leuchtenden Ring her, der um den magnetischen Pol in beträchtlicher Höhe über der Erde schwebt, und welcher von einem zweiten größern konzentrisch umgeben ist, von dem die großen und prächtigen Polarlichter ausgehen. Je nach der Stellung des Beobachters zu diesen leuchtenden Ringen wird das P. eine verschiedene Form annehmen. An einem Punkte der Erdoberfläche, der weit südlich liegt, wird nur der äußere Ring sichtbar sein, von dem das prachtvolle Draperienlicht mit lebhaften Strahlen ausgeht. Befindet sich der Beobachter weiter nördlich, so wird der Polarlichtbogen die gewöhnliche Erscheinung sein, bei welcher man unter dem hellen Bogen den dunkeln Himmel oder das sogen. dunkle Segment erblickt. Unter den leuchtenden Ringen werden die meisten für den Beobachter sichtbaren Strahlen die Richtung der magnetischen Kraft am Beobachtungsort haben, d. h. einander parallel sein, und werden deshalb nach den Gesetzen der Perspektive in einem Punkte des Himmelsgewölbes zusammenzulaufen scheinen und die Polarlichtkrone an dem Punkte des Himmels bilden, nach welchem die magnetische Inklinationsnadel gerichtet ist. Ein Beobachter im Norden des Polarlichtrings sieht das P. selten, und da nach innen fast gar keine Strahlen ausgesendet werden, wird es hier meist nur als lichter Nebel am Horizont beobachtet werden. Nachdem schon früher die Ansicht ausgesprochen war, daß das P. elektrischer Natur sei, ging de la Rive davon aus, daß das Meerwasser beständig mit positiver Elektrizität geladen sei, daß diese positive Elektrizität durch die aufsteigenden Dämpfe in die höhern Schichten der Atmosphäre getragen und durch den obern Passat (s. d.) den Polen zugeführt werde, so daß sie eine positiv elektrische Hülle für die Erde bildet, welche selbst mit negativer Elektrizität geladen bleibt. Da sowohl die Erde als auch die verdünnte Luft in den höhern Regionen der Atmosphäre gute Leiter sind, so werden sich die verschiedenen Elektrizitäten besonders da verdichten, wo die positive Luftschicht und die negative Erde einander am nächsten sind, d. h. in der Nähe der Pole. Ein Ausgleich der entgegengesetzten Elektrizitäten wird wegen der schlechten Leistungsfähigkeit der untern Luftschichten, durch welche sie erfolgen muß, nur allmählich in successiven, mehr oder weniger kontinuierlichen Entladungen von veränderlicher Intensität stattfinden, und während einer solchen Entladung wird die negative Elektrizität auf der Erde vom Äquator nach den Polen und die positive umgekehrt von den Polen nach dem Äquator strömen. Durch diese Ströme wird die Deklinationsnadel nach [170] W. abgelenkt und ein Strom in den Telegraphendrähten hervorgerufen, der sich in der That auch als eine Störung kenntlich macht. 1878 hat Edlund in Stockholm die Erklärung der Polarlichter sowie die Erklärung aller elektrischen Erscheinungen im Luftkreis auf die von Faraday entdeckte sogen. unipolare Induktion und zwar in folgender (auf die Erde angewandter) Weise reduziert. Läßt man einen Magnet (Erde) mit einer gut leitenden Umhüllung (Erdkruste) rotieren, und verbindet man dabei einen dem Pol benachbarten Punkt dieser Umhüllung (also in der Polarzone) durch einen Leiter (Atmosphäre) mit einem andern Punkte der Umhüllung in der Nähe der Mitte zwischen beiden Polen (in der Äquatorialzone), so entsteht während der Rotation ein elektrischer Strom zwischen den beiden Zonen, dessen Richtung und Intensität von Richtung und Geschwindigkeit der Rotation abhängen. Da nun die Atmosphäre in ihren untern Schichten im allgemeinen ein schlechter, in ihren obern aber ein guter Leiter ist, welcher den elektrischen Kreislauf zwischen der Äquatorialzone und den beiden Polarzonen schließt, so ist nun der elektrische Stromverlauf auf der Erde folgender. In allen Zonen zwischen dem Äquator und den beiden Polarzonen findet ein Aufsteigen der positiven Elektrizität statt, welches am Äquator am stärksten ist, aber immer schwächer wird, je mehr man sich den Polen nähert, und in deren Nähe ganz aufhört. Die in die Höhe getriebenen Mengen von positiver Elektrizität sind noch einer Tangentialkraft unterworfen, welche am Äquator und an den Polen gleich Null ist und zwischen beiden ihren größten Wert erreicht. Auf der nördlichen Halbkugel ist die Tangentialkraft nach Norden, auf der südlichen Halbkugel nach Süden gerichtet, und deshalb wird die in die Höhe gestiegene positive Elektrizität in den obern Luftschichten nach den Polen zu abfließen. Die geringe Leitungsfähigkeit der Luft setzt der Ausgleichung dieser positiven Elektrizität mit der durch Influenz auf der Erdoberfläche hervorgerufenen negativen Elektrizität einen Widerstand entgegen, so daß die Ausgleichung nur dann erfolgen kann, wenn eine gewisse elektrische Spannung erreicht ist, und zwar entweder durch Entladungsschläge, d. h. Gewitter, oder durch kontinuierliche Ströme, d. h. Polarlichter. Das Erglühen der Luft durch die elektrischen Rückströmungen aus den höhern Luftschichten nach der Erdoberfläche erfolgt nach dieser Theorie (analog wie in den Geißlerschen Röhren) in der Regel nur in den höhern dünnern Luftschichten, während der Durchgang durch die untern Schichten im allgemeinen lichtlos stattzufinden scheint. 1885 hat Unterweger das P. durch die Bewegung des Sonnensystems im Weltraum zu erklären versucht, indem durch Kompression des Weltäthers an der Stirnseite der Weltkörper und durch Verdünnung desselben an der Rückenseite Differenzen der elektrischen Spannung in den Atmosphären entstehen, welche die uns wahrnehmbaren elektrischen Erscheinungen, zu denen auch das P. gehört, hervorrufen. 1882 ist es Lemström aus Helsingfors gelungen, durch geeignete elektrische Armierung von Berggipfeln Lichtsäulen bis zu ansehnlicher Höhe über diesen Gipfeln hervorzurufen, welche sowohl ihrem äußern Anschein nach als auch in Bezug auf die charakteristischen Eigenschaften mit den Polarlichtern übereinstimmten. Diese Versuche wurden im nördlichen Finnland auf zwei Bergen von 800 und 1100 m Höhe ausgeführt und bestanden darin, daß die betreffenden Hochflächen mit einem Netz von Kupferdrähten, die mit nach oben gerichteten Spitzen versehen und gegen den Erdboden isoliert waren, überzogen wurden. Das Drahtnetz wurde durch einen gegen die Erde isolierten Draht am Fuß des Bergs mittels einer Zinkplatte mit einer tiefern, Wasser führenden Erdschicht verbunden. Sobald die Verbindung hergestellt war, wurden unaufhörlich elektrische Ströme von schwankender Intensität in der Drahtleitung beobachtet, der positive Strom war von der Atmosphäre nach der Erde zu gerichtet. Gleichzeitig erhob sich über den Spitzen des Drahtnetzes ein gelblichweißes Leuchten, welches die charakteristische Polarlichtlinie im Spektroskop zeigte, und über einer der beiden Bergspitzen wurde sogar ein Polarlichtstrahl von 120 m Länge beobachtet. Vgl. Capron, Aurorae, their characters and spectra (Lond. 1879); Fritz, Das P. (Leipz. 1881).