MKL1888:Polarexpeditionen
[741] Polarexpeditionen.[WS 1] Über die unter Nordenskjöld 1890 ausgeführte Expedition nach Spitzbergen, deren Hauptzweck geologische und zoologische Untersuchungen in West-Spitzbergen waren, hat der Leiter wichtige Mitteilungen gemacht. Am Eisfjord, dem eigentlichen Ziele für den geologischen Teil der Expedition, traf man alle Formationen von den ältesten bis zu den jüngsten, und im Hafen der Norweger Inseln an der Nordwestküste von Spitzbergen konnte man das Vorkommen des roten Schnees in ungewöhnlich starkem Grade beobachten. Spitzbergen war auch das Ziel einer durch Stänglin in Stuttgart ausgerüsteten Expedition, zu welcher Kapitän Bader, der als Steuermann der Hansa die Nordpolargewässer befahren hatte, den Anstoß gab. Dieselbe ging 26. Juli 1891 mit einer kleinen Schar von Gelehrten und Forschern von Bremerhaven ab, um die Steinkohlenlager auf Spitzbergen hinsichtlich ihrer Ergiebigkeit zu untersuchen und gleichzeitig festzustellen, ob die sonstigen Naturerzeugnisse für den deutschen Handel verwertet werden könnten.
In Grönland wurden die dänischen Untersuchungen im Sommer 1890 durch zwei Abteilungen von [742] Reisenden fortgesetzt. Die erstere bestand aus dem Entomologen Lundbeck, dem Botaniker Hartz und dem Zoologen Bergendal, ging 15. Juni von Holstenborg zu Boot nach Nordgrönland, bereiste die Küsten um die Diskobucht und kam 29. Sept. wieder in Kopenhagen an. Die zweite Expedition unter dem Marineleutnant Bloch und dem Naturforscher Lassen untersuchte die noch mangelhaft dargestellte Küstenstrecke zwischen den beiden südlichsten Kolonien unter 61–62° nördl. Br. und erreichte nach ebenfalls glücklich gelöster Aufgabe 26. Sept. Kopenhagen. Eine vom Staate veranstaltete Expedition aus 11 Mitgliedern unter Führung des Marineleutnants Ryder verließ Kopenhagen 7. Juni 1891, um an der Ostküste Grönlands unter dem 68. Breitengrad zu landen und die noch örtlich unbekannte, bisher von keinem Europäer betretene Ostküste vom 66.–70. Breitengrad und die daran stoßende, nicht genau untersuchte Strecke bis zum 73. Breitengrad gründlich zu erforschen. Die Expedition sollte bis 1893 in Grönland bleiben, doch gestatteten die Eisverhältnisse nicht, die grönländische Küste zu erreichen, die Expedition blieb daher in einer Eisbucht in der Nähe von Jan Mayen, konnte aber später durch die Eismassen zur Küste unter 791/2° nördl. Br. vordringen. Im Sommer 1891 begab sich E. v. Drygalski in Begleitung von Baschin mit Unterstützung der Berliner Karl Ritter-Stiftung nach Westgrönland, um an dem mächtigen Eisstrom des Umanakfjords physikalische Untersuchungen über das Gletscher- und Inlandeis zu machen. Sie kehrte im Herbst d. J. reich an Resultaten zurück. Eine amerikanische Expedition unter dem Schiffsingenieur Peary, bestehend aus 16 Personen, worunter die Frau Pearys, brach 6. Juni 1891 von New Bedford auf. Dieselbe begab sich nach Westgrönland, um das Nordende Grönlands auf dem grönländischen Inlandeis zu erreichen. Danach sollen an der Mündung des Whalesundes (771/4°–773/4° nördl. Br. und 661/2–711/2° westl. L. v. Gr.) auf Schlittenfahrten Depots in gewissen Abständen am Petermanns-, Osborne- und Meigsfjord errichtet und von diesem letzten Punkte das vermutlich noch 100–200 Seemeilen entfernte nördliche Ende von Grönland erreicht werden. Es handelt sich bei Ausführung des Planes um ein geographisches Problem, welches an Bedeutung nur der Entdeckung des Nordpols nachsteht, und wobei möglicherweise der am meisten zugängliche Weg zum Pole selbst gefunden werden kann. Neun Mitglieder der Expedition kehrten 31. Aug 1891 mit beträchtlicher botanischer und zoologischer Ausbeute nach Halifax zurück, nachdem sie als äußersten Punkt 77°43′ nördl. Br. und 70°22′ westl. L. v. Gr. erreicht hatten. Unter Leitung des Professors Leslie Leigh ging 27. Juni 1891 eine Expedition von Brunswick (Maine) ab, um den großen, in Labrador einschneidenden Ivuktokfjord 260 km aufwärts zu verfolgen und die großen Wasserfälle des Grand River[WS 2] zu erforschen. Diese Fälle liegen 160 km oberhalb des Waminikaposees und bestehen aus einer Reihe von Stromschnellen, welche auf eine Länge von 50 km ein Gefälle von 250 m[WS 3] besitzen, und deren letzte als 60 m[WS 3] hoher Fall in einen engen Cañon hinabstürzt. Zur Vervollständigung der Forschungen im St. Eliasgebirge entsandte die National Geographical Society in Washington in Verbindung mit der Geological Survey im Sonnner 1891 eine Expedition unter J. C. Russell, deren Hauptaufgabe die Bestimmung der Lage und Höhe des Mt. St. Elias sein sollte. Der Berg wurde bis 3400 m Höhe erstiegen und von der Icybai trigonometrisch vermessen, wobei man als die Höhe des Berges 5150 m fand, also 350 m weniger als die Dallsche Messung (5900 m). Schwatka ging April 1891 von St. Paul (Minnesota) zu einer Forschungsreise nach Alaska in der Absicht, dasselbe den Jukonfluß entlang bis zum äußersten Westen zu bereisen.
Der russische Forscher Nossilow, der bereits früher zweimal auf Nowaja Semlja überwintert hatte, ging im Sommer 1890 von Archangel zum Westeingang des Matotschkin Schar und errichtete dort sein mitgebrachtes Haus und einen meteorologischen Pavillon. Er verweilte dort bis Juli 1891, machte zuerst Fahrten durch den Matotschkin Schar in die Karasee und verlebte auf seiner Station einen äußerst stürmischen und rauhen Winter bei einer größten Kälte von −35° C., die sich aber oft in wenigen Stunden auf +3° C. veränderte. Auch im Sommer stieg die Temperatur nicht über +5° C. Auf seiner Station sowie auf einer Nebenstation in der Samojedenkolonie an der Karmakulibai wurden zahlreiche meteorologische Beobachtungen gemacht. Zum Studium des Polarlichts begaben sich Ende 1891 Brendel aus Greifswald und der Meteorolog Baschin aus Berlin nach Bossekop in Lappland, wo schon 1838–39 die Franzosen Lottin und Beauvais verweilten, und wo 1882–83 die norwegische Polarstation ein wichtiges Glied der internationalen Polarforschung bildete.
Die Fahrt nach der Nordküste von Sibirien konnten im Sommer und Herbst 1890 glücklich drei Schiffe machen. Der Norweger Petersen befuhr den Jenissei aufwärts bis Karaul; auch die Engländer Cordiner und Wiggins erreichten den Jenissei. Zur weitern Erweckung des Interesses für diese Unternehmungen verfaßten Butler und Fletcher-Vane im Auftrag des Anglo-Siberian Trading Syndicate eine Broschüre: „The sea route to Siberia“.
Die lange schon geplante Expedition in die antarktischen Gebiete ist durch Zeichnung der nötigen Summe gesichert. Baron v. Nordenskjöld, der sich bekanntlich erboten hatte, die Leitung zu übernehmen, hatte die Gesamtkosten auf 15,000 Pfd. Sterl. veranschlagt, allein die Royal Geographical Society in Melbourne erachtete diese Summe als nicht ausreichend und verlangte 16,000 Pfd. Sterl., wovon der schwedische Baron Dickson und der australische Großkaufmann und Herdenbesitzer Sir Thomas Elder je 5000 Pfd. Sterl. zeichneten. Die Expedition soll Ende 1892 die Reise antreten.
Fritjof Nansen begab sich Anfang 1892 nach London, um dort von der Royal Geographical Society die Mittel zu einer Nordpolarexpedition zu erhalten, da die nötigen Summen in Norwegen allein nicht aufgebracht werden können. Er will im Januar 1893 nach der Lenamündung aufbrechen, entweder durch die Beringstraße oder durch die Karasee, und will dann der von der sibirischen Küste direkt zum Nordpol führenden Strömung bis zur Ostküste Grönlands folgen. Er rechnet auf ein Ausbleiben von 3–4 Jahren, will aber in seinem Schiffe Vorräte für 6 Jahre mitnehmen. Die Besatzung beträgt nur 12 Mann. Die Schiffsmaschine ist zur Herstellung von elektrischem Licht eingerichtet, das die lange Polarnacht erhellen und damit einen wohlthätigen Einfluß auf die Mannschaft ausüben soll.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vgl. Polārforschung und Nordpolexpeditionen im Hauptteil.
- ↑ Churchill Falls
- ↑ a b Vorlage: km