MKL1888:Rüster

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Rüster“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 9899
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Rüster. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 98–99. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:R%C3%BCster (Version vom 25.02.2023)

[98] Rüster (Ulme, Ulmus L., hierzu Tafel „Rüster“), Gattung aus der Familie der Ulmaceen, meist ziemlich hohe Bäume oder Sträucher mit abwechselnden, aber deutlich in zwei Reihen stehenden, stets ungleichseitigen, fiedernervigen, einfach oder doppelt gesägten, kurzgestielten, meist sehr rauhen Blättern, vor den letztern erscheinenden, in Büscheln stehenden, zwitterigen Blüten und ringsum geflügelten, nußartigen, einjährigen, einsamigen Früchten. Die Feldrüster (U. campestris L., s. Tafel), ein bis 30 m hoher Baum mit ziemlich geradschaftigem Stamm, stark aufgerissener und gefurchter Rinde, breit elliptisch eiförmigen, in eine schlanke Spitze ausgezogenen, am Grund schief herzförmigen, doppelt sägeförmigen, beiderseits, namentlich auf der Oberseite, rauhen Blättern, sehr kurzgestielten Blüten in dichten Knäueln und am Rand kahlen Flügelfrüchten. Das Holz ist blaß fleischrot mit braunem oder braunrotem Kern und ziemlich breitem, gelbweißem Splint; es ist grob, aber ziemlich glänzend, hart, spaltet schwer, aber glatt und ist sowohl an der Luft als unter Wasser dauerhaft. Die Feldrüster gedeiht am besten auf frischem Auenboden, steigt bei uns im Gebirge bis 800 m und verbreitet sich von Sizilien bis 66° nördl. Br., auch in Nordasien. Sie wölbt ihre Krone erst im Alter von 50–60 Jahren ab, erreicht eine Höhe von mehr als 30 m und ein Alter von mehreren hundert Jahren. Sie besitzt in allen Teilen ein ungemein starkes Ausschlagvermögen, leidet von Krankheiten und Feinden wenig und wird erst im hohen Alter gipfeldürr. An manchen Rüstern bemerkt man an den Zweigen stark hervortretende Korkflügel, und derartige Rüstern hat man als besondere Art, Korkrüster (U. suberosa Ehrh.), aufgefaßt, während andre Botaniker die Artverschiedenheit in Abrede stellen. Die R. neigt überhaupt zur Varietätenbildung, und man kultiviert zahlreiche Formen desselben. Ebenso stark variiert die Waldrüster (U. scabra Mill.), in Mitteleuropa und Schweden, mit glatterm Stamm, größern, rundlichen, zugespitzten, am Grund breit geöhrten, auf der Oberfläche oft steifhaarigen, unterseits zuerst weichhaarigen, in der Regel kürzer gestielten Blättern mit scharfen, übergebogenen Doppelzähnen und sehr reichlichem Samenansatz. Von Formen dieser Art sind in neuester Zeit die meisten Anpflanzungen gemacht worden. Die Flatterrüster (Bastrüster, U. laevis Pall., U. effusa Willd., s. Tafel), 10–30 m hoher Baum, mit oberflächlich rissigem Stamm, sehr ungleichseitigen, länglichen und zugespitzten, oberseits glatten und unbehaarten, unterseits kurzhaarigen Blättern, langgestielten Blüten und ungleich langgestielten Früchten mit bewimpertem Rand, wächst in Europa bis zum Ural und im nördlichen Orient und ist als Waldbaum besonders heimisch in den Rhein-, Donau- und Elbniederungen, vorzüglich im Flachland. Die Ulmen gehören zu den schönsten Zierbäumen und sind von malerischer Wirkung, unter günstigen Verhältnissen sind sie auch sehr raschwüchsig. Sie waren schon im Altertum, besonders bei den Römern, sehr beliebt; man benutzte sie namentlich, um den Weinstock daran emporranken zu lassen. Das Holz wird von Wagnern, Drechslern, Maschinen- und Mühlenbauern und von Instrumentenmachern sehr geschätzt und das Korkrüsterholz ziemlich allgemein weit vorgezogen; besonders wertvoll ist die Ulmenmaser (zu Gewehrschäften, Ulmer Pfeifenköpfen). An Brennwert steht es dem Buchenholz wenig nach und wird der Eiche gleichgestellt; Rüsterbast ist feiner und gefügiger als Lindenbast. Das Laub ist gutes Schaf- und Rindviehfutter. Die früher offizinelle

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Rüster.
1. Blühender Zweig der Feldrüster (Ulmus campestris). – 2. Blüte. – 3. Durchschnitt derselben. – 4. Vorjähriger Trieb mit Fruchtbüscheln. – 5. Vergrößerte Frucht im Durchschnitt. – 6. Trieb mit Laubknospen. – 7. Blühende Triebspitze der Flatterrüster (U. laevis). – 8. Einzelne Blüte. – 9. Stempel. – 10. Vorjähriger Trieb mit Fruchtbüscheln. – 11. Trieb mit Blüten- und Laubknospen.

[99] innere Ulmenrinde wurde als adstringierendes Mittel benutzt. Die Rüstern verdienen Anbau und Pflege in den Wäldern, der aber nur lohnend ist, wo frische Standorte und guter Boden zur Verfügung stehen. Sie machen größere Ansprüche als selbst die Eichen. In reinen Beständen läßt sich die R. nicht erziehen; als Mischholz im Hochwald, als Oberholz im Mittelwald ist sie dagegen wohl geeignet, den Waldertrag zu heben. Sie schlägt lebhaft vom Stock aus, treibt auch Wurzelbrut und ist deshalb auch im Niederwald wohl verwendbar. Zur Aussaat sammelt man den Rüstersamen Anfang Juni, wo er die Reife erlangt hat, und säet ihn sofort auf tief umgegrabenes, glatt geharktes Land im Saatkamp aus (pro Ar etwa 1,5 kg). Der Same wird nicht mit Erde bedeckt, sondern nur schwach übersiebt und stark angegossen. Freisaaten im Wald empfehlen sich nicht. Will man die R. in Laubholzverjüngungsschläge oder Mittelwaldschläge einbringen, so verpflanzt man sie im 3.–5. Jahr aus dem Saatkamp; sie verträgt das Verpflanzen bis zur Heisterstärke leicht. Auch durch Absenker (Ableger) läßt sie sich leicht verjüngen, ein Verfahren, welches besonders in Holland angewendet wird. Man biegt die einjährigen Stockausschläge (im Herbst) vorsichtig nieder, legt sie in Rinnen von etwa 0,25 m Tiefe, füllt die Rinnen unten mit Komposterde, oben mit dem ausgehobenen Boden zu und tritt sie fest an. Die Zweigspitzen läßt man 1,3 m hoch frei hervorstehen und richtet sie möglichst gerade in die Höhe. Schon im darauf folgenden Herbst können die Absenker, welche sich bis dahin gut bewurzelt haben, vom Mutterstamm getrennt und verpflanzt werden. Gewöhnlich werden sie hierbei gestummelt (über dem Wurzelknoten schräg abgeschnitten), damit sie einen geraden und schlanken Stamm treiben.