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MKL1888:Rhodānverbindungen

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Rhodānverbindungen“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Rhodānverbindungen“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 13 (1889), Seite 792793
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Rhodānverbindungen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 792–793. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Rhod%C4%81nverbindungen (Version vom 16.06.2023)

[792] Rhodānverbindungen (Thiocyan-, Sulfocyan-, Schwefelcyanverbindungen) finden sich als normale Produkte der rückschreitenden Stoffmetamorphose in fast allen Flüssigkeiten der Säugetiere, beim Menschen namentlich im Speichel und entstehen bei Einwirkung von Schwefel auf Cyanmetalle oder von Cyanwasserstoffsäure auf Schwefelammonium, beim Glühen von Schwefelkalium in Cyangas, beim Erhitzen von stickstoffhaltigen organischen Substanzen mit Alkali und Spuren von Schwefelsäuresalzen, bei Einwirkung von Ammoniak auf Schwefelkohlenstoff sowie unter mannigfachen andern Verhältnissen. Aus den Rhodanmetallen läßt sich Rhodanwasserstoffsäure (Schwefelcyanwasserstoffsäure, Sulfocyansäure, Thiocyansäure, Schwefelblausäure) HCNS abscheiden, z. B. durch Behandeln von Rhodankalium mit verdünnter Schwefelsäure. Dieselbe bildet eine farblose, ölartige Flüssigkeit, riecht stechend, essigartig, schmeckt rein sauer, erstarrt bei −12,5°, mischt sich mit Wasser, ist mit demselben destillierbar und siedet bei 102,5°. Mit Basen bildet sie die Rhodanmetalle (Rhodanide, Sulfocyanate, Sulfocyanide), welche nicht giftig, kristallisierbar, meist in Wasser löslich sind und Eisenoxydsalze blutrot färben (empfindliche Reaktion). Die Rhodanide der Alkali- und Erdalkalimetalle ertragen trockne und bei Ausschluß der Luft ziemlich hohe Temperaturen, zersetzen sich aber beim Erhitzen an der Luft. Die Rhodanide der Schwermetalle sind viel weniger beständig. Ammoniumrhodanid (Rhodanammonium, thiocyansaures Ammoniak) NH4CNS entsteht beim Erwärmen von Cyanwasserstoffsäure mit gelbem Schwefelammonium oder beim Mischen von Schwefelkohlenstoff mit Alkohol und Ammoniakflüssigkeit und Verdampfen. Es bildet farblose, zerfließliche Kristalle, löst sich leicht und unter sehr starker Temperaturerniedrigung in Wasser, auch in Alkohol, schmilzt bei 169° und zersetzt sich bei wenig höherer Temperatur. Es wird in Leuchtgasanstalten als Nebenprodukt gewonnen und durch Erhitzen mit Pottasche, Kohlen und Eisen in Ferrocyankalium (Blutlaugensalz) übergeführt. Kaliumrhodanid (Rhodankalium, thiocyansaures Kali) KCNS entsteht beim Schmelzen von geröstetem gelben Blutlaugensalz mit kohlensaurem Kali und Schwefel und wird durch Auskochen der Schmelze mit Weingeist und Verdampfen der Lösung in farblosen Kristallen erhalten. Es schmeckt kühlend, etwas beißend, ist zerfließlich, löst sich unter starker Temperaturerniedrigung im Wasser, ist narkotisch giftig und dient als scharfes Reagens auf Eisenoxydsalze, mit welchen es eine außerordentlich intensiv blutrote Färbung gibt. Man benutzt es deshalb in der analytischen Chemie, auch zu Kältemischungen, zur Darstellung andrer R. und des künstlichen Senföls. Man hat es auch, da es sich leicht bildet, zur Darstellung von Blutlaugensalz verwertet, indem man Schwefelkohlenstoff auf Ammoniak einwirken ließ und das entstandene sulfokarbonsaure Ammoniak [793] durch Erhitzen mit Schwefelkalium in Rhodankalium verwandelte, oder indem man schwefelsaures Ammoniak, Schwefel und Kohle mit Schwefelkalium erhitzte und das gebildete Rhodankalium mit Eisen glühte. Hierbei entstehen Blutlaugensalz und Schwefeleisen, doch wird viel Cyan dabei zerstört. Quecksilberrhodanid (Rhodanquecksilber, thiocyansaures Quecksilberoxyd) Hg(CNS)2, aus Quecksilberchlorid durch Rhodanammonium gefällt, ist weiß, wenig löslich, verbrennt beim Erhitzen unter eigentümlichem, sehr starkem Aufblähen und Entwickelung von Quecksilberdämpfen und hinterläßt einen äußerst voluminösen Rückstand. Diese Verbindung wurde zu den sogen. Pharaoschlangen benutzt, indem man daraus mit Gummiwasser kleine Kegel formte, welche beim Verbrennen wurmartige Gebilde ergaben. Diese wegen der sich entwickelnden Dämpfe nicht ungefährliche Spielerei ist bald wieder in Vergessenheit geraten.