MKL1888:Rotrou
[1002] Rotrou (spr. -tru), Jean de, franz. dramatischer Dichter, Zeitgenosse und Freund Corneilles, geb. 1609 zu Dreux (Eure-et-Loire), trat schon 1628 mit der Tragikomödie „L’Hypocondriaque“ auf und gehörte zu den fünf Dichtern, welche im Sold Richelieus standen, führte ein sehr unregelmäßiges Leben und starb 28. Juni 1650 als Zivilrichter in seiner Vaterstadt, wo ihm 1867 eine Statue errichtet wurde. Seine Stücke sind meist spanischen Mustern nachgebildet und zeichnen sich vor denen seiner Zeitgenossen durch flotte Entwickelung, gute Charakterzeichnung und durch den leidenschaftlichen Ton aus, der durch seine Verse geht. Doch sind seine Lösungen oft zu gewaltsam, seine Katastrophen zu blutig, selbst in seinen beiden besten Tragödien: „Venceslav“, einer ergreifenden Darstellung des Bruderzwistes, und „Saint-Genest“, zu welcher er wohl durch „Polyeucte“ angeregt wurde. Hinter Corneille aber steht er weit zurück, und es ist ein Zeichen seiner neidlosen und freundschaftlichen Gesinnung, daß er sich nicht scheute, Corneilles Überlegenheit anzuerkennen und offen seine Partei zu ergreifen. Seine Komödien wurden ebenso wie die Tragödien unter großem Beifall aufgeführt, überlebten aber den Dichter nicht. Seine Werke sind herausgegeben von Viollet le Duc (Par. 1820–22, 5 Bde.), in Auswahl von Rouchaud (das. 1882, 2 Bde.). Vgl. Jarry, Essai sur les œuvres dramatiques de Jean de R. (Par. 1868); Person, Histoire du véritable Saint-Genest de R. (das. 1882); Derselbe, Le Venceslav de R. (das. 1882).