MKL1888:Sebastopol

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Sebastopol“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 792793
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Sebastopol. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 792–793. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Sebastopol (Version vom 03.11.2022)

[792] Sebastopol (Ssewastópol), Handels- und Kriegshafen im russ. Gouvernement Taurien, an der Südwestspitze der Halbinsel Krim, Endpunkt der Eisenbahn Losowo-S., liegt an der Südseite einer von W. her eindringenden Bucht, welche eine der schönsten Reeden der Welt bildet. Ihre Länge von der Einfahrt in dieselbe bis zur Mündung des Flüßchens Tschernaja beträgt 7 km, die größte Breite 1 km und die Tiefe 11–18 m. Da die Hauptbucht einige kleinere Verzweigungen bildet, namentlich die Artillerie-, die südliche, die Schiffer- und die Kielbucht, so wird die Stadt durch diese in drei Teile geteilt: die südliche, die Schiffer- und die nördliche Seite. S. hat 6 Kirchen, eine Synagoge, Zollamt, Bank, Schiffahrtsschule und (1885) 33,803 Einw. Der Handel hat sich neuerdings wieder gehoben; die Ausfuhr hatte 1887 einen Wert von 131/2 Mill. Rubel, die Einfuhr von 6 Mill. Rub. Im auswärtigen Verkehr liefen 280 Schiffe mit 270,816 Ton., im Küstenverkehr 866 Fahrzeuge mit 427,040 T. ein. – Die Gegend, wo heute S. liegt, war im Altertum von Griechen bewohnt, die hier die Kolonie Chersones gründeten; später gehörte sie zum pontisch-bosporanischen

Kärtchen zur Belagerung von Sebastopol (1854–1855, nach Spruner-Mencke).

Reich und kam nach Eroberung des letztern an die Römer. Früh schon war S. als Handelsort den Russen unter dem Namen Korsunj bekannt. Die Mongolenherrschaft vernichtete alle Verbindungen Rußlands mit den griechischen Städten am Nordufer des Pontus, die darauf in Verfall gerieten. Als das krimsche Chanat 1783 an Rußland kam, wurde durch Potemkin der Kriegshafen S. gegründet und in der Neuzeit durch Kaiser Nikolaus zum ersten Kriegshafen für die Flotte des Schwarzen Meers erweitert. Im blühendsten Zustand befand sich S., als der orientalische Krieg begonnen hatte, in welchem seit 5. Okt. 1854 die vereinigten Armeen der Franzosen, Engländer, Türken und Sardinier zu Land und zu Wasser die Festung einschlossen und bombardierten. Die in der That staunenswerten Befestigungen lagen hauptsächlich auf der Seeseite; mit dem Bau der Befestigungen nach der Landseite zu war bei Beginn des Krimkriegs kaum angefangen [793] worden. Die Einfahrt zur Reede verteidigten auf der südlichen Seite das Quarantäne- und Alexanderfort, auf der nördlichen Seite das Fort Konstantin, den Eingang zur Südbucht das Fort Nikolaus und das Fort Paul, und diesen gegenüber waren auf der Nordseite 2 Batterien angelegt. Mit Hinzurechnung der noch außerdem vorhandenen zahlreichen Batterien verteidigten 700 Geschütze vom schwersten Kaliber den Hafen. Die Forts waren von Kalkstein erbaut, kasemattiert und hatten 2 oder 3 Etagen. Die Verteidigungslinie an der Landseite bestand zur Zeit der Landung der Truppen der Westmächte, außer einigen in Angriff genommenen Werken, nur aus einer frei stehenden, krenelierten Mauer, welche an einigen Stellen durch Defensivkasernen verstärkt war. Ganz vollendet war außer einigen andern Punkten namentlich der Malakowturm. Auf der Nordseite lag etwa 1200 Schritt vom Ufer entfernt das Nordfort und westlich davon der Wolochowturm. Alle andern Werke wurden angesichts, sogar meist unter dem Feuer des Feindes unter Oberleitung des Generals Totleben errichtet. Durch Erstürmung des Kornilewbastions 8. Sept. 1855 ward der Fall Sebastopols nach elfmonatlicher Belagerung herbeigeführt. Fast die ganze Stadt war bei der Einnahme ein Trümmerhaufe. Die noch unversehrten Docks und Forts an der Südseite der Reede wurden von den Alliierten durch Sprengung gänzlich zerstört (s. Krimkrieg). Nach dem Pariser Frieden baute man sich allmählich wieder hier an, jedoch gelangte der Ort nicht zum frühern Wohlstand. Die beim Beginn der Belagerung in der Einfahrt zum Hafen versenkten sechs russischen Linienschiffe sind bisher noch nicht gehoben. Seit 1885 beginnt man die Festungswerke und Docks wiederherzustellen und hat S. zum Kriegshafen für die Flotte des Schwarzen Meers ausersehen. Vgl. Niel, Siége de S. (Par. 1858); Weigelt, Die Belagerung von S. (Berl. 1861); Totleben, Die Verteidigung von S. (das. 1864–72, 4 Bde.).