MKL1888:Seekrankheit
[806] Seekrankheit (Nausea), Unwohlsein, welches durch die schaukelnden Bewegungen bei einer Seefahrt hervorgebracht wird, aber auch durch die Benutzung einer Schaukel oder eines Karussells entstehen kann. Übelkeit, Erbrechen mit Schwindel, weiterhin auch Diarrhöe sind die Hauptsymptome des Übels, welches außerdem von Betäubung, Hinfälligkeit, Niedergeschlagenheit, Ekel an allem und jedem, schließlich selbst am Leben, begleitet zu sein pflegt. Bei widrigem Wind und auf Segelschiffen ist das Übel heftiger als bei günstigem Wind und auf Dampfschiffen. Bei dem sogen. Stampfen des Schiffs, wobei dasselbe von den Wellen gehoben und gesenkt wird, befinden sich Seekranke am übelsten: gewöhnlich erfolgt mit jedem Stampfen plötzliches Erbrechen. Die S. ergreift mit wenig Ausnahmen alle, welche sich zuerst der See anvertrauen; häufige Seereisen verringern die Disposition für dieselbe, doch werden bisweilen alte Matrosen nach längerm Aufenthalt auf dem Land von ihr wieder befallen. Frauen und junge, schwache Personen sind ihr am meisten unterworfen. Meist gewöhnt man sich nach einigen Tagen an die Bewegung des Schiffs, und das Übel verschwindet; in andern Fällen dauert die Krankheit so lange, als man sich auf offenem Meer befindet. Zerstreuung, das Liegen in Hängematten, große Aufmerksamkeit auf einen entfernten, am Horizont oder am Himmel gelegenen Gegenstand, starker Wille, Aufenthalt auf dem Verdeck etc. lindern das Übelbefinden des Kranken. Nach der S. stellen sich Vermehrung des Appetits, kräftigere Verdauung, erhöhte Lebenslust ein. Zur Verhütung oder schnellen Beseitigung der S. kennt man kein für alle Fälle passendes Mittel. Eine mäßige Füllung des Magens, warme Kleider, Vermeidung kalter Getränke wirkt jedenfalls günstig ein; in manchen Fällen ist eine geringe Gabe Morphium von bestem Erfolg, bei andern Personen sind Reizmittel, besonders Alkohol, in Form von Rum oder Grog von guter Wirkung; in neuester Zeit wird auch Antipyrin, Kokain, Atropin mit Strychnin, Kaffein, Resorcin empfohlen.