MKL1888:Tachtadschy

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Tachtadschy“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 19 (Supplement, 1892), Seite 907
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Tachtadschy. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 19, Seite 907. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Tachtadschy (Version vom 26.10.2022)

[907] Tachtadschy („Brettmacher“), im westlichen Lykien auch Allevi genannt, ein merkwürdiger, in den Bergen Lykiens zerstreuter Stamm von ca. 5000 Seelen, welchen zuerst F. v. Luschan („Reisen in Lykien, Milyas und Kibyratis“, Wien 1889) genauer studiert hat. Sie finden sich auch in den benachbarten Bergländern, scheinen sich aber in Lykien reiner als anderswo erhalten zu haben. Sie gelten zwar offiziell als Mohammedaner, werden aber von diesen für Ungläubige gehalten und sind der Gegenstand böser Nachreden. Sie leben einsam im Gebirge, meist in einer Höhe von 1000–1500 m, gewöhnlich in kleinen runden, mit Filz gedeckten Zelten, und verfertigen Bretter und Balken. Nur um diese zu verkaufen oder gegen europäische Waren zu vertauschen, betreten sie die Städte und Dörfer; sonst vermeiden sie jeden Verkehr mit der Außenwelt, schon um dem Militärdienst und der Besteuerung zu entgehen. Sie trinken Wein, essen Schweinefleisch, verabscheuen dagegen Hasen und Truthühner; ihre Frauen gehen unverschleiert, und Geschwisterehen kommen nachweislich vor. Den Pfau halten sie für eine Verkörperung des Teufels und doch zugleich für ein Tier, das unter Umständen wieder zu einem guten Menschen oder gar zu einem Heiligen werden kann. Denn sie glauben an Seelenwanderung, an böse Geister, vor denen sie große Furcht[WS 1] haben; Moses, David, Jesus und Ali halten sie für Inkarnationen desselben Wesens, dessen spätere Schicksale einen großen Teil ihrer ängstlich gehüteten religiösen Geheimlehre auszumachen scheinen. Jeder Stamm, er mag aus wenigen oder vielen Familien bestehen, hat seinen „Baba“ oder „Dede“, sein religiöses Oberhaupt, dem mitunter das jus primae noctis oder ein ähnliches Recht zusteht, und dessen Würde nur innerhalb des Stammes erblich ist, weshalb der Baba keine Frauen aus fremden Stämmen berühren darf. Der Baba veranstaltet religiöse Zusammenkünfte, die des Abends mit Gesang und Tanz beginnen und um Mitternacht mit großer Zerknirschung enden. Dazwischen scheint der Baba hypnotische Zustände und halluzinatorische Erregungen hervorzurufen; auch werden dabei Kranke geheilt und sonstige Wunder verrichtet. Körperlich unterscheiden sich die T. durch einen extrem hohen, kurzen Schädel von echten Türken und Griechen; sie sind im Mittel 168 cm hoch, haben braune Augen, schlichtes, schwarzes Haar und eine dunkle Hautfarbe. Luschan sieht in ihnen auf Grund seiner zahlreichen Schädelmessungen den Überrest einer Urbevölkerung, welche sich in Armenien bis heute in kompakter Masse erhalten hat, aber auch sonst unter den türkisch sprechenden Mohammedanern, den mohammedanischen Sektierern und den griechisch sprechenden Christen vorkommt (vgl. Bd. 18, S. 60).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Frucht