MKL1888:Thonschiefer

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Thonschiefer“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Thonschiefer“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 15 (1889), Seite 662
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Schiefer
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Thonschiefer. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 662. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Thonschiefer (Version vom 21.03.2022)

[662] Thonschiefer (Argilit), dichte schieferige Gesteine, die gewöhnlich vorwiegend aus klastischem Material (einem kaolinartigen Silikat, Quarz- und Feldspatbruchstücken, Glimmer- und Talkblättchen) bestehen, daneben aber auch kristallinische, meist nur unter dem Mikroskop erkennbare Bestandteile enthalten. Die letztern, gewöhnlich als schwer bestimmbare Mikrolithe entwickelt, scheinen Hornblende, Turmalin, Glimmer und glimmerähnliche Mineralien zu sein. Außerdem kommen Eisenkies, Kohleteilchen, Eisenoxydblättchen und Kalkspat vor, in größern, makroskopischen Partien Eisenkiesknollen (auch als Vererzungsmittel eingeschlossener Petrefakten), Quarz und Kalkspat in Linsen, Nestern und Adern. Gefärbt ist der T. meist grau oder schwarz, seltener rot, grün und gelb. Das spezifische Gewicht schwankt um 2,8. Die chemische Zusammensetzung ist infolge der schwankenden mineralischen sehr unbestimmt. Geschiefert sind die T. meist sehr deutlich und zeigen oft gleichzeitig die transversale Schieferung (s. d.). An Varietäten sind zu unterscheiden: Dachschiefer (Lehesten, Sonneberg u. a. O. im Thüringer Wald, Kaub etc. am Rhein, Harz, Erzgebirge, England), sehr vollkommen und eben schieferig; Tafelschiefer (Grapholith), durch beigemengte Kohle intensiv schwarz gefärbt; Zeichenschiefer (schwarze Kreide, Schieferschwarz; Thüringen, Oberfranken, Andalusien), ebenfalls kohlereich, daneben weich und erdig; Griffelschiefer (besonders Thüringen), zu Stengeln spaltbar infolge des gleichzeitigen Auftretens der wahren und der falschen Schieferung (s. d.); Alaunschiefer (Skandinavien, Vogtland, Harz, Böhmen), reich an Eisenkies neben Kohle; Kalkthonschiefer (Alpen), in welchem die Thonschiefermasse Kalklinsen umhüllt; Wetzschiefer (Thüringen, Sachsen, Ardennen), kieselsäurereiche, harte Varietäten von gewöhnlich hellerer Farbe. Im Ottrelithschiefer (Ottrez in den Ardennen, Oberpfalz, Pyrenäen, Nordamerika) sind Ottrelithblättchen eingewachsen, im Chiastolithschiefer (Fichtelgebirge, Vogesen, Bretagne, Pyrenäen) weiße Chiastolithe von verschiedener Größe. Die zuletzt genannte Varietät ebenso wie gewisse andre, in denen unbestimmt konturierte und mineralogisch von der übrigen Gesteinsmasse nur wenig verschiedene Konkretionen auftreten, welche nach ihrer Form die Namen Knotenschiefer, Fruchtschiefer, Garbenschiefer und Fleckschiefer veranlaßt haben, sind mit typischen Thonschiefern an einigen Orten so verknüpft, daß sie sich allmählich aus letztern heraus entwickeln und sich proportional zu einer größern Annäherung an Eruptivgesteine, namentlich Granit, mehr und mehr von dem normalen T. unterscheiden. Die Bauschanalysen solcher Gesteine bewegen sich, namentlich wenn man vom Gehalt an Wasser und organischen Substanzen absieht, innerhalb enger Grenzen, so daß im wesentlichen nur eine Änderung der Struktur, ein Kristallinischwerden der Bestandteile vorliegt (vgl. Metamorphismus der Gesteine). Thonschiefergebiete, welche eine Verknüpfung solcher „metamorphischer“ Varietäten aufweisen, sind aus Sachsen, dem Harz, den Vogesen, Pyrenäen, aus Cornwall und von andern, auch transatlantischen Orten bekannt. Es bilden diese Varietäten zugleich petrographische Übergänge zu den Phylliten (s. Phyllit), welche im allgemeinen reicher an kristallinischen Bestandteilen als die T. sind. Die T. gehören den ältern Formationen an und kommen nur selten (z. B. die tertiären Glarusschiefer, s. Tertiärformation) in jüngern Schichten vor, werden aber meist ihrerseits von den Phylliten an Alter noch übertroffen. Eine Reihe von Bezeichnungen, Ortsnamen entnommen oder nach Versteinerungen gewählt, dienen zur Charakterisierung des Alters der T., so beispielsweise: Graptolithenschiefer im Silur, Wissenbacher oder Orthocerasschiefer im Devon, Posidonienschiefer des Kulms etc. Wo der T. in großer, Berge bildender Mächtigkeit auftritt, setzt er meist abgerundete Höhen und wellige Plateaus zusammen; seine Thäler sind oft schroff eingerissen, am Fuß der klippenartig emporsteigenden Thalwände mit großen Schutthalden bedeckt, welche die starke Zerklüftung des Gesteins geliefert hat. Das letzte Residuum der Verwitterung ist meist ein mit Gesteinsbrocken gemengter, fruchtbarer Lehm- und Thonboden. T. dient zu Dachplatten, Schreibtafeln, Griffeln, Tischplatten, die erdigen Varietäten als schwarze Kreide, die harten als Wetzsteine, die eisenkieshaltigen zur Alaun- und Vitriolbereitung.