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MKL1888:Trochu

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Trochu“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Trochu“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 15 (1889), Seite 855856
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Trochu. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 855–856. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Trochu (Version vom 16.03.2024)

[855] Trochu (spr. -schü), Louis Jules, franz. General, geb. 12. Mai 1815 zu Palais bei Belle-Isle en Mer (Morbihan), trat 1840 als Leutnant in die Generalstabsschule, wurde in Algerien Adjutant von Lamoricière, 1846 wegen seines tapfern Verhaltens Adjutant des Marschalls Bugeaud und kam 1851 als Oberstleutnant ins Ministerium. 1854 ward er Adjutant des Marschalls Saint-Arnaud und nachher des Generals Canrobert in der Krim, 24. Nov. Brigadegeneral, erhielt 1855 die 1. Brigade des 1. Korps und zeichnete sich bei dem Sturm auf den Malakow aus. Als Divisionsgeneral that er sich 1859 in der Schlacht bei Solferino hervor. Nach dem Frieden [856] trat er wieder ins Kriegsministerium und war von Niel zu seinem Nachfolger ausersehen. Aber seine Schrift „L’armée française en 1867“ (Par. 1867, 20. Aufl. 1870), welche mit unerhörtem Freimut alle Schäden der französischen Armee aufdeckte und die einzige Heilung in der Annahme des preußischen Wehrsystems sah, entzog ihm die Gunst des Hofs und machte ihn als Minister des Kaiserreichs unmöglich. Zu Anfang des Kriegs 1870 erhielt er das Kommando der 12. Territorialdivision zu Toulouse und ward dann zum Befehlshaber der Landungsarmee an der deutschen Küste ausersehen. Da diese Landung unterblieb, ernannte ihn der Kaiser im Lager von Châlons 17. Aug. zum Gouverneur von Paris. Indes seine Popularität nützte dem sinkenden Kaiserreich nichts mehr, und als 4. Sept. dasselbe zusammenbrach, trat T. an die Spitze der Bewegung und ließ sich zum Präsidenten der Regierung der nationalen Verteidigung ernennen, blieb aber Generalgouverneur von Paris und Oberbefehlshaber sämtlicher Streitkräfte in der Hauptstadt. Während der Belagerung entfaltete er eine großartige und erfolgreiche Thätigkeit in der Organisation der Verteidigungsarmee; auch war sein Plan, nach Nordwesten, nach Rouen, durchzubrechen, gar nicht unverständig. Derselbe kam jedoch nicht zur Ausführung, weil T. sich mit der Regierung in Tours nicht verständigen konnte und selbst unschlüssig war, denn er hatte kein Vertrauen auf den Erfolg und hielt überhaupt die Verteidigung von Paris für eine „noble Tollheit“. Als die Kapitulation, die er mit hochtönenden Phrasen verschworen, unvermeidlich war, legte er sein Amt als Gouverneur 22. Jan. 1871 nieder; Präsident der Regierung blieb er bis zum Zusammentritt der Nationalversammlung. Als Mitglied der Nationalversammlung ergriff er mehrere Male das Wort zu seiner Rechtfertigung; da er indes in der Armeereformfrage Gegner von Thiers war, erhielt er kein Kommando und zog sich 1872 in das Privatleben zurück. Vgl. Trochus Schriften: „L’Empire et la défense de Paris devant le jury de la Seine“ (1872); „Pour la vérité et pour la justice“ (1873); „La politique et le siége de Paris“ (1874) und „L’armée française en 1879, par un officier de retraite“ (anonym, 1879).