MKL1888:Vampir
[45] Vampir, s. Fledermäuse.
Vampir, nach dem Volksglauben, namentlich der slawischen, rumänischen und griechischen Bevölkerung der untern Donauländer und der Balkanhalbinsel, Geist eines Verstorbenen, der des Nachts sein Grab verläßt, um Lebenden das Blut auszusaugen, von dem er sich nährt. Da dieser Aberglaube noch jetzt sehr verbreitet ist und sofort auftritt, wenn in den betreffenden Gegenden einem Familienmitglied andre schnell in den Tod nachfolgen oder hinsiechen, so hat man allerlei Vorsichtsmaßregeln und Gegenmittel, zu denen das Bedecken des Mundes, das Mitgeben von allerlei Beschäftigungsmitteln im Sarg sowie namentlich das Hauptabschlagen des wiederausgegrabenen Toten und Durchstoßen mit einem Holzpfahl gehört. In diesem Wahn führt der Glaube an Vampire häufig zu Leichenschändungen und Friedhofsentweihungen. Abarten des Vampirs sind: der Nachzehrer der Mark, der Blutsauger in Preußen und der Gierfraß in Pommern; die Wilis oder Willis, vor der Hochzeit gestorbene Bräute, die jungen Burschen erscheinen, sie zum endlosen Tanz verlocken, bis sie tot hinstürzen. Alle diese Sagen haben sich wohl aus den klassischen Gestalten der Lamien und Empusen (s. d.) entwickelt. Dichterisch behandelt wurde die Sage bereits im Altertum von Philostratus und Phlegon von Tralles (aus welchem Goethe den Stoff zu seiner „Braut von Korinth“ entnahm), in neuerer Zeit von Byron sowie in verschiedenen Opern und Balletten. Vgl. Ranft, Traktat von dem Kauen und Schmatzen der Toten in Gräbern (Leipz. 1734)[WS 1].