MKL1888:Verlagsrecht
[137] Verlagsrecht, das ausschließliche Recht der Vervielfältigung an einem Schrift- oder Kunstwerk, welches der Urheber (Autor) oder dessen Rechtsnachfolger einem andern (dem Verleger) gegen die Verpflichtung der Veröffentlichung überträgt. Die Übereinkunft, vermöge deren der Urheber oder sonstige rechtmäßige Inhaber eines Werkes der Kunst oder Wissenschaft einem andern die Vervielfältigung und Veröffentlichung überträgt und letzterer (der Verleger) sich hierzu verpflichtet, ist der Verlagsvertrag. Schriftlichkeit des Verlagsvertrags ist üblich, aber nicht notwendig. Der Inbegriff der Rechtssatzungen über den Verlagsvertrag bildet das V. im objektiven Sinn. Das V. im subjektiven Sinn (Vervielfältigungsrecht des Verlegers) wird entweder unbeschränkt auf die ganze Dauer des Urheberrechts (s. d.) oder mit der Beschränkung auf eine oder mehrere Auflagen, auf eine bestimmte Zahl von Exemplaren [138] oder auf eine bestimmte Zeit übertragen. Ist in dem Vertrag keine Bestimmung getroffen, so ist anzunehmen, daß das V. nur für eine Auflage übertragen ist, deren Stärke von dem Ermessen des Verlegers abhängt. Unter Auflage (s. d.) versteht man diejenige Zahl von Exemplaren, welche von einem Drucksatz abgenommen, und nach deren Herstellung der Satz auseinander genommen wird. Bei stereotypiertem Satz und bei gestochenen Platten fehlt jede Begrenzung der Auflage, da die Exemplare in unbestimmten Zwischenräumen je nach Bedürfnis abgezogen werden; das V. gilt also, wenn es nicht im Vertrag auf eine bestimmte Zahl von Exemplaren oder auf eine bestimmte Zeit begrenzt ist, als unbeschränkt übertragen. Das V. an Aufsätzen, welche in periodischen Schriften erscheinen, dauert in Deutschland, wenn nichts andres verabredet ist, zwei Jahre; nach Ablauf derselben kann der Verfasser den Aufsatz anderweit abdrucken lassen, nicht aber ein andrer denselben ohne seine Erlaubnis nachdrucken.
Auch wenn das V. unbeschränkt übertragen ist, fällt es nicht mit dem Urheberrecht zusammen, sondern es enthält ein von letzterm abgeleitetes Recht, welches nur die Vervielfältigung des Werkes umfaßt. Die übrigen dem Urheber zustehenden Nutzungen: das Recht der öffentlichen Aufführung, der Übersetzung etc., sind in dem V., auch wenn es für die ganze Dauer der Schutzfrist übertragen wird, niemals begriffen; auch kann der Urheber selbst bei unbeschränkt übertragenem V. dem Verleger gegenüber sein Urheberrecht geltend machen. Er kann namentlich, sobald die Auflage vergriffen ist, die Veranstaltung einer neuen Auflage fordern. Selbst wenn der Verleger eine solche Verpflichtung in dem Verlagsvertrag nicht übernommen hat, kann er sich derselben nur entziehen, wenn er auf das V. verzichtet und dem Autor gestattet, das Werk neu aufzulegen. Der Autor ist befugt, bei jeder neuen Auflage Veränderungen an dem Werk vorzunehmen, sofern er dadurch das Interesse des Verlegers nicht beeinträchtigt. Der Verleger kann seinerseits die notwendig gewordenen Veränderungen der frühern Ausgabe von dem Verfasser fordern und sie nach dessen Tod oder im Fall der Weigerung von dritter Hand bewirken lassen. Das V. kann ohne Zustimmung des Verfassers veräußert werden, doch wird dadurch der Verleger von den durch den Verlagsvertrag übernommenen Verpflichtungen nicht befreit. Diese bestehen regelmäßig in der Veröffentlichung des Werkes für Rechnung des Verlegers; doch kann der Autor einen Anteil an dem Ertrag sich bedingen oder, wenn der Ertrag voraussichtlich ein negativer ist, einen Anteil an den Kosten übernehmen, ohne daß dadurch das Wesen des Verlagsvertrags verändert wird. Bei dem sogen. Kommissionsverlag dagegen, wenn der Buchhändler die Veröffentlichung lediglich für Rechnung des Autors übernimmt, findet keine Übertragung des Verlagsrechts statt. Die Bewilligung eines Honorars muß in dem Verlagsvertrag besonders verabredet werden.
Der Rücktritt von dem Verlagsvertrag steht dem Autor vor erfolgter Veröffentlichung des Werkes zu, wenn sich Umstände ereignen, welche ihn veranlassen, das Werk gar nicht herauszugeben; dagegen kann er die Veranstaltung einer neuen Auflage aus persönlichen Gründen (veränderte Lebensstellung, Wechsel des Glaubensbekenntnisses oder der politischen Überzeugung) nicht untersagen. Der Verleger kann zurücktreten, wenn der Autor das Manuskript nicht zur festgesetzten Zeit liefert oder, in Ermangelung einer Festsetzung, sich weigert, eine Frist für die Ablieferung zu bestimmen. Der Verleger kann nach der Herausgabe vom Verlagsvertrag zurücktreten, indem er den Vorrat der Auflage als Makulatur verkauft. Er ist hierbei nicht an die Zustimmung des Verfassers gebunden; er verzichtet jedoch in diesem Fall auf das V., und der Verfasser tritt wieder in den Genuß seines Urheberrechts ein. Ein geteiltes V. ist vorhanden, wenn der Autor verschiedenen Verlegern das Recht der Vervielfältigung und des buchhändlerischen Vertriebs für verschiedene Länder (Verlagsgebiete) übertragen hat, wie dies insbesondere im Musikalienhandel vielfach üblich ist. Wie das Urheberrecht, so ist auch das V. gegenwärtig durch internationale Abmachungen geschützt (s. Urheberrecht). Vgl. O. Wächter, Das V. (Stuttg. 1857); Klostermann, Das geistige Eigentum, Bd. 1 (V. und Nachdruck, Berl. 1867); Derselbe, Das Urheberrecht an Schrift- und Kunstwerken etc. (das. 1876); Petsch, Die gesetzlichen Bestimmungen über den Verlagsvertrag (Leipz. 1870); Bowker, Copyright (Lond. 1886); Schürmann, Die Rechtsverhältnisse der Autoren und Verleger (Halle 1889).