MKL1888:Versöhnungstag

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Versöhnungstag“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 160
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Versöhnungstag. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 160. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Vers%C3%B6hnungstag (Version vom 15.04.2023)

[160] Versöhnungstag (Versöhnungsfest, im Volksmund Langer Tag, hebr. Jom ha-Kippurim, auch Sabbat der Sabbate [3. Mos. 23, 32] genannt), das heiligste aller israelitischen Feste, wird 10. Tischri in strengster Sabbatsruhe durch persönliche Kasteiung und Enthaltung von allen Sinnengenüssen (Fasten) gefeiert (3. Mos. 16, 30 u. 31; 23, 27 u. 28). Der V. bezweckt die Versöhnung des reuigen, Besserung versprechenden Israeliten mit Gott, wozu noch eine Vorbereitung durch Gebet und fromme Werke (Aussöhnung mit den Feinden, Almosengeben etc.) besonders in den dem V. vorangehenden, mit dem ersten Neujahrstag beginnenden zehn Bußtagen tritt. Von der heute üblichen Feier wich die früherer Zeiten ab. Solange der Opferkultus bestand, versah der Hohepriester, der als Zeichen der Unschuld leinene Gewänder anlegte, selbst den Hauptteil des Gottesdienstes, brachte zu den täglichen Opfern noch das Sündopfer für sich und die Seinigen und nahm die Sprengung des Bluts vor. Dann wurde von zwei Böcken der eine, durch das Los bestimmte geschlachtet und mit dem Blute desselben die Bundeslade besprengt, der andre aber (Asasel), nachdem der Hohepriester die Hände auf ihn gelegt und seine und des Volkes Sünden bekannt hatte (daher der Name Sündenbock), an einen wüsten Ort gebracht und dort losgelassen, in späterer Zeit aber in einen Abgrund gestürzt. Darauf brachte der Hohepriester für sich und das Volk zwei Widder und sieben Lämmer als Brandopfer dar und versöhnte so das Heiligtum, das Stiftszelt, den Altar und das ganze Volk. Dieser Feier in ihren Hauptzügen ähnlich war die während der Dauer des zweiten Tempels; im Sündenbekenntnis sprach der Hohepriester den vierbuchstabigen Gottesnamen (Jahveh) aus, worauf das Volk betend sich verbeugte und den Spruch des Priesters: „Ihr sollt rein sein!“ empfing. Die Feier schloß mit einem Gebet. Nach je 49 Jahren ward am V. das Jubeljahr (s. d.) durch Posaunenschall im ganzen Land verkündet.