MKL1888:Versuch eines Verbrechens oder Vergehens

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Versuch eines Verbrechens oder Vergehens“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 162
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Versuch eines Verbrechens oder Vergehens. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 162. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Versuch_eines_Verbrechens_oder_Vergehens (Version vom 17.10.2021)

[162] Versuch eines Verbrechens oder Vergehens (Conatus, Konat) liegt dann vor, wenn der Entschluß, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben, durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung des Verbrechens oder Vergehens enthalten, bethätigt, das beabsichtigte Verbrechen oder Vergehen selbst aber nicht zur Vollendung gekommen ist. Ob ein solcher strafbarer Anfang der Ausführung oder nur eine sogen. (straflose) Vorbereitungshandlung vorliege, bestimmt sich nicht nach allgemeinen Regeln, sondern ist nach den besondern Umständen des einzelnen Falles zu beurteilen. Dasselbe gilt von der sehr bestrittenen Frage, ob an einem untauglichen Gegenstand oder mit einem untauglichen Mittel ein verbrecherischer Versuch möglich sei. Manche verneinen diese Frage, wenn es sich um ein absolut untaugliches Objekt, z. B. Mordversuch an einer Leiche, oder um ein absolut untaugliches Mittel, z. B. Vergiftungsversuch mit einer unschädlichen Substanz, handelt, während es als strafbarer Versuch anzusehen ist, wenn das Mittel nur ein relativ untaugliches, wenn z. B. die Dosis Gift zu gering war, um schädlich wirken zu können. Das Reichsgericht (Plenarbeschluß vom 24. Mai 1880, Erkenntnis vom 10. Juni 1880) legt den Nachdruck auf die verbrecherische Absicht und erklärt auch den Versuch mit untauglichen Mitteln und am untauglichen Gegenstand für strafbar. Der V. wird nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch bei eigentlichen Verbrechen (s. d.) stets, bei Vergehen nur in denjenigen Fällen bestraft, in welchen dies das Gesetz ausdrücklich bestimmt. Das versuchte Verbrechen oder Vergehen ist milder zu bestrafen als das vollendete. Bei Übertretungen ist der Versuch überhaupt nicht strafbar. Auch bleibt der Versuch als solcher straflos, wenn der Thäter die Ausführung der beabsichtigten Handlung aufgegeben hat, ohne daß er an dieser Ausführung durch Umstände gehindert worden ist, welche von seinem Willen unabhängig waren, oder wenn er zu einer Zeit, zu welcher die Handlung noch nicht entdeckt war, den Eintritt des zur Vollendung des Verbrechens oder Vergehens gehörigen Erfolgs durch eigne Thätigkeit abgewendet hat. Vgl. Deutsches Strafgesetzbuch, § 43 bis 46; Österreichisches, § 8 ff., 47; v. Bar, Zur Lehre vom Versuch und Teilnahme am Verbrechen (Hannov. 1859); Lammasch, Das Moment objektiver Gefährlichkeit im Begriff des Verbrechensversuchs (Wien 1879); Cohn, Zur Lehre vom versuchten und unvollendeten Verbrechen (Bresl. 1880); Buri, Die Kausalität und ihre strafrechtlichen Beziehungen (Stuttg. 1885); Baumgarten, Die Lehre vom Versuch der Verbrechen (das. 1888).