MKL1888:Wärmeleitung

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Wärmeleitung“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 393394
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Wärmeleitung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 393–394. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:W%C3%A4rmeleitung (Version vom 12.05.2024)

[393] Wärmeleitung, die Fortpflanzung der Wärme in den Körpern durch Abgabe von Teilchen zu Teilchen. Hält man einen Metalldraht in eine Kerzenflamme, so wird derselbe, indem die Wärme von seinem erhitzten Ende den Draht entlang fortwandert, auch am andern Ende bald so heiß, daß man ihn nicht mehr zwischen den Fingern halten kann; ein gleich langes Holzstäbchen dagegen kann man an seinem Ende anzünden und fast bis zu den Fingern abbrennen lassen, ohne eine Temperaturerhöhung zu fühlen. Ein silberner Schöpflöffel, in die heiße Suppe gesteckt, wird sehr rasch auch an seinem Griff heiß, während ein hölzerner Kochlöffel unter denselben Umständen nur langsam und nur in geringem Grad sich erwärmt. Unter allen Körpern leiten die Metalle die Wärme am besten; Holz, Asche, Stroh, Seide, Federn, Haare, Wolle etc., überhaupt die lockern Körper aus dem Tier- und Pflanzenreich, sind die schlechtesten Wärmeleiter; etwas besser leiten Steine, Glas, Porzellan. Das Wärmeleitungsvermögen der verschiedenen Metalle ist übrigens sehr ungleich, wie man durch folgenden Versuch leicht zeigen kann. Eine Kupferstange und eine gleichgestaltete Eisenstange werden wagerecht, mit ihren Enden sich berührend, aufgestellt und auf ihrer Unterseite in gleichen Abständen von der Berührungsstelle hölzerne Kugeln mittels Wachs angeklebt. Erwärmt man nun die Berührungsstelle, so verbreitet sich die Wärme in dem Kupferstab rascher, und es fallen von ihm mehr Kugeln ab als von dem Eisenstab. Wird ein Metallstab am einen Ende erwärmt, und bestimmt man die Temperatur desselben

Verbreitung der Wärme durch Leitung.

an verschiedenen Stellen durch Thermometer (t, t1, t2 etc., s. Figur), die in Bohrlöcher des Stabes AB eingesenkt sind, so findet man, daß, wenn die Entfernungen von der Wärmequelle (L) in arithmetischer Reihe wachsen, die entsprechenden Temperaturerhöhungen in geometrischer Reihe abnehmen, ein Gesetz, welches durch die krumme Linie a, a1, a2 etc., welche die Gipfelpunkte der Quecksilbersäulen der Thermometer verbindet, versinnlicht wird. Für Stäbe verschiedener Metalle von gleichen Dimensionen verhalten sich die Wärmeleitungsfähigkeiten wie die Quadrate der Entfernungen von der Wärmequelle, in welchen man unter sonst gleichen Umständen gleiche Temperaturüberschüsse beobachtet. Wiedemann und Franz bestimmten [394] diese Temperaturüberschüsse mit Hilfe eines Thermoelements (s. Thermoelektrizität) und erhielten aus ihren Versuchen folgende Verhältniszahlen für die Leitungsfähigkeit verschiedener Metalle:

Silber 100
Kupfer 74
Gold 53
Messing 23
Zink 19
Zinn 15
Eisen 12
Blei 9
Platin 9
Neusilber 6
Wismut 2

Im täglichen Leben machen wir von der guten oder schlechten Wärmeleitungsfähigkeit der verschiedenen Körper vielfache Anwendungen. Um uns die Finger nicht zu verbrennen, versehen wir Theekannen, Ofenthürchen und Schürhaken mit hölzernen Griffen. Bäume und Sträucher umwickelt man im Winter mit Stroh, um sie vor dem Erfrieren zu schützen. Unsre Kleider, welche aus schlechten Wärmeleitern verfertigt sind, „geben“ zwar nicht warm, aber sie „halten“ uns warm, indem sie die rasche Abgabe der Körperwärme an die kalte Umgebung verhindern. Anderseits verhindert man durch Stroh und andre schlechte Wärmeleiter das Eindringen der äußern Wärme in die Eiskeller und verpackt Eis, welches verschickt werden soll, in Sägespäne. Die feuersichern Geldschränke enthalten zwischen ihren Doppelwänden Asche, welche den Zutritt der Hitze verzögert. In einem kalten Zimmer fühlt sich die metallene Thürklinke kälter an als der Tischteppich, obgleich beide die nämliche Temperatur haben, weil das Metall die Wärme unsrer Hand rascher fortleitet und daher der Hand mehr Wärme entzieht als das schlecht leitende Gewebe; in einem Raum, der auf eine höhere als unsre Körpertemperatur erwärmt wäre, würde sich umgekehrt das Metall heißer anfühlen als der Teppich, weil jenes der Hand mehr Wärme zuführt als dieser. Umgibt man einen Cylinder, der zur Hälfte aus Kupfer, zur Hälfte aus Holz besteht, mit einer dicht anschließenden Papierhülse und hält ihn über eine Flamme, so verkohlt das Papier, soweit es die hölzerne Hälfte bedeckt, über der Kupferhälfte aber bleibt es unversehrt, weil das Metall, indem es die zugeführte Wärme rasch fortleitet, das Papier nicht bis zur Verbrennungstemperatur kommen läßt. In ähnlicher Weise erklärt sich auch das merkwürdige Verhalten von Drahtnetzen gegenüber Flammen. Hält man ein feines Drahtgewebe in eine Gasflamme, so erscheint dieselbe wie abgeschnitten; die metallenen Fäden leiten nämlich die Wärme so rasch ab, daß die Flammengase unter ihre Entzündungstemperatur abgekühlt werden. Läßt man das Gas, ohne es anzuzünden, aus dem Brenner strömen und hält das Drahtnetz in den Gasstrom, so kann man letztern oberhalb des Netzes anzünden, ohne daß sich die Entzündung unter das Netz fortpflanzt. Auf diesem Verhalten beruht Davys segensreiche Erfindung der Sicherheitslampe. Die Flamme einer Öllampe ist von einem cylindrischen, oben geschlossenen Drahtnetz umgeben; betritt der Bergmann mit einer solchen Lampe einen Stollen, in welchem sich Kohlenwasserstoffgas der Luft beigemischt und sogen. schlagende Wetter gebildet hat, nämlich ein Gasgemisch, welches an offener Flamme sich entzünden und explodieren würde, so dringt das brennbare Gas zwar durch die Maschen des Netzes zur Flamme und verbrennt unter schwachen Explosionen im Innern des Drahtcylinders, die Entzündung vermag sich aber nicht nach außen fortzupflanzen.

Die Flüssigkeiten sind schlechte Wärmeleiter; in ihnen verbreitet sich die Wärme vorzugsweise durch Strömungen, welche dadurch entstehen, daß beim Erwärmen von unten die durch Ausdehnung spezifisch leichter gewordenen Flüssigkeitsteilchen nach oben steigen und durch die herabsinkenden kältern Teilchen ersetzt werden; durch diesen Kreislauf, auf welchen sich die Wasserheizung gründet, wird die Erwärmung einer Flüssigkeit ungemein befördert. Erwärmt man dagegen von oben, so verbreitet sich die Wärme vermöge der schlechten Leitungsfähigkeit nur sehr langsam nach unten. In einem schräg gehaltenen Probierröhrchen kann man das Wasser oben zum Kochen bringen, während ein Stückchen Eis, welches am Boden des Gläschens durch einen schweren Körper festgehalten wird, nicht merklich schmilzt.

Die Gase leiten die Wärme ebenfalls sehr schlecht; ruhende Luftschichten, wie z. B. die zwischen Doppelfenstern eingeschlossene Luftschicht, sind daher sehr geeignet, die Fortleitung der Wärme zu verhindern. Die oben als schlecht leitend bezeichneten tierischen und pflanzlichen Stoffe (Stroh, Wolle etc.) verdanken ihre „warm haltende“ Eigenschaft vorzugsweise der in ihren Zwischenräumen festgehaltenen, schlecht leitenden Luft. Die Wärmeleitungsfähigkeit der Gase ist übrigens ungleich; Wasserstoffgas leitet die Wärme viel besser als alle übrigen Gase.