MKL1888:Würger

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Würger“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 767768
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Würger. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 767–768. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:W%C3%BCrger (Version vom 04.04.2024)

[767] Würger (Lanius L.), Gattung aus der Ordnung der Sperlingsvögel und der Familie der Würger (Laniidae), Vögel mit sehr kräftigem, seitlich komprimiertem Schnabel mit stark hakiger Spitze, hinter welcher ein deutlicher Zahn, aufgebogener Unterschnabelspitze, hinter welcher ein Einschnitt, mäßig langen, gerundeten Flügeln, langem, stufigem Schwanz und starken, hochläufigen, mittellangzehigen, mit spitzigen Nägeln bewehrten, auf dem Lauf mit großen Platten getäfelten Füßen. Der Raubwürger (großer, grauer W., Würgvogel, Wächter, Buschfalk, Busch-, Krik-, Straußelster, Lanius Excubitor L., s. Tafel „Sperlingsvögel II“), 26 cm lang, 36 cm breit, oberseits hellgrau, unterseits weiß, mit breitem, schwarzem Zügelstreif, schwarzen, weiß gefleckten Flügeln, schwarzem, an den Seiten weißem Schwanz, braunen Augen, schwarzem Schnabel und grauen Füßen, findet sich in fast allen Ländern Europas und einem großen Teil Asiens als Stand- und Strichvogel, in Nordafrika und Südasien als Zugvogel, lebt paarweise an Waldrändern und in Feldhölzern, im Winter in der Nähe der Ortschaften, frißt Kerbtiere, Vögel und Mäuse und spießt die Beute häufig auf Dornen oder spitze Zweige. Gegen Raubvögel zeigt er sich sehr feindselig, kündigt ihr Nahen an und verfolgt sie mit Geschrei. Er fliegt nicht besonders gewandt, besitzt sehr scharfe Sinne und ist ungemein zänkisch. Seine Stimme ahmt die Laute kleiner Singvögel nach. Er nistet auf Bäumen oder in Büschen und legt im April 4–7 grünlichgraue, grünlichbraun und grau gefleckte Eier (s. Tafel „Eier I“, Fig. 42). [768] In der Gefangenschaft wird er bald zahm, dauert aber weniger gut aus als seine Verwandten. Früher wurde er zur Beize abgerichtet, noch häufiger aber beim Fang der Falken benutzt. Der schwarzstirnige W. (L. minor L.), 23 cm lang, 36 cm breit, dem vorigen sehr ähnlich gefärbt, auf der Brust rosenrot überhaucht, weilt bei uns vom Mai bis August, im Winter in den obern Nilländern und Mittelafrika, findet sich aber nur in gewissen Gegenden und nicht im Norden, bevorzugt den Laubwald in der Ebene, lebt nur von Insekten, die er selten spießt, mischt in seinen Gesang die Strophen der kleinen Singvögel, nistet hoch und versteckt auf Bäumen und legt 6–7 grünlichweiße, bräunlich und violettgrau gezeichnete Eier. In der Gefangenschaft erfreut er durch seine Nachahmungsgabe. Der Dorndreher (Neuntöter, L. [Enneoctonus] collurio Gray), 18 cm lang, 28 cm breit, am Kopf, Hinterhals und Bürzel hellgrau, an der übrigen Oberseite braunrot, mit schwarzem Stirnrand und Zügelstreif, an Backen, Kinn und Kehle weiß, an den übrigen Unterteilen blaß rosenrot, an den Mittelfedern des Schwanzes braunschwarz, an den äußern mehr und mehr weiß; der Schnabel ist schwarz, die Augen sind braun, die Füße grauschwarz. Das Weibchen ist oberseits rostgrau, unterseits weißlichbraun gewellt. Er bewohnt fast ganz Europa und das südliche Sibirien, geht im Winter bis Südafrika, weilt bei uns vom Mai bis Mitte August, lebt in Gebüschen oder Hecken, Obstgärten oder Waldungen, ahmt überraschend die Stimme andrer Vögel nach, nährt sich von Insekten, aber auch von kleinen Wirbeltieren und von kleinen Vögeln, als deren abscheulichster Feind er gelten kann. Er spießt alles Gefangene zunächst auf einen Dorn oder spitzen Zweig und sammelt so bisweilen ganze Mahlzeiten. Er nistet im Busch niedrig über dem Boden und legt 5–6 gelbliche, grau, braun oder rot gezeichnete Eier (s. Tafel „Eier I“, Fig. 43). In der Gefangenschaft erfreut er durch seinen mannigfaltigen Gesang, hält aber nur bei guter Pflege aus und ist gegen andre Vögel sehr zänkisch und mordsüchtig. Der Rotkopf (pommerscher W., Waldkatze, L. [E.] rufus L.), 19 cm lang, 29 cm breit, ist oberseits schwarz, unterseits gelblichweiß, am Hinterkopf und Nacken rostrotbraun, an den Schultern und dem Bürzel weiß; der Schnabel ist blauschwarz, die Augen sind dunkelbraun, die Füße dunkelgrau. Er findet sich namentlich in Südeuropa, in Deutschland nur in gewissen Ebenen, vom Mai bis September im Wald und in Gärten. In seinem Wesen gleicht er dem vorigen, scheint aber weniger räuberisch zu sein. Er singt fleißig und mischt die Stimmen andrer Vögel in der sonderbarsten Weise. Sein Nest steht auf mittelhohen Bäumen und enthält 5–6 gräulichweiße, grau oder bräunlich gefleckte Eier.