MKL1888:Wüste

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Wüste“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 790791
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Wüste. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 790–791. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:W%C3%BCste (Version vom 20.01.2023)

[790] Wüste, großer, meist ebener Landstrich, welcher infolge des Mangels an Wasser ohne Vegetation und daher unbewohnbar ist, unterscheidet sich von der Steppe (s. d.) hauptsächlich dadurch, daß sie nicht, wie diese, mit Gras und Kräutern bewachsen, sondern nur nackte und tote Einöde ist. Der Boden besteht entweder aus Gestein, oder ist mit kiesartigem, oft leicht beweglichem Flugsand oder kochsalz- und kalireichem Sand bedeckt. Man unterscheidet danach Stein- oder Felsenwüsten, Sandwüsten und Salzwüsten. Die Sandwüsten, die vorherrschenden, sind, wo sie sich über ein weites Gebiet erstrecken, nicht völlig einförmige Ebenen, sondern zeigen in der Form und Bedeckung der Oberfläche manchen Wechsel, Klippen, Hügelketten, die bis zu förmlichen Gebirgen ansteigen, wie in der Sahara (s. d.), Schluchten und Spalten, Flußthäler und Seebecken, die aber in der heißen Jahreszeit meist trocken liegen, wie die Flüsse, die hier und da von den Randgebirgen herabströmen, sich im Sand verlieren und verdunsten. Auf angenehmere Weise wird aber die Einförmigkeit der W. durch die Oasen (s. d.) unterbrochen, die um perennierende Quellen aus angesammelter Dammerde entstanden sind und oft die frischeste und üppigste Vegetation zeigen, auch allein sich zu dauernden Wohnsitzen der Menschen eignen. Wenn auch die Wüsten weder auf Zonen oder Erdteile noch auf Tiefebenen beschränkt sind, so besitzt doch der östliche Kontinent um die Wendekreise und zwischen ihnen die ausgedehntesten Wüstengebiete und zwar eigentliche Wüsten nur Afrika und Asien. Es zieht sich nämlich durch diese beiden Erdteile ein ungeheurer Wüstengürtel, der am Atlantischen Ozean beginnt und in einem gegen 2000 Meilen langen, nach N. geöffneten Bogen bis an den äußersten Ostrand Zentralasiens reicht. Teile dieses verhältnismäßig geringe Unterbrechungen zeigenden Wüstengürtels sind: die afrikanische Sahara (s. d.), die größte aller Wüsten, über ein Fünftel von Afrika einnehmend, im Westen (Sahel) vorherrschend Sand-, im O. (Libysche W.) Steinwüste; das Peträische oder Steinige Arabien mit der Halbinsel Sinai; das Plateau Nedschd im Innern der großen Halbinsel Arabien; weiter nördlich die syrisch-arabische W.; jenseit des Schatt el Arab, des Persischen [791] Meerbusens und der Bergterrassen Westirans das wüste Plateau von Iran, vom Kaspischen bis zum Indischen Meer sich erstreckend, mit den salz- und kalireichen Wüsten von Irak Adschmi, Kirman, Seïstan und Mekran; jenseit des Indus die W. von Radschastan (Sind); nördlich von Persien die Sandwüsten von Turan, vom Kaspischen Meer nach O. bis zum Alpenland Turkistan reichend, und jenseit des letztern die teils sandige, teils steinige Plateauwüste Gobi (s. d.), welche die ganze Mongolei durchzieht und das östliche Ende des ganzen Wüstengürtels bildet. Das Gesamtareal des letztern mag an 250,000 QM. betragen und scheint an Umfang nach und nach zuzunehmen. Europa hat keine W., ausgedehntere Steppen nur in Ungarn und im südlichen Rußland. Das Innere des Kontinents von Australien hat neben Steppen auch wasserlose Wüsten von einer so erschrecklichen Öde und Unwirtlichkeit, wie sie kaum ein anderer Erdteil aufzuweisen haben möchte. In Amerika haben die unabsehbaren Pampas und Llanos mehr Steppen- als Wüstencharakter, doch fehlen auch wirkliche Wüsten nicht. Die Sandwüste oder Desierto von Atacama zieht sich längs des Stillen Ozeans durch die ganze bolivische Provinz Litoral und erstreckt sich nordwärts bis Arica in Peru, südwärts bis Copiapo in Chile. Auch die Hochflächen oder Campos dos Parecis in der brasilischen Provinz Mato Grosso sind große, wellenförmige, vegetationslose Sandplateaus. Eine weit ausgedehntere W. ist aber in Nordamerika das Bassin des Großen Salzsees im Mormonenland Utah (s. d.). Das Durchziehen der eigentlichen Wüsten ist nur Karawanen möglich, und es ist dabei das Kamel unentbehrlich. Gefahren bringen die Staub- und Sandsäulen, welche der Wind aufwirbelt und vor sich hertreibt, die alles austrocknenden und auszehrenden Winde selbst und die unglaublich verdünnte Atmosphäre, die bei Europäern nicht selten Schlagflüsse herbeiführt, mangelnder Schutz gegen die Gluthitze des Tags und die oft empfindliche Kälte der Nächte, die Abirrung von dem Karawanenweg, die durch Verschüttung seiner Spuren oder durch das Trugbild der Luftspiegelung veranlaßt werden kann, und die Seltenheit der Quellen und Oasen. Von Tieren kommen nur Antilopen, von Pflanzen Disteln, Mimosen und dünnes Strauchwerk in der W. fort. Meisterhafte Schilderungen der Steppen und Wüsten finden sich in Alex. v. Humboldts „Ansichten der Natur“. Vgl. auch Desor, Der Mensch und die W. (Basel 1876), und die Litteratur bei den Artikeln Libysche Wüste und Sahara.