MKL1888:Wasserleitungen

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Wasserleitungen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 424426
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Wasserleitungen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 424–426. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Wasserleitungen (Version vom 27.01.2023)

[424] Wasserleitungen,[WS 1] Anlagen zur Versorgung der Städte mit gutem, reinem Wasser, wurden in großartigem Maßstab schon von den Alten, namentlich von den Römern, ausgeführt (s. Aquädukt). An die Stelle der damaligen, gewöhnlich bedeckten, gemauerten Kanäle sind jetzt fast ausschließlich Röhrenfahrten getreten, und nur noch wenige Städte, wie Marseille und New York, erhalten gegenwärtig ihr Wasser [425] durch Aquädukte. Die W. erfordern Anlagen zur Entnahme und zur Verteilung des Wassers, welche durch gemauerte Kanäle, meistens aber durch Wasserleitungsröhren verbunden sind. Die letztern schützen das Wasser mehr vor Verunreinigung und gestatten bei hinreichender Wandstärke und Dichtung ihrer Stöße eine dem Gesetz der kommunizierenden Röhren entsprechende wellenförmige Röhrenfahrt. Die Röhren werden meist aus Gußeisen, der Billigkeit halber aus Thon oder Steingut, selten aus Holz hergestellt, da thönerne Rohren leicht zerbrechlich und hölzerne sehr vergänglich sind. Für weite Röhrenfahrten sind ausschließlich gußeiserne Röhren geeignet, welche Längen von 2–3 m und 3–20 cm innerm Durchmesser bei Wandstärken von bez. 6–12 mm erhalten und mit Sicherheit einen Druck von 26–28 Atmosphären aushalten. Die Verbindung erfolgt meist durch Muffen, wobei das eine Röhrenende in das erweiterte Ende der folgenden Röhre gesteckt wird, selten durch Flantschen, deren an die Rohre angegossene ringförmige Scheiben durch Schrauben verbunden werden, oder durch Doppelmuffen, kurze Röhrenstücke, welche über die beiden aneinander stoßenden Rohrenden geschoben werden. Im ersten Fall dichtet man mit Holzkeilen oder durch Umwickeln mit geteerten Seilen, Einschieben und Vergießen mit Kitt, im zweiten durch Gummi-, Blei- oder Kupferringe, im dritten durch Eisenkitt oder mit hölzernen, in Öl und Teer getränkten Keilen. Der Wärmeleitungsfähigkeit eiserner Röhren begegnet man durch Tieflegen derselben, da Reparaturen selten vorkommen. Zum Schutz gegen Oxydation streicht man die Röhren mit Steinkohlenteer oder hydraulischem Kalk, auch kleidet man sie inwendig mit Asphalt aus. Die Anlagen zur Entnahme des Wassers sind verschieden, je nachdem die lokalen Verhältnisse die Benutzung der einen oder der andern Bezugsquelle vorschreiben. Leitungen von Quellwasser sind sehr selten in ergiebiger Weise ausführbar. Hervorragende Beispiele bieten Wien und Frankfurt a. M. Die Wässer behalten durchschnittlich konstante Zusammensetzung und sind nicht so hart, daß die Verwendung beeinträchtigt erscheint. Die Herstellung von Quellwasserleitungen ist meist auch mit großen technischen Schwierigkeiten verknüpft. Viel häufiger findet man Flußwasserleitungen mit Filtration, und wenn das Flußwasser im allgemeinen als den Anforderungen der Hygieine nicht entsprechend bezeichnet wird, so hat man doch bei rationeller Durchführung der W. noch niemals von schädlichen Folgen gehört. Wesentlich ist, das Wasser solchen Stellen zu entnehmen, die durch ihre Lage etwanige störende Verunreinigungen, Zuflüsse von Stadtlaugen etc., von vornherein ausschließen. Benutzung unfiltrierten Flußwassers ist verwerflich. Im nördlichen England legt man Thalsperren an, gewaltige Mauerwerke, welche den Wasserbedarf einer großen Stadt auf mehrere Monate hinaus in sich aufnehmen. Man führt ihnen durch Kanäle das Bergland-Tagewasser zu und berechnet den Umfang nach der Durchschnittsgröße des Regenfalles, dem Wasserbedarf etc. Das Wasser wird in der Regel filtriert. Entsetzliche Unglücksfälle, durch ungenügende Festigkeit der Bauwerke herbeigeführt, haben diese Art der Wasserbeschaffung auf dem Kontinent nicht zur Ausführung kommen lassen. In der Nähe der Flußbetten hat man Sauggalerien angelegt, Sammelkanäle aus durchbrochenem Mauerwerk oder durchlöcherten Röhren, umgeben von grobem Kies, in welche durch natürliche Filtration gereinigtes Flußwasser tritt. Man erhält ein von dem Flußwasser verschiedenes Wasser (dem Flußlauf zuströmendes Grundwasser), hat aber bisweilen mit Verschlammungen oder Wucherungen von Crenothrix polyspora und andern Organismen zu kämpfen; auch verursacht wohl die starke Wasserentnahme Änderungen in der Strömung des Grundwassers, und man erhält dann mit der Zeit ein von dem ursprünglich geförderten völlig abweichendes Wasser. Ähnlich sind Drainageleitungen, welche nur in ausgedehnterm Gebiet angelegt werden und auf die in Thalrinnen und Klüften nach natürlicher Filtration zufließenden Oberwässer, auch auf obere Grundwasserströmungen rechnen. Es bietet sich hier eine Ähnlichkeit mit Quellwasser, aber es sind ganz besonders günstige Terrainverhältnisse erforderlich, wenn dauernd gutes und ausreichendes Wasser geliefert werden soll; auch hat man hier bisweilen mit der Crenothrix zu kämpfen. Das tiefere Grundwasser gewinnt man durch Tiefbrunnen, welche man so anlegt, daß eine Reihe derselben auf beschränktem Terrain durch Saugröhren miteinander kommuniziert, so daß der Kolbenhub der Betriebsmaschine aus sämtlichen Brunnen gleichzeitig Wasser zieht. Man benutzt eiserne Röhrenbrunnen, gemauerte Brunnen mit undurchlässiger Wand oder doppelwandige Brunnen mit partiell durchlässigem Mauerwerk, welchem durch Einschüttung von Kies zwischen die Wände der Charakter eines stehenden Filters gegeben wird (Filterbrunnen). Auch die Tiefbrunnen zeigen bisweilen erhebliche Veränderungen des Wassers, und ebenso das Wuchern von Crenothrix. Liegen die Entnahmestellen des Wassers nicht in hinreichender Höhe über dem Verbrauchsort, so hebt man das Wasser, eventuell nach der Filtration (s. Filtrieren), in ein Hochreservoir. Die Wahl der Wasserhebemaschine hängt von dem erforderlichen Wasserquantum, von der dadurch gebotenen Geschwindigkeit der Hebung sowie von der Hubhöhe ab und ist in jedem gegebenen Fall besonders zu treffen. In allen Fällen ist das Wasser so hoch zu heben, daß es bis zum Gebrauchsort ein Gefälle von mindestens 0,5 Proz. erhält.

Die Anlagen zur Verteilung des Wassers bilden den schwierigsten Teil des Wasserleitungswesens. Das beste System ist dasjenige der konstanten Lieferung, bei welchem das Prinzip der kommunizierenden Röhren zur Anwendung kommt. Der Reinwasserbehälter liegt dann so hoch, daß das Wasser durch seinen eignen Druck nicht nur nach allen Teilen der Stadt, sondern auch über die Dächer der Häuser gehoben wird. Der Röhrenapparat ist immer gefüllt. Das Zumessen des Wassers an die Abnehmer geschieht auf verschiedene Weise. Man bringt entweder geeichte Hähne an, die fortwährend fließen und in jeder Stunde ein gleiches mäßiges Wasserquantum liefern, oder man benutzt große Hähne, die nur nach Bedürfnis geöffnet werden und schnell große Wasserquantitäten liefern. In diesem Fall wird die abgelaufene Wassermenge durch Wassermesser, welche den Gasuhren ähnlich konstruiert sind, gemessen. Der französische Wasserzoll (Brunnenzoll) ist die aus einer kreisförmigen Öffnung von 1 Pariser Zoll Durchmesser bei dünner Wandung des Gefäßes und bei einem Wasserspiegel von 1 mm über dem Scheitel der Öffnung ausfließende Wassermenge = 231,44 ccm. Außer zum häuslichen Gebrauch wird das in den Röhrenleitungen befindliche gespannte Wasser auch zum Reinigen oder Besprengen der Straßen und zum Feuerlöschen benutzt. Zu diesem Zweck werden in jene Leitungen Hydranten oder Feuerhähne eingeschaltet, an welche bei Bedarf Wasserschläuche angeschraubt werden können. Für Hausleitungen benutzt man in der Regel Bleiröhren, [426] die sich in den meisten Fällen als völlig ungefährlich erwiesen haben. Das in verschiedenen Städten pro Tag und Kopf der Bevölkerung konsumierte Wasserquantum ist sehr verschieden; nach Claudel beträgt es in Rom 1105, New York 568, Marseille 470, Philadelphia 225, Richmond 180, Glasgow 113, London 112, Lyon 85, Manchester 85, Brüssel 80, München 80 und Paris 69 Lit. Für den alleinigen Bedarf der gewöhnlichen Haushaltungen, also ohne Rücksicht auf alle weitern Zwecke, hält man in Frankreich ein Wasserquantum von durchschnittlich 20 L. täglich pro Kopf für ausreichend. Die Gesundheitskommission für London hat sich dahin ausgesprochen, daß, um allen Bedürfnissen der Bevölkerung, einschließlich der Konsumtion der industriellen Etablissements, der Reinigung der Straßen und unterirdischen Kanäle etc., zu genügen, täglich 62 L. pro Kopf erforderlich seien. Wo nicht besondere Verhältnisse, wie zahlreiche Fabrikanlagen, viele öffentliche, stets laufende Brunnen u. dgl., eine namhafte Konsumtion erfordern, kann man für gewöhnliche Verhältnisse in den deutschen Städten im Durchschnitt 30 und der Sicherheit wegen 40 L. täglich auf den Kopf der Bevölkerung rechnen. Vgl. Humber, Treatise on the water supply of cities and towns (Lond. 1876); Salbach: Das Wasserwerk der Stadt Halle (Halle 1871), Das Wasserwerk der Stadt Dresden (das. 1874 bis 1876), Die Wasserleitung in ihrem Bau und ihrer Verwendung in Wohngebäuden etc. (2. Aufl., das. 1876); Grahn, Die städtische Wasserversorgung (Münch. 1878); Derselbe, Die Wasserversorgung der Städte des Deutschen Reichs (das. 1883); „Handbuch der Ingenieurwissenschaften“, Bd. 3 (Leipz. 1882–84).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe auch Wasserleitung in Band 18.