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MKL1888:Wismar

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Wismar“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 695
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Wismar. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 695. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Wismar (Version vom 08.01.2023)

[695] Wismar, die zweite See- und Handelsstadt des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, an der Südspitze einer durch die Inseln Poel und Lieps geschützten

Wappen von Wismar.

Bucht der Ostsee, Knotenpunkt der Linien Kleinen-W. und W.-Rostock der Mecklenburgischen Eisenbahn, ist regelmäßig gebaut, hat vier Thore und noch viele mittelalterliche Giebelhäuser. Die hervorragendsten Gebäude sind: die Marienkirche im gotischen Stil mit einem 80 m hohen Turm aus dem 14. Jahrh.; die Georgenkirche aus dem 14. und 15. Jahrh., neuerdings renoviert; die zierliche, hohe Nikolaikirche, aus dem 15. Jahrh., ebenfalls renoviert, mit alten Wandmalereien; die Heilige-Geistkirche, das Rathaus mit gotischem Kellergewölbe, die „alte Schule“, ein gotischer Bau, um 1300 aufgeführt, jetzt Altertumsmuseum, der Fürstenhof, eins der seltenern Beispiele durchgebildeten Backsteinbaues, im Stil der italienischen Frührenaissance, von Herzog Johann Albrecht im 16. Jahrh. begonnen, neuerdings restauriert, früher Residenz der Herzöge, später schwedisches Tribunal, jetzt Amtsgericht, das Theater, das neue Schlachthaus etc. Die Zahl der Einwohner beläuft sich (1885) mit der Garnison (2 Füsilierbat. Nr. 90) auf 15,797 Seelen, meist Evangelische. Die Industrie besteht in Fabrikation landwirtschaftlicher Maschinen, Eisengießerei, Glockengießerei, Ofen-, Dachpappe-, Asphalt- und Zichorienfabrikation, Bierbrauerei, Fischerei etc. Der lebhafte Handel, unterstützt durch den vortrefflichen Hafen, ist vorzugsweise Seehandel und erstreckt sich namentlich auf Steinkohlen, Holz, Getreide, Wein, Seegras u. dgl. 1888 liefen in den Hafen ein: 461 Schiffe zu 79,605 Reg.-Ton.; es liefen aus: 477 Schiffe zu 82,998 Reg.-Ton. W. hat eine besondere Flagge, Hafen-, Strand- und Zollgerechtigkeit, eigne Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit etc.; es ist Sitz der Domanialämter Mecklenburg-Redentin-Poel und eines Amtsgerichts, hat ein Gymnasium, verbunden mit einer Realschule, eine Navigations-Vorbereitungsschule, eine Gewerbeschule etc. 5 km nordwestlich in hübscher Lage das Seebad Wendorf (s. d.). – Die Stadt, deren Ursprung in das 12. Jahrh. zurückreicht, erhielt 1229 das schwerinische, 1266 das lübische Stadtrecht und kam 1301 an Mecklenburg. Im 13. Jahrh. trat W. dem Hansabund bei u. wurde, obwohl 1376 die Pest an 10,000 Menschen hinwegraffte, eine bedeutende Stadt, geriet aber seit dem 16. Jahrh. in Verfall. Im Westfälischen Frieden 1649 ward die Stadt zugleich mit der Herrschaft W., welche die zusammen etwa 6000 Einw. zählenden Domanialämter Neukloster und Poel umfaßte, an Schweden abgetreten, 1675 ward die stark befestigte Stadt durch die Dänen belagert und durch Kapitulation erobert, jedoch 1678 wieder herausgegeben. 1712 wurde sie wieder von den Dänen, 1716 aber von den Dänen, Preußen und Hannoveranern belagert, die Besatzung durch Hunger zur Übergabe gezwungen und darauf die Festung geschleift. 1803 wurde die ganze Herrschaft W. von Schweden an Mecklenburg-Schwerin für 1,258,000 Thlr. verpfändet und auf dem Landtag zu Malchin 1828 unter die Landstände aufgenommen. Vgl. Schrödern, Beschreibung der Stadt und Herrschaft W. (2. Aufl., Wism. 1860); Schildt, Geschichte der Stadt W. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts (Rost. 1872); Crull, Die Ratslinie der Stadt W. (Halle 1875).