MKL1888:Wolfram

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Wolfram“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Wolfram“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 16 (1890), Seite 727728
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia:
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Wolfram. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 727–728. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Wolfram (Version vom 22.10.2021)

[727] Wolfram (Wolframit, Scheel), Mineral aus der Ordnung der Wolframiate, kristallisiert in monoklinen, meist säulenförmigen, selten lamellaren Kristallen, bildet aber auch schalige, stängelige und großkörnige Aggregate, ist bräunlichschwarz mit metallähnlichem Diamantglanz oder Fettglanz, meist undurchsichtig; Härte 5–5,5, spez. Gew. 7,1–7,5. W. ist ein Eisenmanganwolframiat (FeMn)WO4 mit etwa 76 Proz. Wolframsäure. Ein nur Mangan enthaltender Körper ist der Hübnerit aus Nevada, während das reine Eisenwolframiat unbekannt ist. Als Verunreinigungen kommen Calcium, Niob und Tantal vor. Meist ist W. an alte granitische Gesteine gebunden (Erzgebirge, Harz, Cumberland, Cornwall, Limoges, Ural); bei Felsöbanya hat er sich auf Klüften des Trachyts vorgefunden. Früher als wertloses Material über die Halde gestürzt, dient das Mineral jetzt zur Darstellung von Wolframpräparaten und Wolframstahl.

Wolfram (Scheel, Katzenzinn) W, Metall, findet sich nicht gediegen, mit Sauerstoff verbunden als Wolframsäureanhydrid (Wolframocker), ferner als wolframsaurer Kalk (Scheelit, Tungstein), als wolframsaures Blei (Wolframbleierz, Stolzit) und besonders als wolframsaures Eisen- und Manganoxydul (Wolfram) auch in einigen andern Mineralien, in manchem Stahl und in Produkten des Zinnhüttenprozesses, wie denn überhaupt die Wolframerze meist in Begleitung von Zinnerzen auftreten. Das Metall kann direkt aus dem Mineral W. durch starkes Erhitzen mit Kohle und Digerieren der grauen porösen Masse mit verdünnter Salzsäure unter Luftabschluß erhalten werden. Aus Wolframsäureanhydrid durch Kohle oder Wasserstoff reduziert, ist es stahlgrau bis zinnweiß, glänzend, hart, spröde, strengflüssiger als Mangan, Atomgewicht 183,5, spez. Gew. 19,129, es ist an der Luft unveränderlich, läuft beim Erhitzen blau an, verbrennt, fein verteilt, bei Rotglut zu Wolframsäureanhydrid, [728] gibt mit Salpetersäure oder Kalilauge Wolframsäure und verbindet sich mit Chlor nur beim Erhitzen. Mit Sauerstoff bildet es ein Oxyd WO2, blaues Oxyd W2O5 und Wolframsäureanhydrid WO3. Man stellt W. und Legierungen desselben mit Eisen und Mangan im großen dar, um dieselben in der Stahlfabrikation zu benutzen. Der Wolframstahl und das Minargent sind die wichtigsten Wolframlegierungen. Wolframsäureanhydrid (Wolframtrioxyd) WO3 findet sich als Wolframocker, entsteht beim Erhitzen von W. an der Luft und wird aus Wolframsäuresalzen beim Kochen der Lösung derselben mit Säuren abgeschieden. Zur Darstellung behandelt man fein gepulverten Wolfram (das Mineral) mit Salzsäure, zuletzt unter Zusatz von etwas Salpetersäure, bis Eisen und Mangan möglichst entfernt sind, löst den Rückstand in Ammoniak, verdampft die Lösung zur Kristallisation und glüht das wolframsaure Ammoniak. Das Anhydrid ist zitronengelb, kann auch kristallisiert erhalten werden, löst sich nicht in Wasser, wenig in konzentrierter Salzsäure und Flußsäure, schmilzt schwer, sublimiert bei Weißglut und wurde unter dem Namen Mineralgelb als Malerfarbe empfohlen. Es löst sich in Alkalien unter Bildung von Wolframsäuresalzen (Wolframaten), aus deren Lösung kalte Schwefelsäure wasserhaltige Wolframsäure (Scheelsäure, Tungsteinsäure) H2WO4 + H2O fällt, welche in Wasser etwas löslich ist, bittersüß schmeckt, sauer reagiert. Von den Salzen sind nur die der Alkalimetalle in Wasser löslich. Kocht man diese mit Wolframsäure, so entstehen Metawolframsäuresalze, in deren Lösungen durch Säure kein Niederschlag hervorgebracht wird, weil Metawolframsäure H2W4O13 löslich ist. Sie bildet gelbe Kristalle mit 7 Molekülen Kristallwasser, schmeckt stark sauer, sehr kratzend und bitter und geht bei starker Konzentrierung ihrer Lösungen in Wolframsäure über. Ihre Salze sind meist löslich. Als Ausgangspunkt für die Darstellung der Wolframpräparate dient das wolframsaure Natron, welches man durch Schmelzen von fein gepulvertem Wolfram (Mineral) mit kohlensaurem Natron im Tiegel oder Flammofen erhält. Die Schmelze wird mit Wasser ausgezogen, die Lauge mit Salzsäure nahezu neutralisiert und zur Kristallisation gebracht. Das Salz wird durch Umkristallisieren gereinigt und aus der Mutterlauge durch Chlorcalcium wolframsaurer Kalk gefällt. Wolframhaltige Zinnerze behandelt man im Flammofen mit Rohsoda und erhält dann beim Auslaugen mit Wasser eine Lösung, welche wolframsaures Natron, aber nur Spuren von zinnsaurem Natron enthält. Das wolframsaure Natron Na10W12O41 bildet farblose Kristalle mit 28 Molekülen Kristallwasser, mit 2 Molekülen Wasser, ist hygroskopisch, leicht löslich in Wasser, schmeckt bitterlich herb, reagiert alkalisch, wird durch Wasser nicht zersetzt und schmilzt bei Rotglut. Gewebe, welche mit einer Lösung des Salzes getränkt sind, lassen sich nicht entzünden, sondern verkohlen nur in Berührung mit einer Flamme. Das Salz dient daher als Flammenschutzmittel für Kleider, Dekorationen und Holz, ist auch als Ersatz der Zinnpräparate in der Färberei und zum Vergolden empfohlen worden und gibt mit Kampescheholz eine gute schwarze Tinte. Aus einer mit wolframsaurem Natron versetzten Leimlösung scheidet Salzsäure eine bei 30–40° höchst plastische Masse aus. Wolframsaurer Baryt wird aus einem löslichen Barytsalz durch wolframsaures Natron gefällt, ist blendend weiß und als Surrogat des Bleiweißes empfohlen worden, da es ebensogut deckt, nicht nachdunkelt, auch durch Schwefelwasserstoff nicht verändert wird. Als Wolframweiß wurde auch das wolframsaure Zinkoxyd empfohlen, welches aus einer Lösung von Chlorzink und Chlornatrium durch wolframsaures Natron gefällt wird und besser deckt als Zinkweiß. Wolframsaures Chromoxyd wird aus Chromchloridlösung durch wolframsaures Natron gefällt, ist grün und kann wie auch das wolframsaure Kupferoxyd zur Darstellung von Anilinschwarz benutzt werden. Andre Wolframsäuresalze wurden als Malerfarben empfohlen. Schmelzt man wolframsaures Natron mit Wolframsäureanhydrid und glüht das Gemenge in Wasserstoff oder Leuchtgas, so entsteht wolframsaures Wolframoxydnatron Na2W3O9, ein metallglänzendes, goldgelbes kristallinisches Pulver, welches bei Ausschluß der Luft Glühhitze erträgt, durch Säuren und Alkalien nicht angegriffen, in hoher Temperatur aber durch Sauerstoff und Chlor zersetzt wird. Es ist als Safranbronze (Wolframbronze, Wolframgoldbronze) in den Handel gekommen, das entsprechende violette, im Sonnenlicht kupferglänzende Kalisalz als Magentabronze und eine Mischung des letztern mit blauem Wolframoxyd als Wolframviolett. Diese Bronzen können mit der Metallbronze nicht konkurrieren, sollen aber neuerdings zur Erzeugung verschieden gefärbter Gläser benutzt werden. Bei Behandlung von wolframsaurem Natron mit Phosphorsäure entstehen die Natronsalze zweier Phosphorwolframsäuren, welche als sehr empfindliche Reagenzien auf Alkaloide benutzt werden. Erhitzt man Wolframsäure sehr mäßig in Wasserstoff, oder behandelt man sie mit Salzsäure und Zink, oder erhitzt man wolframsaures Ammoniak bei Luftabschluß, so entsteht blaues Wolframoxyd W2O5, ein intensiv blaues, in Wasser unlösliches Pulver, welches an feuchter Luft in Wolframsäure übergeht. Man benutzt es als Mineralblau (Wolframblau, blauer Karmin), mit Wolframsäure gemischt als grüne und mit Magentabronze gemischt als violette Farben. Wolframsäure wurde 1781 von Scheele im Tungstein entdeckt, 1784 erhielten die Gebrüder d’Elhuyar dieselbe Säure aus dem Wolframit und stellten auch das Metall daraus dar. Die Wolframindustrie datiert seit den Bemühungen von Oxland (1848), wolframsaures Natron im großen darzustellen. Auf der Londoner Ausstellung 1862 zeigte dieselbe eine überraschende Entwickelung, seitdem aber haben die verschiedenen Wolframpräparate kaum an Bedeutung gewonnen.

Wolfram, Leo, Pseudonym, s. Prantner.