MKL1888:Zelle
[855] Zelle (Cellula), die einfachste Form, in welcher tierische oder pflanzliche Organismen (lebende Wesen) auftreten können. Fast immer ist sie nur mikroskopisch sichtbar und besteht im wesentlichen aus einem Klümpchen zähflüssiger, eiweißartiger Substanz, die mit Leben begabt ist, d. h. sich von der Stelle bewegen kann, für äußere Reize empfänglich ist, durch Nahrungsaufnahme sich vergrößert und unter gewissen Umständen sich vervielfältigt (fortpflanzt). Man nennt diese uns in ihrem innersten Wesen noch völlig rätselhafte Materie Plasma oder Protoplasma, auch wohl Sarkode. Außer ihr finden sich in den meisten Zellen noch allerlei Substanzen, die aber durch die Thätigkeit des Plasmas dahin gelangen, z. B. Fetttröpfchen, auch kleine, mit Flüssigkeit gefüllte Bläschen (Vakuolen); ferner umgibt sich das Plasma der Z. gewöhnlich zum Schutz gegen die Einwirkung der Außenwelt mit einer Haut (Membran, Zellmembran, Zellhaut, Zellwandung), und endlich ist fast immer im Innern des Plasmas noch ein besonderer runder Körper, der sogen. Zellkern oder schlechtweg Kern (s. unten), vorhanden. Man trennt dem entsprechend die Zellen in kernlose Zellen oder Cytoden (s. d.) und kernhaltige Zellen oder Zellen im engern Sinn. – Die Gestalt der Z. ist im einfachsten Fall, d. h. bei frei lebenden, ruhenden Zellen, die kugelige, wird jedoch bei jeder Bewegung eine andre. Überhaupt kommt eine Ortsveränderung einer solchen membranlosen oder nackten Z. nur dadurch zu stande, daß sie nach einer Seite hin einen oder mehrere Fortsätze ausstreckt und sich mit ihrem ganzen Leib in dieselben nach ergießt (sogen. amöboide Bewegung). Ist sie dagegen von einer Membran umgeben, so streckt sie ihre alsdann gewöhnlich feinern, fadenförmigen Fortsätze durch besondere Löcher in derselben heraus, heftet sich damit an irgend einen Gegenstand an und zieht sich nach. Auch ihre Nahrung erlangt sie, indem sie mit diesen Fortsätzen (Scheinfüßen, Pseudopodien), welche sie beliebig ausstrecken und wieder in ihren Leib einziehen kann, die ihr zusagende Beute umspinnt und diese entweder ganz in ihr Inneres befördert, oder an Ort und Stelle verzehrt. Bei Reizen von außen zieht sie gewöhnlich die Pseudopodien ganz ein, rundet sich ab und umgibt sich auch wohl mit einer durch Ausschwitzung entstehenden dickern u. widerstandsfähigen Haut (Cyste). – Eine besondere, übrigens noch keineswegs völlig aufgeklärte Rolle im Leben der Z. spielt der Kern. Er besteht meist aus einem Bläschen, das manchmal von einer besondern Haut umschlossen wird, liegt gewöhnlich in der Mitte der Z. und ist mitunter während des Lebens nicht sichtbar, indem sein Lichtbrechungsvermögen alsdann dem des Zellleibes gleichkommt. Da manche Zellen zeitlebens ohne ihn bestehen können, so ist er offenbar nicht [856] absolut notwendig; wo er jedoch vorkommt, spielt er bei der Fortpflanzung eine wichtige Rolle. Wenn nämlich eine kernlose Z. sich vermehrt, so geschieht dies einfach durch Abschnürung eines kleinen oder größern Teiles ihres Leibes, der auf diese Weise selbständig wird und allmählich zur Größe der Mutterzelle auswächst; ist jedoch ein Kern vorhanden, so geht seine Teilung derjenigen der Z. immer voraus. Es ist nun durchaus nicht notwendig, daß sich das Teilstück (Tochterzelle) völlig und für immer von der Mutterzelle trenne, vielmehr kann es mit ihr in Zusammenhang bleiben; dann entsteht ein zweizelliger und bei weiterer Teilung ein mehrzelliger Organismus. In letzterm können alle Zellen gleichartig sein, so daß sie auch alle sich weiter vermehren, alle Nahrung aufnehmen etc. Gewöhnlich jedoch ist das nicht der Fall, sondern es tritt Arbeitsteilung ein, d. h. manche Zellen sorgen ausschließlich für Nahrungsaufnahme und lassen die gewonnenen Säfte auch den übrigen Zellen zu gute kommen, indes andre die Bewegung der ganzen Kolonie übernehmen, wieder andre ausschließlich sich fortpflanzen etc. (im einzelnen s. Gewebe, S. 280). Durch enges Zusammenrücken platten sich auch meist die Zellen aneinander ab und werden eckig, doch haben auch einzellige Organismen oft höchst sonderbare Formen, so daß die oben erwähnte Kugelgestalt der Z. mehr eine Ausnahme darstellt. – Außer den mehr oder weniger wesentlichen Teilen des Zellinhalts, nämlich dem Plasma und dem Kern, finden sich, wie oben erwähnt, manchmal noch andre Stoffe vor, so z. B. Fettkügelchen, Tröpfchen einer wässerigen Flüssigkeit (Zellsaft), Kristalle von Kalksalzen oder Kieselsäure. Diese werden zwar sämtlich vom Plasma aus der von ihm aufgenommenen Nahrung selbst gebildet, können jedoch in sehr großen Mengen vertreten sein, wie z. B. in den Fettzellen bei höhern Tieren, wo man häufig erst nach Entfernung des Fettes mittels auflösender Substanzen den Kern und das spärliche Plasma erblickt. Auch das Ei, welches bei allen Tieren eine einfache Z. darstellt, ist mitunter so überaus voll von Fett und andern Substanzen (Dotter), daß Kern und Plasma nur einen sehr kleinen Teil in ihm bilden (vgl. Ei).
Einzellige Organismen, d. h. lebende Wesen, die aus nur einer Z. bestehen, sind nicht sehr zahlreich vorhanden. Sie bilden die niedersten Gruppen im Tier- und Pflanzenreich und werden wohl auch als besonderes Reich, das der Protisten (s. d.), zusammengefaßt. Bei den vielzelligen Tieren und Pflanzen sind die jungen Zellen einander noch ziemlich gleich und werden erst langsam, sobald sie eine besondere Thätigkeit beginnen, verschieden. Man kennt eine große Menge Arten von Zellen, von denen als die wesentlichsten im tierischen Körper vorkommen: 1) Hautzellen, meist platte, eckige Zellen zur Begrenzung des Körpers nach außen hin; 2) Drüsenzellen zur Absonderung bestimmter Säfte; 3) Bindegewebszellen, meist von spindelförmiger Gestalt; 4) Muskelzellen oder kontraktile Zellen, in welchen das Plasma ganz oder zum größten Teil sich zusammenziehen und ausdehnen kann; 5) Nervenzellen oder Ganglienzellen; 6) Flimmerzellen, bei denen auf der Oberfläche ein oder mehrere bewegliche Fäden von Plasmasubstanz stehen; 7) Fettzellen; 8) Knorpel-, Knochen- und Zahnzellen; 9) Samenzellen, meist bewegliche Zellen, die zur Befruchtung des Eies dienen; 10) Blutzellen. Sie alle führen, freilich in sehr verschiedenem Grad, noch ein selbständiges Leben im Organismus, unternehmen sogar zum Teil in ihm Wanderungen (z. B. die weißen Blutkörperchen) und gehen auch durchaus nicht immer mit dem Tode desselben sogleich zu Grunde. Es verdient übrigens noch ausdrücklich bemerkt zu werden, daß manche Zellen sich im Lauf ihres Lebens derart verändern, daß sie kaum noch als solche zu erkennen sind, sondern als Fasern, Stränge etc. erscheinen. Ferner scheiden namentlich diejenigen des Bindegewebes, Knorpels etc. um sich herum eine außerordentlich dicke Hülle aus, die man als Intercellularsubstanz bezeichnet, weil sie zwischen den Zellen liegt; auch die Hautzellen vieler Tiere sondern nach außen eine Membran ab, die oft vielfach dicker ist als sie selbst (Hautpanzer der Krebse).
Ähnlich wie in tierischen Zellen ist auch in der Pflanzenzelle der eigentliche Träger des Lebens ein aus Eiweißstoffen bestehender Plasmakörper, der in der Regel von einer festen, aus Cellulose gebildeten Haut (s. unten) umkleidet wird. Die Gestalt der Pflanzenzellen (Fig. 1) ist oft annähernd kugelförmig
Fig. 1. Zellen mit Zellhaut, Protoplasma und Zellkern; A im lebenden, B im getöteten Zustand. | |
oder polyedrisch, in langgestreckten Pflanzenteilen mehr cylindrisch oder prismatisch, bei Pilzen und Flechten faden- oder schlauchförmig, im Kork und oft auch in der Epidermis dünn tafelförmig; sternförmige Gestalt haben die Zellen im Mark der Binsenhalme und die mancher Haare. Nach der Beschaffenheit der Zellhaut, des Zellinhalts und nach der physiologischen Aufgabe der ganzen Z. unterscheidet man in der Botanik zahlreiche Zellarten, deren Name sich aus der betreffenden Eigenschaft leicht erklärt, wie z. B. Tüpfel-, Spiral-, Ringfaser, Kork-, Holz-, Schleimzellen u. a. (S. weiter unten.) Die kleinsten Zellen finden sich bei den einfachsten einzelligen Pflanzen, den Schizomyceten (Bacterium Termo mit 0,0015 mm Längendurchmesser), und den Sporen vieler Pilze. Die runden oder polyedrischen Parenchymzellen der höhern Pflanzen schwanken in der Größe ihres Durchmessers etwa zwischen 0,02 und 0,2 mm. Die faserförmigen Zellen des Holzes und Bastes sind gewöhnlich enger; aber der lange Durchmesser beträgt im allgemeinen 0,7–2,5 mm, bei manchen Bastfasern noch mehr. Manche Haare, wie z. B. die Baumwolle, erreichen mehrere Zentimeter Länge, ebenso gewisse einzellige Algen, wie Vaucheria, Bryopsis und Caulerpa, von denen die letztere, obwohl nur aus einer einzigen Z. bestehend, in ihrer Form einen kriechenden, [857] unten mit Wurzeln, nach oben mit großen Blättern versehenen Stengel nachahmt.
Das Plasma erscheint nicht selten vollkommen gleichartig und durchsichtig (Hyaloplasma), in andern Fällen bildet es eine körnige, ins Grünliche spielende Substanz (Polioplasma) und vermag alle Zwischenstadien zwischen dem festen und flüssigen Aggregatzustand anzunehmen. Häufig wird es durch blasenförmige, mit Zellsaft erfüllte Hohlräume unterbrochen, deren Zahl mit dem Alter der Z. zunimmt, bis schließlich nur ein einziger großer Hohlraum sich bildet, der von einem dünnen, der Zellwand anliegenden Plasmaschlauch (Primordialschlauch) umgeben wird. Innerhalb der Grundmasse des Plasmas, dem sogen. Cytoplasma, treten Einschlüsse auf, welche teils im Leben der Z. eine aktive Rolle spielen,
Fig. 2. Zellen mit Chlorophyllkörnern. | |
wie der Zellkern, die Chlorophyllkörner (Fig. 2) und die Stärkebildner (s. Stärkemehl), teils nur passiv sich verhalten, wie Protein- (s. Aleuron) und Stärkekörner
Fig. 3. Zellen mit Stärkekörnern. | |
(Fig. 3), Kristalle, Öltropfen, Gerbstoffkugeln u. a. Das lebensthätige Plasma zeichnet sich durch die Fähigkeit aus, in sehr verdünnter alkoholischer Lösung von Silbernitrat metallisches Silber auszuscheiden, es verhält sich demnach einem Aldehyd ähnlich. Von wesentlicher Bedeutung ist neben dem Plasma der rundliche, oft sehr kleine Zellkern. Zellkerne lassen sich in den lebensfähigen Zellen sämtlicher Gefäßpflanzen nachweisen; in mehrfacher Zahl treten sie im Embryosack (s. d.) der Phanerogamen, ferner in den Zellen vieler Kryptogamen, in den großen Zellen der Schlauchalgen sogar in millionenfacher Anzahl auf, nur bei Phykochromaceen und Schizomyceten scheinen sie zu fehlen. Der Zellkern besteht aus einem Kerngerüst (Chromatingerüst), das aus knäuelartig gewundenen zarten Fäden zusammengesetzt ist, und aus einer die Maschen dieses Gerüstes ausfüllenden dickflüssigen
Fig. 4. Zellkerne in verschiedenen Entwickelungsstadien (aus dem Wandbeleg des Embryosacks von Agrimonia). | |
Substanz, dem Kernsaft. Als Einschlüsse kommen in ihm 1–3 kleine, stark lichtbrechende Körberchen
Fig. 5. Weitere Entwickelungszustände von Zellkernen (aus dem Embryosack von Agrimonia); a–d die aufeinander folgenden Zustände. | |
(Kernkörperchen, Nucleoli) sowie bisweilen auch Proteinkristalle vor. Von hervorragender Bedeutung ist die Thatsache, daß bis jetzt niemals eine Entstehung von Zellkernen aus dem Plasma beobachtet werden konnte, sondern daß vielmehr alle in einer Z. vorhandenen Zellkerne durch Teilung andrer Kerne sich bilden. Der Vorgang der Kernteilung selbst findet
Fig. 6. Scheidewandbildung im Umkreis der Zellkerne (aus dem Embryosack von Agrimonia). | |
entweder durch direkte Teilung statt, indem sich der Kern in der Mitte einschnürt und zuletzt die durch ein dünnes Verbindungsstück zusammenhängenden Hälften [858] sich voneinander trennen, oder es treten eine Reihe weiterer Umwandlungen ein, ehe aus einem ursprünglichen Kern zwei neue Tochterkerne sich bilden (indirekte Kernteilung oder Karyokinese). Letzterer sehr verbreiteter Vorgang, der nicht selten auch mit der Entstehung neuer Zellen (Zellbildung) verknüpft sein kann, in andern Fällen aber auch von derselben ganz unabhängig ist, verläuft bei tierischen und pflanzlichen Zellen in wesentlich gleicher Weise. An günstigen Objekten, wie den großen Kernen im Embryosack der Liliaceen, lassen sich sieben verschiedene Umwandlungsstadien zwischen dem ungeteilten, ruhenden Kern und der völligen Ausbildung der Tochterkerne unterscheiden. Diese Umwandlung betrifft aber nur denjenigen Teil des Kerns, welcher durch Safranin und Gentianaviolett intensiv gefärbt wird (die sogen. chromatische Kernfigur), während ein weiter Bestandteil, die achromatische Kernfigur, durch die genannten Farbstoffe nicht tingiert wird und bei der Kernteilung auch eine wesentlich verschiedene Rolle spielt. Letzterer Teil bildet nämlich freie, vom Äquator nach den Polen des Kerns zusammenneigende, feine Fäden, die als Spindelfasern bezeichnet werden und dazu bestimmt erscheinen, den ersten Anfang der Zellhaut zu erzeugen, sofern die Bildung einer solchen mit der Kernteilung verknüpft ist; in diesem Fall bilden die Spindelfasern in der Mitte knotenförmige Anschwellungen, welche die Bildung der Zellmembran andeuten. Die Figuren 4–6 veranschaulichen die beschriebenen Verhältnisse. Eine Kernverschmelzung tritt besonders bei der Zygosporenbildung sowie bei dem Fortpflanzungsakt mancher Kryptogamen und aller Blütenpflanzen ein; bei letztern dringt nach Strasburger ein aus der Pollenzelle stammender Kern vom Pollenschlauch aus in die Eizelle ein und verschmilzt mit dem in dieser Z. vorhandenen Kern.
Unter den aktiven Einschlüssen des Zellplasmas unterscheiden sich die Chlorophyllkörper (Chloroplasten) durch ihre grüne Farbe von den bunt gefärbten Farbstoffkörpern (Chromoplasten) und den farblosen Stärkebildnern (Leukoplasten). Die Chloroplasten der niedern Gewächse, besonders der Algen, zeichnen sich durch das Vorkommen eigentümlicher Kerne, der sogen. Pyrenoide, aus. Dieselben werden entweder dicht von Stärkemehlkörnern eingehüllt (beschalte Pyrenoide), oder liegen frei in der plasmatischen Substanz der Chlorophyllkörper (nackte Pyrenoide). Sie ähneln den Nukleolen der Zellkerne, bestehen wie diese aus echten Eiweißstoffen und stehen wahrscheinlich in naher Beziehung zu der Stärkebildung. Die meist kugelförmigen Stärkebildner treten besonders im chlorophyllfreien Gewebe von Knollen und in der Epidermis auf und enthalten Stärkekörner und Eiweißkristalloide. Die Chromoplasten endlich sind in den Zellen bunt gefärbter Blumenblätter und Früchte verbreitet, und zwar sind vorzugsweise gelbe und orangegelbe Farbstoffe an Chromoplasten gebunden, während rote, blaue und violette Pigmente meist im Zellsaft gelöst vorkommen. Alle aktiven Plasmaeinschlüsse bilden sich, wie auch die Zellkerne, immer nur durch Teilung schon vorhandener Körner, können sich aber ineinander verwandeln, wie dies z. B. bei der winterlichen Umfärbung vieler grüner ausdauernder Pflanzenteile, z. B. den Nadeln der Koniferen, geschieht (s. Chlorophyll).
Unter den inaktiven Inhaltsbestandteilen der Pflanzenzelle sind die Körner des Aleuron (s. d.) und des Stärkemehls (s. d.) am meisten verbreitet. Außerdem treten vereinzelt auch Fettkristalle, Körner von Schwefel (bei Beggiatoa) und sehr häufig Kristalle von oxalsaurem Kalk (s. Kristallschläuche) im Zellinhalt auf. Kohlensaurer Kalk findet sich im Innern der Z., besonders in den sogen. Cystolithen (s. Kalkeinlagerungen), kommt aber auch im Kernholz vieler Laubbäume als Ausfüllungsmasse der Gefäße und Tracheïden sowie in Samenschalen vor. Kristallkörnchen von schwefelsaurem Kalk erfüllen die Vakuolen in den Zellen einiger Desmidieen, aus Kieselsäure bestehende Inhaltskörper wurden in der Epidermis und den Gefäßbündelscheiden von Palmen, Orchideen, Magnoliaceen gefunden und sind den nicht selten vorkommenden Kieseleinlagerungen (s. d.) der Zellmembran an die Seite zu stellen. Unter den flüssigen Bestandteilen des Zellinhalts sind Öltropfen und Gerbstoffkugeln am meisten verbreitet. Der Zellsaft endlich enthält eine große Anzahl organischer und anorganischer Verbindungen im gelösten Zustand.
Zellhaut. Nur in verhältnismäßig seltenen Fällen, so besonders bei den Schwärmsporen der Algen und Pilze, den Plasmodien der Myxomyceten (s. d.) sowie in den unbefruchteten Eizellen der höhern Kryptogamen und Blütenpflanzen, erscheint die Pflanzenzelle ohne äußere feste Hülle. In der Regel wird sie von einer aus Cellulose bestehenden Haut umgeben, welche durch die Lebensthätigkeit des Plasmas aufgebaut wird. Als Cellulose ist diese Membran durch die Bläuung mit Jod und verdünnter Schwefelsäure sowie Violettfärbung mit Chlorzinkjod und durch Löslichkeit in konzentrierter Schwefelsäure und Kupferoxidammoniak charakterisiert und unterscheidet sich dadurch von
Fig. 7. Oberhautzellen; c Cuticula, y Kutikularschicht. | |
der Haut der Pilzzellen (Pilzcellulose), bei welcher die genannten Reaktionen nicht eintreten. Im Verlauf ihrer Entwickelung erfährt die Zellhaut vorzugsweise drei Arten von chemischer Umänderung, welche als Verkorkung, Verholzung u. Verschleimung bezeichnet zu werden pflegen. Verkorkte Membranen nehmen in Kalilauge eine gelbe Färbung an und widerstehen der gleichzeitigen Einwirkung von Salpetersäure und chlorsaurem Kali viel länger als gewöhnliche Cellulose. Verkorkung tritt besonders in der äußersten Schicht der Oberhautwandung in der sogen. Cuticula (s. Epidermis) und in der unterhalb derselben liegenden Kutikularschicht (Fig. 7), ferner in den Zellen mancher Samenschalen, in den Schutzscheiden (s. Endodermis) und in bestimmten Gewebeschichten von Stamm- und Wurzelteilen (s. Kork) ein. Da die verkorkte Membran die Eigenschaft besitzt, für Wasser und wässerige Lösungen undurchdringlich zu sein, so wird die Bildung von Korklamellen für die Pflanze ein Mittel, gewisse Partien ihres Gewebes vor dem Eintritt von Wasser zu schützen oder von der Kommunikation mit andern Geweben abzuschneiden. An Stelle von Korksubstanz können mitunter auch wachsartige Substanzen in der Zellhaut, z. B. der Epidermis von Aloë, Cycas, Hoya, eingelagert werden. Überzüge von Wachs kommen in Form zusammenhängender Krusten, feiner Körner oder dichtgestellter senkrechter Stäbchen auf der Außenseite von Epidermiszellen vor und erscheinen dem bloßen Auge als bläulicher Reifüberzug der betreffenden [859] Pflanzenteile. Die Verholzung der Zellmembran wird durch Gelbfärbung mit schwefelsaurem Anilin, Rotfärbung mit Phoroglucin und Salzsäure, Grün- oder Blaufärbung mit Phenol und Salzsäure nachgewiesen; verholzte Zellmembranen können fast in allen Gewebearten der Pflanzen auftreten, sind jedoch nur für die Elemente des Holzkörpers (s. Holz) besonders charakteristisch. Als Verschleimung der Zellhaut wird der Vorgang bezeichnet, bei welchem dieselbe in einen stark quellungsfähigen Zustand übergeht, wie es in den Oberhautzellen mancher Samen, z. B. von Plantago Psyllium, der Quitte u. a., der Fall ist; auch die Haargebilde vieler Laubknospen zeichnen sich durch Schleimbildung in der Zellhaut aus. Verwandt mit der Verschleimung ist die Gummibildung, welche in Wunden von Laubhölzern und andern Krankheitserscheinungen derselben (s. Gummifluß) eintritt. Die Gallertscheiden mancher Algen, besonders der Konjugaten, sind durch die Eigenschaft ausgezeichnet, Niederschläge in sich aufzuspeichern und dann dieselben unter starker Quellung abzustoßen.
Fig. 8. Tüpfelzelle. | |
Fig. 9. Zelle mit verzweigten Tüpfelkanälen. | |
Während im jugendlichen Zustand die Zellhaut überall gleiche Dicke und glatte Oberfläche zeigt, treten bei weiterer Entwickelung in ihr Verdickungen auf, welche teils nach außen gerichtet sind, teils in den Innenraum der Z. vorragen. Die dabei unverdickt bleibenden Stellen werden als Tüpfel (Fig. 8) oder, falls dieselben völlig aufgelöst werden, als Poren bezeichnet. Wenn die Zellhaut sich stark verdickt, so bilden die verdünnten Stellen enge Kanäle (Tüpfelkanäle), die sich auch im Innern der Zellwand verzweigen können (Fig. 9). Die auf der Außenseite der Membran auftretenden Verdickungen können sich nur bei Zellen bilden, welche teilweise oder ganz isoliert sind, und erscheinen daher besonders auf Oberhautzellen als höckerartige Vorsprünge od. auf Pollenzellen von Blütenpflanzen (s. Pollen) sowie Sporenzellen der Kryptogamen in Form von Stacheln, Warzen und Leisten mit mannigfaltigster Ausbildung. Sehr wichtig für die Unterscheidung der verschiedenen Zell- u. Gewebeformen sind die auf der Innenseite der Zellhaut entstehenden Wandverdickungen. Diese können zunächst allseitig den ganzen Umfang der Zellhaut besetzen oder nur auf eine bestimmte Partie des Zellumfanges beschränkt sein (exzentrische Wandverdickung). Beschränkt sich die Verdickung nur auf die Kanten, in denen mehrere Zellen zusammenstoßen, so entsteht die für das Kollenchym (s. d.) charakteristische Verdickungsform. Verdickungen, welche zu der Längsrichtung der Zellwand quer aufgelagert werden, heißen im allgemeinen leiter- oder leistenförmig (Fig. 10); die Leisten können sich auch als gesonderte Ringe (ringförmige Wandverdickung, Fig. 11b) oder kontinuierliche Schraubenbänder (spiralförmige Wandverdickung, Fig. 11a) oder als feine Netze ausbilden. Nicht selten werden auch unregelmäßig gestellte, zapfenartig in das Innere der Zellen vorspringende
Fig. 10. Leiterförmige Verdickung. | Fig. 11. Ring- (b) und spiralförmige (a) Wandverdickung. |
Fig. 13. Zellen mit behöften Tüpfeln (aus Kiefernholz). | |
Verdickungen (s. Gefäße) gebildet. Die Tüpfel können entweder als rundlicher oder spaltenförmiger Kanal (einfache Tüpfel) die Zellwand durchsetzen, oder sie erzeugen eine linsenförmige, zwischen zwei benachbarten Zellen liegende Erweiterung, den sogen. Tüpfelhof (Fig. 12), welcher nach beiden Seiten durch einen engen Kanal mit dem Innenraum der beiden Zellen in Verbindung steht und im mittlern Teil durch die unverdickt gebliebene Zellhaut, die Tüpfelschließhaut (Fig. 12B), geschlossen bleibt. Letztere wird beim Präparieren leicht abgerissen und fehlt daher auf dem in Fig. 12C dargestellten Querschnitt. In der Flächenansicht erscheint der Tüpfelhof (Fig. 13) als äußerer, größerer Kreis, der enge Kanal als kleiner, innerer Kreis oder als Spalte. Die Hoftüpfel entstehen an den Kambiumzellen als Zellwandverdünnungen von rundlicher Gestalt (Primordialtüpfel), auf deren Mitte sich ein verdickter Teil, der Torus, ausbildet, während die Wandung des Hofs als Ringwulst im Umkreis der Zellwandverdünnung angelegt wird. Gewisse Elemente der Gefäßbündel (Tracheen und Tracheïden, s. Gefäßbündel) sind durch den Besitz von gehöften Tüpfeln sehr ausgezeichnet, das Holz der Koniferen besteht fast ausschließlich aus derartigen Zellen. Die Funktion der Hoftüpfel scheint die einer Art von Sicherheitsventil zum Ausgleich von Druckdifferenzen zwischen dem Inhalt benachbarter Tüpfelzellen zu sein. Wirklich offene Poren kommen zunächst in den Siebröhren (s. d.) vor, deren Quer- und Seitenwandungen von feinen Kanälen durchsetzt [860] werden, um auf diese Weise eine direkte Verbindung zwischen den Plasmakörpern übereinander liegender
Fig. 12. Zellen mit durchschnittenen behöften Tüpfeln tt; B Schrägansicht eines Tüpfelhofs mit Schließhaut, C desgl. ohne Schließhaut. | |
Siebröhrenglieder zu ermöglichen. Auch an den Zellhäuten von Endospermzellen, von Rinden- und Markparenchymzellen sind offene, durch feine Plasmafäden ausgefüllte Poren sehr verbreitet, so daß sämtliche Zellen des Parenchyms durch ihr Plasma miteinander in Wechselwirkung zu treten vermögen.
Die Zellhaut der Pflanzen läßt bei stärkerer Verdickung in der Regel mehrere optisch deutlich unterscheidbare Lamellen erkennen, von welchen die innerste
Fig. 14. Holzzellen mit den Schichten der Membran x, a, b. | |
(Fig. 14 bei b) als tertiäre Membran oder Innenhaut, die zwischen zwei benachbarten Zellen liegende Haut (Fig. 14 bei x) als primäre Membran oder Mittellamelle, die zwischen beiden liegende (Fig. 14 bei a) als sekundäre Schicht bezeichnet zu werden pflegt. Die Mittellamelle besteht ihrerseits wieder aus drei Platten, von welchen die mittelste, die sogen. Intercellularsubstanz, sich bei Behandlung mit heißer Salpetersäure und chlorsaurem Kali leicht auflöst; aus diesem Grunde kann
Fig. 15. Einzelne Zelle von Spirogyra majuscula im Ruhezustand. | |
man mittels dieser Reagenzien kleine Holzstücke leicht in ihre einzelnen histologischen Elemente spalten (Schulzesches Macerationsverfahren). Außer den genannten Schichten läßt die Haut stärker verdickter Zellen auf dem Querschnitt oft eine mehr oder weniger große Anzahl konzentrischer feiner Schichten von verschiedener Brechbarkeit (Schichtung der Zellhaut) sowie bei der Flächenansicht ein oder mehrere Systeme abwechselnd heller und dunkler Linien (Streifung der Zellhaut) erkennen. Die Schichtung wird durch ungleiches Quellungsvermögen der aufeinander folgenden Lamellen hervorgebracht, während die Streifung durch eine sehr feine Spiralverdickung der Wand hervorgerufen zu werden
Fig. 16. Spirogyrazelle mit Zellkern, dessen Kernplatte sich spaltet. | |
scheint. Nimmt man mit Nägeli an, daß die Zellhaut aus Micellen, d. h. aus Gruppen zusammengelagerter Moleküle, besteht, welche sich mit Wasserhüllen von wechselnder Dicke zu umgeben vermögen (Micellartheorie), so erklärt sich die ungleiche Quellungsfähigkeit der Zellhautschichten durch die Annahme größerer oder kleinerer Micellen, da bei gleichem Volumen zweier Membranteile die Wasserhüllen bei kleinern Micellen mächtiger sein müssen als beim Vorhandensein größerer Micellen. Nach Wiesner enthält die lebende Zellhaut stets Plasma und besteht aus einem netzartigen Gerüst von kleinen plasmatischen Körnchen (Plasmatosomen), die sich in Körnchen von Zellstoff (Dermatosomen) verwandeln.
Fig. 17. Spirogyrazelle mit zwei Zellkernanlagen, welche eben die Kernkörperchen ausbilden. | |
Fig. 18. Spirogyrazelle mit fast vollendeter Scheidewand und geraden Verbindungsfäden der Zellkerne. | |
Die Entstehung der Zellhaut knüpft in der Regel an den Vorgang der Kernbildung (s. oben) an, bei welchem in den Verbindungsfäden der Tochterkerne sich knötchenartige, aus Eiweißsubstanz bestehende Verdickungen bilden, die dann eine aus Cellulose aufgebaute Zellplatte herstellen. Der Vorgang läßt sich sehr deutlich an den Zellen von Spirogyra (Fig. 15) beobachten, in welchen sich nach der Kernteilung (Fig. 16) die Verbindungsfäden bis zur Berührung mit der Seitenwand der Mutterzelle ausbreiten und an dieser zunächst eine ringförmige Verdickung (Fig. 17) erzeugen, welche allmählich nach innen fortschreitet (Fig. 18) u. schließlich zu vollständiger Trennung der beiden Tochterzellen (Fig. 19) führt. In andern Fällen ist die Wandbildung von der Teilung der Kerne mehr oder weniger unabhängig; beispielsweise fächert sich in den Zellen von Cladophora der Zellraum nur durch Bildung einer ringförmigen, allmählich zur Querwand heranwachsenden Zellstoffleiste ohne Teilnahme der Kerne an der Membranbildung. Nackte Primordialzellen, wie z. B. zur Ruhe gelangte Schwärmsporen, umkleiden sich [861] ebenfalls ohne sichtliche Beteiligung des Kerns mit einer Haut.
Das Wachstum der Zellmembran in der Richtung der Fläche (Flächenwachstum) scheint vorwiegend
Fig. 19. Spirogyrazelle nach vollendeter Zellteilung. | |
durch Einlagerung neuer Cellulosemoleküle zwischen die schon vorhandenen (Intussuszeption) stattzufinden, während das Wachstum in der zur Zellhaut senkrechten Richtung häufig durch Anlagerung neuer Zellstoffschichten an die bereits gebildeten (Apposition) erfolgt, mitunter ist jedoch auch bei Dickenwachstum Intussuszeption anzunehmen.
Fig. 20. Freie Zellenbildung in Sporenschläuchen. | |
Die Vermehrung der Zellen (Zellbildung) kommt im Pflanzenreich in doppelter Weise zu stande, indem entweder die Haut der Mutterzelle auch auf die Tochterzellen übergeht und die zwischen letztern auftretenden Scheidewände mit jener zu einem Ganzen verschmelzen (Zellteilung), oder indem die neugebildeten Tochterzellen mit der Mutterzelle von Anfang an nicht im Gewebeverband stehen (freie Zellenbildung). Ersterer, bereits für Spirogyra (s. oben) geschilderter Vorgang kehrt bei allen vegetativen Zellen wieder und ist im Pflanzenreich daher der weitaus häufigste, während die freie Zellbildung auf die Fortpflanzungsorgane beschränkt erscheint. In typischer Form findet sie bei der Sporenbildung (Fig. 20) in den Schläuchen der Askomyceten statt, wobei sich Plasmamassen um die vorher durch Teilung entstandenen Kerne ansammeln, sich zu Primordialzellen abrunden und schließlich mit einer Cellulosehaut umkleiden; die auf diese Weise gebildeten Tochterzellen liegen frei im Inhalt der ursprünglichen Mutterzelle. Außerdem kommt Neuzellbildung auch durch Zellverjüngung und durch Zellverschmelzung (Zellfusion) zu stande; in ersterm Fall wie bei der Bildung der Schwärmsporen wird der gesamte Plasmakörper der Mutterzelle zur Bildung einer einzigen neuen Tochterzelle verwendet, während bei der Zellverschmelzung zwei oder mehrere Zellen zu einem Ganzen zusammentreten, wie dies bei der Bildung der Gefäße (s. d.) aus einer Reihe übereinander stehender Zellen, ferner bei Milchröhren (s. d.) und in vielen andern Fällen geschieht.
Die fortgesetzte Entstehung vegetativer Zellen durch Teilung schon vorhandener Mutterzellen führt zur Bildung von Zellverbänden, deren Elemente durch ein gemeinsames Wachstumsgesetz beherrscht werden. Im einfachsten Fall entstehen nur unter sich parallele und auf der Wachstumsrichtung der Mutterzelle senkrechte Teilungswände, wodurch ein einfacher Zellfaden, z. B. bei den Fadenalgen, hergestellt wird. Verlaufen die Scheidewände nicht mehr parallel zu einander, bleiben aber senkrecht zu einer und derselben Ebene, in welcher das vorwiegende Wachstum des Zellverbandes erfolgt, so entwickeln sich Zellflächen, wie in vielen Moosblättern; Zellkörper, z. B. in den Stamm- und Wurzelspitzen (Vegetationspunkten) aller höhern Gewächse, entstehen durch Bildung von Scheidewänden in allen möglichen Richtungen. Hierbei kann eine einzelne Z. (Scheitelzelle) in ausschließlicher Weise alle übrigen Zellen des Gewebeverbandes aus sich hervorgehen lassen, oder die Teilungen erfolgen in besondern Zellgruppen oder ganz regellos. Der Aufbau von Zellkörpern wird durch das Gesetz beherrscht, daß die neuauftretenden Teilungswände teils der Oberfläche des ganzen Zellkomplexes parallel laufen (Periklinen), teils auf derselben senkrecht stehen (Antiklinen). Ein in Teilung begriffener Zellverband wird als Bildungsgewebe (s. Meristem) im Gegensatz zu teilungsunfähigem Gewebe (Dauergewebe) bezeichnet. Nach der Form der Z. wurden die Zellgewebe besonders in der ältern Pflanzenanatomie betrachtet; man unterscheidet hiernach Gewebe mit wenig gestreckten, an den Enden flachen Elementen als Parenchym (Würfelgewebe) von Geweben, deren Zellen lang gestreckt und an den Enden mehr oder weniger zugespitzt sind (Prosenchym oder Fasergewebe). Besteht ein Gewebe aus fadenförmigen, miteinander verwebten und unabhängig voneinander wachsenden Zellen wie bei vielen Pilzen und Flechten, so wird es als Hyphengewebe (Filz-, Pilzgewebe) bezeichnet, das bei mehr rundlicher Gestalt der einzelnen Elemente in das sogen. Pseudoparenchym übergeht. Der Körper der höhern Pflanzen gliedert sich nach dem Zellenaufbau meist in drei Gewebesysteme, von welchen das an der Peripherie liegende als Hautgewebe von dem aus faserähnlichen Elementen gebildeten Stranggewebe, d. h. den Gefäßbündeln (s. d.), und dem parenchymatischen Grundgewebe der Rinde und des Marks unterschieden werden.
In physiologischer Beziehung ist die wichtigste Eigenschaft der Pflanzenzelle die Quellungsfähigkeit [862] ihrer Haut, durch welche die Micellen derselben (s. oben) ihre Wasserhüllen mit einer gewissen Kraft zu vergrößern bestrebt sind. Hierbei muß die Beweglichkeit derselben abnehmen und ihre durch äußern Druck bewirkte Bewegung in den Micellarzwischenräumen verlangsamt werden (Filtrationswiderstand). Tritt ein quellungsfähiger Körper, wie die Zellhaut, zwischen Lösungen von verschiedener Konzentration, so entstehen Bewegungen der Wasser- und Salzmoleküle (Osmose), die bei einer rings geschlossenen Z. mit fester Haut und osmotisch wirksamem Zellsaft eine Volumenzunahme der Z. und damit einen Druck auf die Membran (Zellturgor) herbeiführen. Im Gegensatz zu der leicht durchlässigen Zellhaut besitzt der Plasmakörper, welcher seinerseits mit einer sehr feinen äußern und innern Plasmahaut umkleidet ist, die Eigenschaft der Undurchlässigkeit (Impermeabilität) und läßt selbst Farbstoffe, welche er in getötetem Zustand in sich aufzuspeichern pflegt, in lebendem Zustand nicht oder nur in ganz verdünnter Lösung hindurch. Die Größe des Zellturgors entspricht dem Druck mehrerer, unter Umständen bis 20 Atmosphären. Durch Einlegen einer lebensthätigen Pflanzenzelle in die Lösung neutraler Alkalisalze von bestimmter Konzentration läßt sich der Zellturgor aufheben, wobei sich der Plasmakörper von der Zellmembran loslöst und sich unter Umständen zu einer vollkommenen Kugel abrundet (Plasmolyse).
Unter den mechanischen Eigenschaften der Zellhaut kommt besonders ihre Dehnbarkeit, Tragfähigkeit und absolute Festigkeit in Betracht, da nur vermöge derselben die aus Zellen aufgebauten Organe den von außen wirkenden Zug- und Druckkräften Widerstand zu leisten vermögen. Die Dehnbarkeit wird durch die größte Längenausdehnung gemessen, welcher die betreffende Membran kurz vor dem Zerreißen fähig ist; sie beträgt bei Bastzellen 1–1,5 Proz. der Gesamtlänge, bei Kollenchymzellen 1,5–2 Proz., bei den Markparenchymzellen dagegen 12–20 Proz., bei den Markstrangzellen von Usnea sogar mehr als 100 Proz. Der Tragmodul bezeichnet dasjenige in Kilogrammen ausgedrückte Gewicht, welches ein Gewebestreifen von 1 qmm Querschnitt auszuhalten im stande ist, bevor er die Elastizitätsgrenze erreicht, d. h. eine dauernde Verlängerung erfährt. Nach Versuchen von Schwendener kommt die Tragfähigkeit der Bastzellen (15–20 kg) der des Schmiedeeisens ungefähr gleich, die Kollenchymzellen haben dagegen einen sehr viel kleinern Tragmodul. Die absolute Festigkeit, welche durch das zum Zerreißen eines Gewebestreifens von 1 qmm Querschnitt erforderliche Gewicht gemessen wird, ist bei den Bastzellen um die Hälfte geringer als bei den Metallen. Durch diese mechanischen Eigenschaften wird im Verein mit bestimmten Bauprinzipien in der Anordnung der mechanisch bedeutsamen Gewebe, d. h. des Bastes, des Kollenchyms und des Libriforms, welche zusammen als Stereom oder Hartgewebe im Gegensatz zu dem Füllgewebe oder Mestom bezeichnet werden, die Festigkeit der Pflanzenorgane ähnlich wie durch das Skelett im Tierkörper bedingt. Im allgemeinen werden bei Organen, die vorzugsweise Zugkräften ausgesetzt sind, wie Wurzeln, flutende Stengel, herabhängende Fruchtstiele u. a., die Festigungselemente nach der Mitte des Organs zusammengedrängt, während letztere bei Organen, die, wie die Pflanzenstengel und -Stämme, Druckkräften Widerstand zu leisten haben, auf die Peripherie verlegt werden müssen.
Noch weit verwickeltere Vorgänge als in der Zellhaut spielen sich im Plasmakörper der Z. ab, so daß eine befriedigende mechanische Erklärung zur Zeit unmöglich erscheint. Da das Plasma bei allen Lebensvorgängen der Pflanze, so vorzugsweise bei den Reizbewegungen (s. Pflanzenbewegungen), bei der Ernährung und dem Wachstum sowie der Fortpflanzung, das eigentliche Agens darstellt, so müssen in erster Linie alle diese Vorgänge auf Lagenveränderungen und chemische Spaltungen der Plasmamoleküle zurückgeführt werden. Sichtbare Bewegungen des Plasmas kommen in vielen Fällen vor, und man unterscheidet hierbei: 1) die Schwärmbewegung der frei lebenden Zellen mit den Schwärmsporen und Spermatozoen mit Hilfe feiner Wimpern; 2) die Amöbenbewegung nackter Plasmakörper wie der Myxomyceten, deren Plasmodien nach gewissen veränderlichen Richtungen Fortsätze aussenden, in welche die übrige Masse einströmt; 3) die Strömung oder Zirkulation des Plasmas in vielen Zellen, wie von Chara, Nitella, in Haaren von Land- und Wasserpflanzen.
Fig. 21. Strömung des Protoplasmas. | |
Sie zeigt sich am deutlichsten, wenn ein Saftraum im Plasma vorhanden ist, der von einzelnen Plasmafäden durchzogen wird (Fig. 21). Man beobachtet dabei eine an den kleinen Körnchen innerhalb des Plasmas deutlich wahrnehmbare Strömung sowohl in den Plasmafäden als in dem wandständigen Plasmaschlauch, deren Bahn netzartig nach verschiedener Richtung sich teilt. In Zellen mit einem nur wandständigen Plasmaschlauch ohne verbindende Fäden kreist das Plasma bisweilen in einer einzigen geschlossenen Bahn in der Z. herum (Rotation des Plasmas). Die Bewegung wird durch mechanische und chemische Einwirkungen gehemmt und ist von der Temperatur sehr bemerklich abhängig. Auch die Bewegungen der Chlorophyllkörper bei verschiedener Einwirkung des Lichts (s. Chlorophyll) beruhen wie das Leben der Z. überhaupt auf Lagenveränderung der Plasmamoleküle.
Daß alle Organismen aus Zellen und ihren Abscheidungen zusammengesetzt seien, ist erst am Ende der 30er Jahre dieses Jahrhunderts durch Schleiden für die Pflanzen, durch Schwann für die Tiere festgestellt worden. Doch legte man in der ersten Zeit namentlich seitens der Botaniker das Hauptgewicht auf die Zellwandung, während man seit Max Schultze (1861) das Plasma als das allein Wesentliche erkannt hat. Vgl. Schleiden, Grundzüge der Botanik (1. Aufl., Leipz. 1842, und in „Müllers Archiv“ von 1838); Schwann, Mikroskopische Untersuchungen über die Übereinstimmung in der Struktur und dem Wachstum der Tiere und Pflanzen (Berl. 1839); Schultze, Über Muskelkörperchen und das, was man eine Z. zu nennen habe (das. 1861); Kühne, Untersuchungen über das Protoplasma und die Kontraktilität (Leipz. 1864); v. Mohl, Grundzüge der Anatomie und Physiologie der vegetabilischen Z. (Braunschw. 1851); Hofmeister, Lehre von der Pflanzenzelle (Leipz. 1867); Strasburger, Zellbildung und Zellteilung (3. Aufl., Jena 1880); Schmitz, Struktur des Protoplasmas und der Zellkerne der Pflanzenzellen (Bonn 1880); Leydig, Z. und Gewebe (das. 1885); Wiesner, Untersuchungen über die Organisation der vegetabilischen Zellhaut (Wien 1886); [863] Zimmermann, Morphologie und Physiologie der Pflanzenzelle (Bresl. 1887).
Zelle, Stadt, s. Celle.
[999] Zelle. Die Kenntnis von den Lebenserscheinungen der Z. hat neuerdings sehr wesentliche Fortschritte gemacht. Als eine Errungenschaft von hervorragendem Interesse sind die Resultate über die an den Zellen sich abspielenden Bewegungsvorgänge und, im Zusammenhang hiermit, die Aufschlüsse über die Struktur des Protoplasmas anzuführen. Hauptsächlich an einzeln lebenden nackten Zellen, also in erster Linie bei den Protozoen nimmt man solche Bewegungen wahr, die sich hier im einfachsten Fall als ein Fortfließen der ganzen Zellenmasse auf irgend einer festen Unterlage darstellen oder in einem fortwährenden Gestaltenwechsel bestehen, derart, daß an beliebiger Stelle der Zellenleib einen Fortsatz aussendet, der sich in der wechselndsten Weise vergrößern und verzweigen kann, bis ein andrer an seine Stelle tritt. Weniger leicht sichtbar als diese sogen. amöboide Bewegung gewisser isoliert lebender Zellenarten, welche sowohl zur Ortsveränderung als auch zur Nahrungsaufnahme dient, sind die hier langsamern, dort raschern Strömungen und Schiebungen, welche sich auch in äußerlich fest umgrenzten Zellen im Innern des Plasmas fortwährend abspielen. Bisher schien keine Möglichkeit zu bestehen, diese Bewegungsvorgänge auf physikalische Gesetze zurückzuführen; vielmehr glaubte man dieselben als eine spezifische Qualität der organisierten, lebenden Materie ansprechen zu müssen. Erst die neuesten Forschungen, besonders von Bütschli, haben diese Meinung als irrtümlich nachgewiesen. Es gelang nämlich, ähnliche Bewegungen an nicht organisierten, künstlich erzeugten Körpern hervorzubringen. Um solche Gebilde herstellen zu können, war aber wiederum eine genaue Kenntnis der Struktur des Protoplasmas Voraussetzung. Während man dieses früher für eine ganz homogene Substanz gehalten hatte, ließen die verbesserten Mikroskope daran eine Zusammensetzung aus zweierlei Bestandteilen erkennen, deren gegenseitige Anordnung am besten durch den Vergleich mit einem Seifenschaum anschaulich gemacht werden kann. Der eine, zähere Bestandteil des Protoplasmas entspricht dem von der Seifenflüssigkeit geformten Wabengerüst, der andre, flüssigere der in dem Seifenschaum eingeschlossenen Luft. Die Versuche, protoplasmaartige Bewegungen experimentell zu erzeugen, mußten also zunächst dahin zielen, Schaumkörper von der Konsistenz und der außerordentlichen Feinheit des Protoplasmas herzustellen. Und dies gelang in der That. Wenn man Tröpfchen von Olivenöl, welches schwach seifenhaltig ist, in Wasser bringt, so zieht die Seife Wasser an, und die dadurch entstehende wässerige Seifenlösung scheidet sich im Innern des Öltropfens in Gestalt äußerst kleiner Tröpfchen aus, welche der flüssigen Substanz des Protoplasmas entsprechen, während die zwischen den Tröpfchen übrigbleibenden Ölwände dem dichtern Plasmabestandteil zu vergleichen sind. Bringt man solche Ölschaumtropfen in geeigneter Weise in verdünntes Glycerin, so zeigt sich unter dem Mikroskop die merkwürdige Erscheinung, daß sie hier ganz nach Art lebender Zellen zu strömen beginnen, wobei sich noch die weitere Übereinstimmung ergibt, daß Wärme die Schnelligkeit der Strömung hier wie dort erheblich steigert. Man glaubt, diese Bewegungserscheinungen in der Weise erklären zu können, daß an irgend einer Stelle des Ölschaumtropfens einige der minutiösen Schaumwaben platzen, und daß nun durch den hier erfolgenden Austritt von Seifenlösung die Oberflächenspannung an dieser Stelle herabgesetzt wird, was ein Hervorwölben derselben zur Folge haben muß. Dadurch muß ein Zufluß von Schaummasse zu dieser Stelle der Oberfläche hervorgerufen werden, und dieser wird wieder zum Platzen einiger Waben Veranlassung geben, wodurch ein kontinuierliches Fortströmen in der gleichen Richtung hervorgerufen wird. Ob nun diese Erklärung auch auf die Strömungserscheinungen der Zellen vollkommen anwendbar ist, mag einstweilen dahingestellt bleiben: sicher ist wenigstens dies, daß die Mechanik der cellularen Bewegungen nicht mehr als etwas der lebenden Materie Spezifisches angesehen werden darf, sondern daß auch diese bisher so rätselhaften Strömungen auf rein physikalischem Wege erklärt werden müssen.
Von noch größerer Bedeutung und Tragweite sind die Errungenschaften, welche auf dem Gebiete der Zellteilung, speziell der Teilung des Zellkerns in den letzten Jahren gewonnen worden sind. Nicht genug damit, daß die in Rede stehenden Vorgänge von allen Lebensäußerungen der Z. weitaus am genauesten erforscht worden sind und somit in das Getriebe der cellularen Lebensvorgänge den klarsten Einblick gewähren, bilden dieselben auch die Grundlage für die Aufhellung eines der dunkelsten und rätselhaftesten Probleme: des Vererbungsproblems. Bei der Betrachtung der Teilungserscheinungen geht man am zweckmäßigsten von dem Zellkern aus, von dessen Substanzen hierbei lediglich das sogen. Chromatin in Betracht kommt. Obgleich nicht die einzige Kernsubstanz, ist das Chromatin doch diejenige, welche in allen Kernen in gleicher Weise angetroffen wird, und vor allem diejenige, deren Schicksale durch alle Phasen des Zellenlebens genau verfolgt werden konnten. Der Name Chromatin stammt von dem spezifischen Verhalten dieser Substanz zu gewissen Farbstoffen. Bringt man nämlich eine Z., nachdem dieselbe in bestimmter Weise abgetötet und konserviert worden ist, auf einige Zeit in die Farbflüssigkeit, z. B. in eine Karminlösung, und darauf in eine farblose, das Karmin lösende Flüssigkeit, so wird der Farbstoff aus allen Teilen der Z. vollkommen ausgezogen, und nur der als Chromatin bezeichnete Kernbestandteil hält denselben fest und sticht nun in roter Farbe von dem farblosen Zellkörper aufs deutlichste ab. Um die Schicksale dieser Substanz [1000] kennen zu lernen, geht man am einfachsten von dem Zustand einer soeben erst durch Teilung entstandenen Z. aus. In einer solchen (Fig. 1) ist das Chromatin nicht in einem „Kern“ vereinigt (wir können von einem solchen auf diesem Stadium, streng genommen, überhaupt nicht sprechen), sondern man findet an dessen Stelle eine Anzahl voneinander getrennter kompakter Chromatinkörper, welche in der
Fig. 1. | |
Zelle mit vier Chromosomen und Centrosoma. | |
Regel die Form von Stäbchen oder Fädchen besitzen und den Namen Chromosomen führen. Figur 1 zeigt deren 4 in Form kurzer, hakenartig gekrümmter Fädchen. Um diese Chromosomen bildet sich nun der Kern in der Weise, daß sich ein Hof von Zellsaft im Umkreis derselben ansammelt, gegen den sich das umliegende Protoplasma durch eine Membran (Kernmembran) abgrenzt (Fig. 2). Das auf diese Weise entstandene Bläschen mit seinem Inhalt ist der Kern. In diesem Kernbläschen vollzieht sich nun, und zwar offenbar als aktiver Vorgang,
Fig. 2. | |
Zelle mit Kern. | |
eine beträchtliche Gestaltveränderung der Chromosomen. Dieselben senden (Fig. 2) zarte Fortsätze aus, die sich unter fortwährender Verästelung und Anastomosenbildung immer mehr ausdehnen, bis schließlich das ganze, anfangs kompakte Fädchen in ein feines Gerüstwerk übergegangen ist, das sich mit den in gleicher Weise metamorphosierten übrigen Chromosomen derart verfilzt, daß in diesem sogen. chromatischen Kerngerüst (Fig. 3) der Anteil der einzelnen in seine Bildung eingegangenen Chromosomen
Fig. 3. | |
Chromatisches Kerngerüst. | |
nicht mehr nachgewiesen werden kann, obgleich durch Vergleichung mit spätern Studien mit fast völliger Sicherheit hat bewiesen werden können, daß auch in diesem schwammförmigen Zustand jedes Chromosoma seine individuelle Selbständigkeit bewahrt. Der hiermit erreichte Zustand des Kerns bleibt nun unverändert bestehen, solange sich die Z. als solche erhält; er ist der gewöhnliche, der sogen. Ruhezustand des Kernes. Erst wenn sich die Z. anschickt, durch Teilung in zwei Tochterzellen zu zerfallen und es sich also darum handelt, aus dem einen Kern zwei Tochterzellen zu bilden, beginnt der Kern sich wieder zu verändern. Wie vorher jedes Chromosoma sich schwammförmig aufgebläht hat, so zieht es sich jetzt wieder zu einem kompakten Fädchen zusammen (Fig. 4 u. 5), die Kernmembran löst sich auf, der Kernsaft mischt sich mit dem umgebenden Protoplasma, und so findet man schließlich, wie in der neugebildeten Z., vier direkt ins Protoplasma eingelagerte Chromosomen, nur mit dem Unterschied, daß dieselben während ihres gerüstförmigen Zustandes etwa auf das doppelte Volumen herangewachsen sind. Der Vorgang nun, der zur Bildung der beiden Tochterkerne führt, ist ein höchst eigentümlicher. Er besteht im wesentlichen darin, daß sich jedes
Fig. 4. | Fig. 5. |
Zusammenziehung der Chromosomen und Teilung des Centrosomas. |
Chromosoma mit sozusagen mathematischer Genauigkeit der Länge nach in 2 Hälften (Tochterchromosomen) spaltet, von denen die eine der einen zu bildenden Tochterzelle zu teil wird, während die andre in die andre Tochterzelle übergeführt wird (Fig. 6–9). Um diese Verteilung durchzuführen (welcher Prozeß mit dem Namen Karyokinese bezeichnet wird), tritt ein Apparat ins Dasein, dessen Grundlage schon in Fig. 1 zu sehen ist. Man erkennt in dieser neugebildeten Z. neben den Chromosomen ein kleines, stark lichtbrechendes Körperchen, das sogen. Zentralkörperchen der Z. oder Centrosoma, umgeben von einem Hof dichten, körnigen Protoplasmas, das man Archoplasma nennt. Das Centrosoma erhält sich während der ganzen Dauer des Bestehens der Z. als ein außerhalb des Kernes gelegenes selbständiges Zellorgan unverändert bis zur Teilung, wo es zu einer höchst wichtigen Rolle berufen ist. Die erste Vorbereitung zur Zellteilung besteht nämlich darin, daß sich, noch ehe im Kern die Umwandlung des Gerüstes in kompakte Fädchen zu stande gekommen
Fig. 6. | |
Fadenbildung aus dem Archoplasma. | |
ist, das bisher einfache Centrosoma in zwei solche Körperchen teilt (Fig. 4). Diese „Tochtercentrosomen“ rücken allmählich auseinander und erweisen sich dabei als Attraktionscentren für das sie umgebende körnige Archoplasma, indem diese zunächst kugelige Masse, der Entfernung der beiden Körperchen entsprechend, sich allmählich in gleicher Richtung streckt, sich dann hantelförmig einschnürt und schließlich, bei genügender Entfernung der beiden Zentralkörperchen, sich in zwei Kugeln spaltet (Fig. 4 u. 5). Während dieses Vorganges vollzieht sich die oben beschriebene Umwandlung des chromatischen Gerüstes und die Auflösung der Kernmembran, und die beiden unabhängig voneinander ablaufenden Prozesse treten jetzt in Beziehung zu einander. Zunächst geht mit den beiden Archoplasmakugeln eine auffallende Veränderung vor. Die Körnchen, [1001] aus denen dieselben bestehen, ordnen sich zu Reihen, welche radial von dem Centrosoma ausstrahlen, und diese Körnchenreihen wandeln sich unter allmählicher Verlängerung in homogene feinste Fädchen um, welche die Zellsubstanz nach allen Richtungen durchsetzen (Fig. 6). Einige derselben treffen auf die Chromosomen, um sich hier festzuheften, was in der Weise geschieht, daß die Fädchen des einen Strahlensystems sich ausschließlich an die eine Langseite des in Spaltung begriffenen Chromatinkörpers ansetzen, die des andern an die andre Seite. Dabei zeigt nun jedes Archoplasmasystem das Bestreben, die einzelnen Chromosomen durch Verkürzung seiner Fibrillen möglichst nahe an sich heranzuziehen, und indem dieser Zug von beiden Systemen in gleicher
Fig. 7. | |
Karyokinetische Figur. | |
Stärke ausgeübt wird, werden die Chromosomen möglichst in der Mitte zwischen den beiden Centrosomen zusammengeführt. So entsteht eine äußerst regelmäßige Figur (Fig. 7), die speziell mit dem Namen karyokinetische Figur oder Kernspindel bezeichnet wird; die beiden Centrosomen sind die Spindelpole, umgeben von den Polradien, in der Mitte zwischen beiden Polen liegt die chromatische Äquatorialplatte; die eine Spaltungshälfte eines jeden Chromosoma ist dem einen, die andre dem andern Pol zugekehrt und mit demselben durch eine Anzahl von Fädchen (Spindelfasern) in Verbindung. Mit diesem Stadium sind die langwierigen Vorbereitungen zur Teilung beendigt, und
Fig. 8. | Fig. 9. |
Teilung der Zelle. |
nun erfolgt dieselbe mit großer Raschheit als ein sehr einfacher Vorgang. Die lange vorbereitete Spaltung der Chromosomen kommt jetzt endlich zum Vollzug, die beiden Hälften (Tochterchromosomen) lösen sich vollkommen voneinander, und nun weichen die beiden Centrosomen nach entgegengesetzter Richtung auseinander, jedes die mit ihm verbundenen Tochterchromosomen mit sich führend (Fig. 8). Gleichzeitig streckt sich der Zellkörper in die Länge, schnürt sich in der Mitte zwischen den beiden Zentralkörperchen ringförmig ein und schließlich vollkommen durch. Damit sind die beiden Tochterzellen gebildet, deren jede ein Centrosoma mit dem zugehörigen Archoplasmasystem und von jedem Chromosoma der Mutterzelle die eine Hälfte besitzt. Und wenn sich nun die Spindelfasern von den Chromosomen wieder abgelöst haben und alle Radien wieder in den körnigen Zustand übergegangen sind (Fig. 9), ist der Ausgangspunkt wieder erreicht, der Kreislauf ist vollendet. Aus dem geschilderten Verlauf ergibt sich ohne weiteres, daß jede Tochterzelle ebenso viele Chromosomen enthält, wie in der Mutterzelle vorhanden waren; es ist ja jedes dieser Körperchen ein Abkömmling eines bestimmten Chromosoma der Mutterzelle; und so erbt sich die einmal gegebene Zahl von einer Zellengeneration auf die nächste fort. Die Zahl vier, die in den Abbildungen gezeichnet ist, kommt bei manchen Würmern wirklich vor; bei den, meisten Organismen aber finden sich größere Zahlen, bei gewissen Wirbeltieren 24, beim Flußkrebs (Astacus fluviatilis) über 200. Von den Folgerungen, welche aus den mitgeteilten Untersuchungen gezogen werden können, ist die wichtigste die, daß dem Kern die Bedeutung eines Teilungsorgans, also eines Fortpflanzungsorgans der Z., als welches derselbe früher vielfach in Anspruch genommen wurde, nicht mehr zuerkannt werden kann. Diese Rolle muß vielmehr auf das Centrosoma übertragen werden, welches ja in der That durch seine Teilung in der noch einfachen Z. zuerst zwei neue Mittelpunkte herstellt, um deren jeden sich die Hälfte der Kernbestandteile und des Protoplasmas gruppiert. Über die Bedeutung des Kernes, bez. der Chromosomen s. Erblichkeit. Vgl. Flemming, Zellsubstanz, Kern und Zellteilung (Leipz. 1882); Heuser, Beobachtungen über Zellkernteilung („Botan. Zentralblatt“ 1884); E. van Beneden, Recherches sur la maturation de l’œuf, la fécondation et la division cellulaire (Gent 1883); O. und R. Hertwig, Untersuchungen zur Morphologie und Physiologie der tierischen Z. (Jena 1884 bis 1890); Boveri, Zellenstudien (das. 1887–90).