Med. Topographie Gmuend:058

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Franz Joseph Werfer
Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd
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des Sinnlichen im Menschen. Auch das jetzt mehr als sonst bekannte Leib und Seele verderbende Laster der Selbstbefleckung[1] schleicht unter unsrer Jugend im Verborgenen, entnervet und bleichet manchen gesunden Jüngling, und raubt ihm frühe die Hoffnung zu einem künftigen frohen Leben, statt dessen Trübsinn und späte Reue seine Tage lästig und oft verwünschend machen. Ich könnte manche mir als Arzt vorkommene Beyspiele als Belege anführen, wo mir solche Unglückliche in ihrem schon vorgerückten Alter die daher rührende krankhafte Zerrüttungen ihres Körpers mit Reue klagten, nicht selten zu spät die nöthige Hülfe suchten, und ohne Rettung als Opfer ihrer groben Jugendfehler verwelkt und abgezehrt ins frühe Grab sanken; denn nicht immer kommen diese Fehlende frühe genug entweder durch die Scharfsicht gutmeinender Rathgeber, oder durch eigenen Schaden zur Erkenntniß und nöthigen Besserung ihres Fehlers. Nie können daher Eltern wachsam genug seyn auf ihre Kinder, um dieses verderbliche Laster unter ihnen nicht einschleichen zu lassen, oder dasselbe im wirklichen Fall frühe genug zu entdecken und mit Ernst und Klugheit auszureuten; und da gewöhnlich dasselbe so gerne in die öffentliche Schulen einschleicht, und daselbst sich schnell verbreitet, so sollen Lehrer ohne Unterlaß ein wachsames Auge auf ihre Untergebene heften; in der Schule müssen Tische und Bänke den Augen der Lehrer nicht verbergen können; aus der Schule sollen sie ihre Schüler soweit als möglich ist begleiten, um von ihrer Trennung gewiß zu seyn. Aber am allernöthigsten ist es, daß wenn einem an einem Knaben der Hang zu diesem

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Laster entdeckt worden ist, man solchen von aller Gesellschaft der Kinder, es sey denn unter der genauesten Aufsicht, auf immer zu entfernen suche; indem nur allzugewiß ist, daß man von dergleichen Unglücklichen selten eine dauerhafte Besserung zu hoffen habe, und daß ein einziger solcher ausgeartete Knabe viele andere noch unschuldige gar bald durch sein lockendes und bößes Beyspiel anstecken könne.

Die Periode der Mannbarkeit fällt bey unsern Knaben gewöhnlich zwischen das 17 und 19te, bey den Mädchen ins 14 bis 15te Lebensjahr; indessen ist ein früheres oder späteres Reifen nichts seltenes, und oft kommt bey Mädchen die monatliche Blüthe schon im 13ten, manchmal aber auch erst im 17 und 19ten Jahr zum Vorschein, in welchem letztern Falle dieselben dann meistens kränkeln und an der Bleichsucht leiden. Die Mädchen heurathen oft schon frühzeitig, doch selten vor dem 18ten Jahre, und bleiben als Weiber gewöhnlich bis ins 45 auch 48te, selten später fruchtbar, wenn nicht Kränklichkeit oder individuelle Körpersbeschaffenheit, und besonders der jetzt so frequente oft schon bey Mädchen vorkommende weiße Fluß der Fruchtbarkeit im Wege stehen.

Die Einwohnerzahl in der Stadt und unmittelbar um dieselbe beläuft sich gegenwärtig, ohne die Fremden und die in Friedenszeiten gewöhnlich hier liegende Garnison, auf 5,300 Menschen, welche sich sämmtlich zur katholischen Kirche bekennen, mit Ausnahme der sich jetzt auf 311 belaufenden Protestanten, welche sich erst seit der jüngsten Staatsveränderung von 1803 nach und nach größtentheils bürgerlich hier niedergelassen haben, und ihre eigne Kirche, ihren


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