Med. Topographie Gmuend:078

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Franz Joseph Werfer
Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd
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der bessern Einsicht und Kenntniß der Wahrheit das Beyspiel der verständigern Freunde der guten Sache, und die Summe der vielen unläugbaren und unwidersprechlichen Thatsachen wohl das meiste und beste wirken und wirken müßen, wodurch denn am Ende das Gute und allgemein Nützliche der Sache doch unmerklich die Oberhand gewinnen wird.

Das weibliche Geschlecht wird im Ganzen häufiger von Krankheiten befallen, als das männliche, welches erstere seines ohnehin mehr reizbaren und schwächern Körperbaues wegen von jeder einwirkenden Schädlichkeit leichter und stärker affizirt wird. Familienkrankheiten sieht man außer der Epilepsie, jedoch auch diese höchst selten, keine vorkommen; denn die ererbte Krankheitsanlagen, die nur bey gegebenen Anlaß zum wirklichen Ausbruch kommen, können nicht unter diese Klasse gerechnet werden: wohl aber mögen die häufigen Strumen in vielen Familien zum Theil als solche zu erkennen seyn. In den akuten Krankheiten erhohlen sich unsre Kranken gewöhnlich bald, und Rezidive sind an sich nicht häufig, wenn nicht Nachläßigkeit und grobe Diätfehler dieselbe geradezu verursachen; und bey frühzeitig gebrauchter ärztlicher Hülfe und genauer Beobachtung der diätischen Vorschriften sind diese Krankheiten im Durchschnitt bald und auch größtentheils leicht heilbar.

Krippel mancherley Art, besonders verwachsene, mit verkürzten und verkrümmten Gliedmaßen von Gichtern meistens, und durch vernachläßigte Pflege und Wartung im Kindesalter herrührend, giebt es nicht wenige in der Stadt und Gegend; und später entstandene Verunstaltungen des Körpers durch mancherley

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Unglücksfälle noch mehrere; so wie auch unheilbare Krankheiten, als inveterirte Lues, Lähmungen von erlittenen Schlagflüssen, Verhärtungen und Vereiterungen innerer Organe, besonders der Lungen, Leber und Nieren nicht selten sind. Blinde und Taubstumme, letztere als solche gebohren, finden sich mehrere bey uns, und wir zählen wirklich fünf Taubstumme in der Stadt; nur bey einem derselben wollen die Aeltern glauben und angeben, daß das Kind erst nach überstandener Vaccination taubstumm geworden sey, indem dasselbe vorher gehört und auch einige vernehmliche Worte soll ausgesprochen haben.

Welche Krankheiten unter den Einwohnern unsrer Stadt und zum Theil auch der Gegend von jeher am meisten und gewöhnlichsten geherrscht haben, dieses läßt sich nur überhaupt aus der Lebensweise der Einwohner, aus der klimatischen Lage und physischen Beschaffenheit der Gegend, so wie zum Theil aus dem gegenwärtigen Stand der vorkommenden Krankheiten schließen und vermuthen. Da, wie aus mündlicher Ueberlieferung hiesiger Einwohner von jeher, wie größtentheils noch, nicht die frugalste war; da die grössere Zahl derselben von frühesten Zeiten an aus Manufakturisten bestand, welche in Metall arbeiten, und deren Arbeit theils eine meistens sitzende Lebensart erfordert, theils mit andern der Gesundheit nachtheiligen Umständen, als dem unvermeidlichen Eindringen der Quecksilberdünste durch den Mund und die Haut beym Schmelzen und Vergolden, dem vielen Stehen vor starker Feuerhitze in der Esse u. dergl. verbunden ist: so läßt sich nicht wohl