Zum Inhalt springen

Med. Topographie Gmuend:084

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Franz Joseph Werfer
Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd
« Zurück Vorwärts »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


[160]

auf; endlich beugte sie denselben so sehr gegen die Brust zu, daß sie beynahe mit dem Hinternhaupt auf dem Boden aufstieß; und alle diese Bewegungen im Knien mußte sie viermal auf gleicher Weise, allzeit auf die entgegengesetzte Seite gekehrt, wiederholt machen. Nun kam nach einigen Tagen zu diesen allen noch die neue beschwerliche und sie etwas genirende Erscheinung, daß sie sich mit ausgestreckten Händen und Füßen rücklings auf den Boden legen mußte, wobey sie den Kopf unter verschiedenen Wendungen und Drehungen mehrmals auf die Erde schlug, was auf gleiche Weise abermal nach allen vier Seiten des Zimmers gekehrt wiederholt werden mußte; endlich, als dieses geendiget war, kroch sie noch einigemal unter dem Ofen durch, erhob sich dann vom Boden, machte noch einige Gestikulationen mit den Händen, und sprang hierauf mit beyden Füßen zugleich in das Bett, wo sie stehend die anfängliche Bewegungen wiederholte, nach deren Beendigungen wiederholte, nach deren Beeindigung sie sich auf dasselbe niederließ, und nun sitzend sie schon bemeldte Wendungen und Bewegungen mit dem Kopf, den Händen und Füßen fortsetzte, die nur wenige Augenblicke im Tag hindurch schwächer und minder angreifend waren, und was ihr schon Ruhe war. Während diesen mancherley wirklich künstlichen, Gestikulationen durfte man sie nie berühren, oder gar fest halten, in der wohlmeinenden Absicht ihr etwa dieselben zu erleichtern, oder sie vor einem befürchtenden Fall schützen, ja nicht einmal ähnliche Bewegungen mit einigem Geräusch durfte man unter ihren Augen nachmachen, ohne daß sie sogleich eine beängstigende Beklemmung auf der Brust

[161]

fühlte, und mit vielmehr Mühe arbeiten mußte, was ihr außerdem wenig Anstrengung kostete, keine Schmerzen, höchstens einen gelinden etwas übel riechenden Schweis, und sogar am Abend nach geendigten Geschäft nur eine unbedeutende Müdigkeit verursachte. Uebrigens hatte sie bey ihrer ganzen Tagesarbeit ihre volle Besinnungs- und Verstandeskraft, antwortete auf jede an sie gethanene Frage richtig, wenn sie nicht gerade durch das starke und oft kehrende Gähnen, womit gewöhnlich früh Morgens die Scene begann, und spät am Abend wieder sich schloß, unterbrochen wurde; nur ein öfters, nicht selten länger anhaltendes Ohrenklingen erschwerte ihr etwas das Gehör, und in den Augen fühlte sie manchmal ein leichtes Brennen, außerdem waren alle natürliche Verrichtungen bisher in Ordnung, und ihre Menses die ganze Krankheit hindurch regelmäßig. So dauerte die Krankheit vom 1. bis 28. Febr. während welcher Zeit sie als Arzney eine Solution des flüchtigen Alkali in steigender Dosis nahm, da bekanntermaßen die Alkalien in jenen Zuständen, wo ein willkührliches Bewegungsorgan zum unwillkührlichen herabgesetzt wird, als die geeignetesten Heilmittel indizirt sind; auf den Kopf wurden, nachdem dessen Haare abgeschoren, feuchtwarme aromatische Ueberschläge applizirt, und warme Bäder abwechselnd mit darinn aufgelösten Lap. caustic. und wieder andere mit aromatischen Kräutern wurden fast täglich gebraucht. Von nun an stellte sich etwas mehr Ruhe ein, und die Aktionen, welche sie jetzt nur im Bett sitzend machte, wurden immer schwächer; nur den Kopf warf sie noch von Zeit zu Zeit heftig vor- und rückwärts,