Meeresbucht an der Riviera

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Wold. Kaden
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Meeresbucht an der Riviera
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 46, S. 785, 778
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[785]

Meeresbucht an der Riviera di Levante.
Nach dem Gemälde von G. Schönleber.

[788] Meeresbucht an der Riviera. (Zu dem Bilde S. 785.) Der von Norden, etwa über Turin oder Mailand kommende Reisende, der in den italienischen Süden hineinstrebt und voller Ungeduld ist, an das ersehnte blaue Meer zu kommen, wohl wissend, daß die Bahn, zunächst von Genua bis Pisa, dicht an der Küste dahingleitet, erfährt zunächst eine unangenehme Enttäuschung. Wohl heißt der vielgepriesene Küstenstrich Riviera di Levante und soll eine Menge der köstlichsten Perlen landschaftlicher Schönheit aufweisen, wie die eines europäischen Rufes genießenden Ortschaften Recco, Camogli, Santa Margherita, Rapallo, Sestri Levante und, allen voran, Nervi – aber insgesamt, erbarmungslos, werden sie für unsere Blicke verschlungen von den Ungeheuern, die ihre schwarzen Rachen schnappend öffnen, kaum daß der Reisende sich hier an einer Pinie, einem Landhaus, dort an einem Stück blauen Meeres im Sonnenstrahl erfreut hat: das sind die zahllosen abscheulichen Tunnels, an denen diese unglücklichste aller Bahnbauten krankt. Oeffnet nach Stunden der Qual der halberstickte, kohlengeschwärzte Reisende die Augen, so empfängt ihn flaches einförmiges Land.

Wer aber im Segelboot dahingleitet, wer von Genua her zu Fuß wandert, der bekommt des Herrlichen genug zu schauen. Oben an den Hängen und Hügeln hat der Gärtner Mensch seine Reben in den Boden gesenkt, seine Oelbäume und Rosen gepflanzt und mitten hinein seine schmucken Landhäuser gesetzt; drunten, um die Klippen und Felswände her, hat der urgewaltige Architekt Neptun Buchten gehöhlt, Grotten gebrochen und Höhlen gemeißelt zu Stallungen für seine brausenden weißmähnigen Rosse, zu Tanzsälen für die Nixen und silberglänzenden Hallen der mit goldenem Schmuck an goldenen Spindeln beschäftigten Nereïden und zu

 „Brautkammern der Meeressirenen,
Wo leiskichernd die Flut im Phosphor wallet, und heimlich
Webt die narkotische Luft ein azurnes verliebtes Gedämmer.“

Hunderte solcher Grotten hat der nie ruhende Werkmeister an dieser felsigen Küste gegraben und hundert neue werden entstehen. Das Werk der Menschen ist aber auch ihnen nahe getreten, und die schweigsamen Nereïden haben oft ihre Wohnung wechseln müssen, wenn ihr Reich vom Lande her mit Schaufeln und Hacke angefeindet ward, wo es galt, Küstenstraßen zu bauen und Strandpromenaden für die modernen Menschen zu schaffen.

Auch bei Nervi, wo das Meer jahrhundertelang an der kleinen Bucht gearbeitet hatte, hat die wegeebnende Menschenhand manche einsame schöne Strandpartie zerstört. Doch ist des Schönen noch so viel übrig geblieben, daß der fremde Wanderer aus dem fernen Norden sich mitten in die farbige Märchenpracht des Südens versetzt fühlt, wenn er auf diesen wogenumatmeten Klippen lagert, hinter sich und bis hoch hinauf die Gärten mit den sonnenüberglänzten Feigenbäumen, Orangen, Citronen und Pinien, den Oliven, Weinreben und den ernsten dunklen Cypressen, vor sich die an den Klippen hinrauschende Flut, deren belebender Algenduft sich mischt mit dem Balsamhauche der Nadelhölzer! Wold. Kaden.