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Meerestiefen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: K.
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Titel: Meerestiefen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 836
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[836] Meerestiefen. Der Ocean, welcher fast dreiviertel der ganzen Erdoberfläche bedeckt, ist bezüglich seiner Tiefenverhältnisse und der Beschaffenheit seines Bodens erst in neuester Zeit, etwa von der Mitte dieses Jahrhunderts ab, genauer bekannt geworden. In den letzten Jahren haben die Engländer und Amerikaner sehr erfolgreiche Nachforschungen über die Tiefe des Meeres an verschiedenen Orten angestellt und besonders im Großen Ocean ungeheure Abgründe entdeckt. Noch vor vierzig Jahren hatte man dort die größte Tiefe der See zu 3100 m angenommen, während man heute weiß, daß es dort Tiefen giebt, die mehr als dreimal größer sind. Oestlich von den japanischen Inseln, bis zu den Alëuten, findet sich auf einer Fläche von mindestens 50000 Quadratmeilen eine ungeheure Einsenkung des Seebodens, die tiefer als 6000 m unter der Meeresoberfläche liegt. Die größte dort bis jetzt bekannte Tiefe wurde vom Dampfer „Tuscarora“ erlotet und beträgt 8500 m. Oestlich von dort bis nach Nordamerika hin ist nur eine Stelle bekannt, wo die Meerestiefe 6400 m übertrifft; anderseits finden sich dort am Meeresboden mehrere ungeheure Berge, deren Gipfel jedoch noch immer bis 4000 m unter dem Seespiegel bleiben.

Im südlichen Teile des Großen Oceans, in der Richtung von den Tonga-Inseln nach Neuseeland hin, bat vor kurzem der Dampfer „Pinguin“ sogar Tiefen von 9400 m gelotet. Dabei ist merkwürdig, daß diese größten Tiefen sich keineswegs mitten im Ocean finden, sondern gegen den Rand hin, unmittelbar neben gewaltigen unterseeischen Sockeln, auf denen dann kleine Inseln bis über den Seespiegel emporragen.

Etwas Aehnliches findet sich auch im Atlantischen Ocean, dessen tiefste Mulde nördlich von den kleinen Antillen gegen die Bermuda-Inseln hin liegt, während die Mitte dieses Oceans von langgestreckten, unterseeischen Höhenzügen bedeckt ist, über denen aber doch noch 4000 m Wasser stehen.

Der Druck dieser Wassermassen auf den Meeresboden ist ein ungeheurer. Schon in 4000 m Tiefe beträgt der Wasserdruck über 400 Atmosphären. Der sehr zuverlässige Seefahrer und Forscher Scoresby berichtet, daß einst ein Walfisch, der von einem Boote aus harpuniert worden war, dieses Boot an der Leine mit in die Tiefe riß, wobei dessen Holzwerk durch den ungeheuren Druck so mit Wasser imprägniert wurde, daß es wie Blei sank und den später an der Oberfläche schwimmenden Körper des toten Walfisches mit herabzuziehen drohte. Man begreift daher leicht, daß es dem Menschen niemals möglich werden kann, persönlich in große Meerestiefen hinabzusteigen. Dennoch ist es gelungen, aus diesen Abgründen des Meeres Bodenproben heraufzubefördern, welche uns Aufschlüsse über die Beschaffenheit des in ewiger Nacht liegenden Meeresgrundes geben. Hiernach ist derselbe in ungeheurer Ausdehnung bedeckt mit den Resten schalentragender kleiner Organismen, deren kalkige Panzer nach dem Absterben dieser Tiere ununterbrochen von der Oberfläche hinabsinken. Daneben findet sich in den größten Tiefen ein roter, thoniger Schlamm, in welchem Bimssteine und Lavabrocken, auch Haifischzähne und Knochen von Walfischen eingebettet sind. Merkwürdigerweise trifft man auch häufig auf kleine metallische Kügelchen, die nichts anderes sein können als Teile von Meteoriten, die über dem Ocean explodierten und in das Meer stürzten. In künftigen Zeiten werden zu den regelmäßigen Funden am Boden des Oceans auch Produkte menschlicher Thätigkeit zählen, wie Reste von Schiffen, Maschinen, Konservebüchsen, Steinkohlen etc.

Im großen und ganzen kann man annehmen, daß die durchschnittliche Meerestiefe 3500 m beträgt, so daß also die gesamte Wassermasse aller Oceane auf nahezu 1300 Millionen ckm zu veranschlagen ist. Dieses ist der Wasserschatz unserer Erde, von dem alles organische Leben hienieden zehrt und ohne welchen es nicht bestehen könnte. Diese Wassermenge ist über alles Vorstellungsvermögen hinaus groß, aber sobald wir sie mit dem Volumen der ganzen Erde vergleichen, schrumpft sie gewaltig zusammen.

Der Halbmesser der Erde beträgt in runder Zahl 6366000 m; wenn wir also einen Erdglobus von 1 m Durchmesser vor uns haben und man wollte auf dessen Oberfläche den Ocean im richtigen Verhältnisse seiner Tiefe darstellen, so müßte dies durch ein Flüssigkeitshäutchen geschehen, welches durchschnittlich nur 1/3 mm dick wäre. Das also stellte den gewaltigen Ocean im Verhältnis zum Erdballe dar.

Bedenkt man nun, daß die Erdrinde Wasser aufsaugt, so muß man sich eigentlich wundern, daß die Weltmeere nicht längst verschwunden sind. Und wirklich liegt die Annahme nahe, daß die Wassermenge der Erdoberfläche sich im Verlaufe zahlreicher Jahrtausende merklich vermindern wird. K.