Meergöttergespräche
1. Doris. Dein schöner Liebhaber, Galatea, der sicilische Schäfer, soll ja, wie die Leute sagen, ganz rasend in dich verliebt seyn.
[182] Galatea. Spotte nicht, Doris: er ist einmal ein Sohn des Neptun, mag er nun aussehen, wie er will.
Doris. Je nun, und wenn er selbst Jupiter’s Sohn wäre, so wild und struppicht, wie er aussieht, und was das Allerhässlichste ist, einäugig – meinst du denn, seine Abkunft würde ihm zur Schönheit helfen?
Galatea. Eben dieß Struppichte und Wilde, wie du es nennst, ist nichts weniger als häßlich; es giebt ihm ein männliches Ansehen. Und das einzige Auge auf der Stirne nimmt sich ja recht gut aus: auch sieht er nicht schwächer, als ob er ihrer zwei hätte.
Doris. Du lobst ja deinen Polyphem so gewaltig, Galatea, daß es ist, als ob er dein Geliebter, und nicht dein Liebhaber wäre.
2. Galatea. Mein Geliebter eben nicht: aber ich kann das hämische, tadelsüchtige Wesen an euch nicht leiden. Ihr thut es offenbar nur aus Neid. Denn neulich, als er seine Heerde hütete, und von der Höhe herab uns zusah, wie wir am Fuße des Aetna auf dem Gestade spielten, wo es sich zwischen dem Berge und dem Meere hinzieht, damals würdigte er Keine von euch eines Blicks: ich aber kam ihm als die Schönste von Allen vor, und auf mir allein ließ er daher sein Auge ruhen. Das ist’s, was euch ärgert: es war ein Beweis, daß ich schöner und liebenswürdiger bin, als ihr; euch besieht man nicht.
Doris. Du wirst doch nicht meinen, uns ein Gegenstand des Neides geworden zu seyn, weil du einem halbblinden Schafhirten gefallen hast? Was wird er denn Anderes an dir zu loben gehabt haben, als deine weiße Haut? Und [183] die gefällt ihm bloß, weil er immer mit Milch und Käse umgeht, und alles schön findet, was aussieht, wie Milch und Käse.
3. Wenn du aber wissen willst, wie du aussiehst, so bücke dich, wenn das Meer recht ruhig ist, von irgend einer Uferspitze auf’s Wasser, und sieh selbst, wie eine schneeweiße Farbe deine ganze Schönheit ist. Und diese gilt nicht viel, wenn sie nicht durch eine Mischung von Roth gehoben wird.
Galatea. Habe ich doch bei all meiner Weiße einen Liebhaber gefunden, und wenn es auch nur ein Polyphem ist. Von euch aber hat ja keine einzige einen Hirten, Schiffer oder Fährmann, der ihr Lob sänge. In dem ist mein Polyphem auch ein geschickter Tonkünstler.
4. Doris. O still davon, Galatea, wir haben ihn singen gehört, als er dir neulich ein Ständchen brachte. O du liebe Venus! war es doch nicht anders, als ob man das Ya eines Esels hörte! Und nun vollends seine Leyer! ein abgeschälter Hirschschädel, woran das Geweih die beiden Seitenhölzer vorstellte: beide Enden hatte er mit einem Stege verbunden und an diesen die Saiten geknüpft, ohne jedoch einen Wirbel anzubringen. Und auf diesem Instrumente spielte er und sang dazu so barbarisch, so gräßlich unharmonisch! Denn, was er plärrte, war etwas ganz anderes, als was die Leyer schnarrte, so daß wir nicht umhin konnten, über seinen verliebten Gesang in ein lautes Gelächter auszubrechen. Nicht einmal die Echo konnte es über’s Herz bringen, sein Gebrüll zu erwiedern, so geschwätzig sie sonst ist: denn sie hätte sich geschämt, so rauhe und lächerliche Töne nachzumachen. Dabei hatte der Liebenswürdige statt eines Schooshündchens einen [184] jungen Bären im Arm, sein natürliches zottiges Ebenbild. Wer sollte dich um einen solchen Liebhaber nicht beneiden, Galatea?
5. Galatea. So zeige mir doch den Deinigen, Doris. Der wird nun freilich viel schöner seyn, und melodischer zu singen und zu spielen wissen.
Doris. Liebhaber habe ich keinen, und sehe auch keinen Stolz darein, liebenswürdig zu seyn. Einen solchen aber, wie dieser Cyklope ist, der von weitem wie ein Bock duftet, von rohem Fleische lebt, und die Fremden frißt,[1] die bei ihm einkehren, nun ja den gönne ich dir: liebe ihn so zärtlich wieder, als du von ihm geliebt wirst.
1. Polyphem. Vater, sieh doch, was mir der verfluchte Fremde gethan hat. Er machte mich trunken, überfiel mich sodann im Schlafe, und stieß mir das Auge aus.
Neptun. Wer hat sich das unterstanden, Polyphem?
Polyphem. Erst nannte er sich Utis (Niemand): als er aber davon gelaufen, und außer Schußweite war, rief er, er hieße Ulysses.
Neptun. Ha, ich kenne ihn, es ist der Ithacenser: er kehrt von Troja heim. Aber wie kam er dazu, diese That zu wagen? er ist ja sonst nichts weniger als beherzt.
[185] 2. Polyphem. Ich traf ihn, als ich von der Weide heimkehrte, in meiner Höhle, und mit ihm noch viele Andere, bei denen es, allem Anscheine nach, auf meine Schafe abgesehen war. Denn wie ich vor den Eingang das große Felsstück, das mir zur Thüre dient, vorgeschoben, und mit einem vom Berge mitgebrachten Baume das Feuer angemacht hatte, merkte ich wohl, wie sie sich zu verstecken suchten. Da packte ich ein Paar von ihnen und fraß sie auf, wie billig, da sie Räuber waren. Hierauf schenkte mir der vermaledeite Schurke, der Utis oder Ulysses, wie er hieß, ein gar süßes und duftendes, aber ein verhextes, tückisches und sinneverwirrendes Getränk ein. Denn kaum hatte ich getrunken, so gieng Alles mit mir im Kreise herum, die Höhle stand umgekehrt, kurz ich war gar nicht mehr bei mir selbst. Endlich verfiel ich in einen tiefen Schlaf, und Jener spitzte inzwischen einen Pfahl, machte ihn glühend, und stieß ihn mir in’s Auge. Und seit diesem Augenblicke bin ich blind, Neptun.
3. Neptun. Aber wie tief mußtest du geschlafen haben, mein Sohn, daß du nicht aufsprangst, ehe du gänzlich geblendet warst? Und Ulysses – wie konnte denn der entkommen? Denn daß er das Felsstück vor dem Eingange nicht wegschieben konnte, weiß ich zu gut.
Polyphem. Ich selbst habe es weggenommen, um ihn desto sicherer beim Hinausgehen zu erwischen. Ich setzte mich neben den Eingang, tappte mit ausgestreckten Händen herum, und ließ niemand hinaus, als meine Schafe, die auf die Weide gingen: dem Widder aber gab ich Befehle, was er anstatt meiner zu thun hätte.
[186] 4. Neptun. Ha, ich merke, die Bursche sind unter den Bäuchen der Schafe hinausgeschlüpft. Aber du hättest doch wenigstens die übrigen Cyklopen zu Hülfe rufen sollen.
Polyphem. Ich that es, mein Vater, und sie kamen auch. Allein als sie mich nach dem Namen des Spitzbuben fragten, und ich ihnen sagte, daß es Utis wäre, so hielten sie mich für verrückt, und eilten davon. So prellte mich der verfluchte Kerl mit seinem Namen, und was mich am meisten verdroß, war, daß er meines Unglücks noch spottete und sagte: versuch’s, ob dich dein Vater Neptun kuriren wird.
Neptun. Beruhige dich, mein Sohn: ich werde es ihm heimgeben. Er soll lernen, daß ich, wenn gleich zerstörte Augen wieder herzustellen mir unmöglich ist, wenigstens das Schicksal der Schiffenden ganz und gar in meiner Gewalt habe. Und er ist ja noch auf den Gewässern.
1. Neptun. Wie kommt doch das, Alpheus, du bist der einzige Fluß, der sich beim Einströmen in’s Meer nicht, wie es alle übrigen thun, mit der salzigen Fluth vermischt und ein Strom zu seyn aufhört, sondern sein süßes Wasser behält, und unvermischt und rein als eine für sich bestehende Masse mitten durch die See eilt? Ich weiß nicht, wie es zugeht, daß du dich in die Tiefe tauchst, wie die Meven und Reiher, um irgendwo, wie es scheint, wieder aufzutauchen und zum Vorschein zu kommen.
[187] Alpheus. Es liegt eine Liebesangelegenheit zu Grunde, Neptun, dringe nicht weiter in mich: du hast ja dergleichen selbst schon viele gehabt.
Neptun. Sage mir wenigstens nur: ist deine Geliebte eine Sterbliche oder eine Nymphe, oder gar eine der Nereïden?
Alpheus. Keine von allen dreien, es ist eine Quelle, Neptun.
Neptun. Eine Quelle? Und wo zu Lande strömt sie denn?
Alpheus. Auf der Insel Sicilien: Arethusa wird sie genannt.
2. Neptun. Ich kenne die liebliche Arethusa, mein Alpheus: sie sprudelt krystallhell aus dem Kiesgrund, über welchen ihr perlendes Wasser wie lauteres Silber dahin rieselt.
Alpheus. In der That, du kennst diese Quelle recht gut, Neptun. Zu ihr also eile ich hin.
Neptun. So ziehe hin und sey glücklich in deiner Liebe. Nur das sage mir noch, wo du die Arethusa gesehen, da du ein Arcadier und sie eine Syracusanerin ist?
Alpheus. Ich habe Eile, Neptun, und du hältst mich mit unnützen Fragen auf.
Neptun. Du hast Recht: mache denn, daß du zu deiner Geliebten kommst, und auftauchend aus dem Meere mische dich mit ihrem Gewässer zu Einem vereinten Strome.
[188]
1. Menelaus. Nun – daß du zu Wasser werden könnest, Proteus, ist nicht eben unglaublich, da du ohnedieß eine Meernatur bist: auch zu einem Baume will mir noch gefallen lassen; sogar daß du bisweilen in einen Löwen dich verwandelst, ist noch nicht über allen Glauben: aber daß ein Meerbewohner, wie du, zu Feuer soll werden können, ist mir zu wunderbar, um es für wahr zu halten.
Proteus. Wunderbar oder nicht, mein lieber Menelaus: es ist nun einmal so.
Menelaus. Ich habe es zwar selbst auch gesehen: aber, freimüthig zu gestehen, ich glaube, es ist ein bischen Gaukelei bei der Sache mituntergelaufen, indem du die Augen der Zuschauer zu täuschen wußtest, und in der Wirklichkeit weder zu Feuer, noch zu sonst etwas Anderem wurdest.
2. Proteus. Wie sollte denn in einer so in die Sinne fallenden Sache irgend ein Betrug möglich seyn? Hast du denn nicht mit offenen Augen gesehen, in welche Gestalten ich mich verwandelte? Wenn du nun so ungläubig bist, mein Bester, und dir einbildest, die ganze Sache wäre nur Lug und Trug, und es werde dir ein Blendwerk vorgemacht, so darfst du ja nur, wenn ich wieder Feuer werde, die Hand nach mir ausstrecken, um sogleich zu wissen, ob ich nur aussehe wie Feuer, oder auch brennen kann.
Menelaus. Die Probe ist nicht zuverläßig, Proteus.
[189] Proteus. Du hast wohl, wie es scheint, noch nie einen Polypen gesehen, und kennst die sonderbare Eigenschaft dieses Seethiers nicht?
Menelaus. Einen Polypen sah ich schon: diese sonderbare Eigenschaft aber wünschte ich von dir zu hören.
3. Proteus. Dem Felsen, an welchen er sich vermittelst seiner Arme und Fangfüße wie angewurzelt geheftet hat, macht er sich ganz ähnlich, indem er seine Farbe ändert, und die des Felsen annimmt: hiedurch entgeht er den Augen der Fischer, indem sie ihn von dem Steine, dem er vollkommen gleicht, nicht unterscheiden können.
Menelaus. So geht die Sage. Allein deine Verwandlungen sind doch noch viel unbegreiflicher.
Proteus. Ich wußte nicht, Menelaus, wem du sonst glauben solltest, wenn du deinen eigenen Augen nicht glauben willst.
Menelaus. Ich habe es zwar mit sehenden Augen angesehen: aber es ist und bleibt doch ein Unding, daß Einer und Derselbe zu Wasser und zu Feuer soll werden können!
1. Panope. Sahst du nicht, Galene, was gestern bei dem Hochzeitmahle in Thessalien die Eris that, weil man sie nicht geladen hatte?
Galene. Ich war nicht unter den Gästen: Neptun hatte mir aufgetragen, das Meer indessen ruhig zu halten. [190] Nun was war es denn, was die Eris that, weil sie nicht dabei war?
Panope. Thetis und Peleus waren eben in das Brautgemach gegangen, begleitet von Amphitriten und Neptun: die Gäste tranken, oder unterhielten sich sehr lebhaft, viele hörten Apoll’s Citherspiel und dem Gesange der Musen zu, während dessen kam Eris von Allen unbemerkt heran, und warf einen ganz goldenen wunderschönen Apfel in den Saal, mit der Aufschrift: die Schönste soll ihn haben. Und wie absichtlich fügte sich’s, daß der Apfel in die Gegend rollte, wo Juno, Venus und Minerva Platz genommen hatten.
2. Merkur hob ihn auf und las die Ueberschrift. Wir Nereïden schwiegen natürlich dazu; denn was konnten wir Anderes thun, da jene zugegen waren? Von jenen dreien aber wollte jede den Apfel sich zueignen, und behauptete, den nächsten Anspruch auf denselben zu haben; und wenn Jupiter sie nicht aus einander gebracht hätte, so wäre es gewiss noch zu Thätlichkeiten gekommen. Der aber sagte: ich will hierüber nicht entscheiden (denn sie hatten einen Ausspruchs von ihm verlangt), sondern geht auf den Ida zu des Priamus Sohn: dieser weiß die Schönste am besten herauszufinden; er ist ein großer Liebhaber vom Schönen, und wird gewiß kein ungeschicktes Urtheil fällen.
Galene. Was thaten nun die Göttinnen?
Panope. Heute, glaube ich, gehen sie auf den Ida: wir werden bald Nachricht bekommen, welche gewonnen hat.
Galene. Das behaupte ich im Voraus, daß bei einer Nebenbuhlerin, wie Venus, keine Andere den Preis davon [191] tragen wird, wenn anders der Schiedsrichter nicht gänzlich blödsichtig ist.
1. Triton. An die Lernäische Quelle geht alle Tage ein Mädchen, um Wasser zu holen, Neptun. Ich wüßte nicht, daß ich in meinem Leben ein reizenderes Geschöpf gesehen hätte.
Neptun. Ist sie eine Freigeborne oder eine Sclavin?
Triton. Das Letztere keineswegs: sie heißt Amymone, und ist eine von den fünfzig Töchtern des Danaus: ich habe mich nach ihrem Namen und ihrer Herkunft erkundigt. Danaus hält seine Töchter sehr hart, gewöhnt sie, alle Hausarbeiten selbst zu verrichten, und schickt sie sogar an den Brunnen: kurz er erzieht sie so, daß sie sich allen Geschäften unverdrossen unterziehen.
2. Neptun. Macht sie den langen Weg von Argos nach Lerna ganz allein?
Triton. Ganz allein. Argos ist ein durstiges Land,[2] wie du weißt: sie muß daher täglich dorthin nach Wasser gehen.
Neptun. Du hast mir durch das, was du mir von diesem Mädchen sagtest, bereits den Kopf verdreht, Triton. Wir wollen uns zu ihr begeben.
[192] Triton. Gut; es ist eben jetzt die rechte Zeit: sie wird bereits auf halbem Wege nach Lerna seyn.
Neptun. So spanne sogleich meinen Wagen an – doch nein, es hält zu lange auf, bis der Wagen zurecht gemacht und die Pferde angeschirrt sind. Hole mir einen der flinksten Delphine herbei: auf dem werde ich wohl am schnellsten von der Stelle kommen. – –
Triton. Hier ist bereits der behendeste von allen.
Neptun. Schön: ich reite von dannen, und du, Triton, schwimmst neben her. – Nun da wir zur Stelle sind, will ich mich irgendwo in Hinterhalt legen; halte du inzwischen Wache, und wenn du sie kommen siehst –
Triton. Sie ist schon ganz nahe.
3. Neptun. Wahrlich, ein hübsches, blühendes Mädchen. Wir müßen uns ihrer bemächtigen. –
Amymone. Hülfe! Räuber! Kerl, wo willst du hin mit mir? Gewiß hat dich Oheim Aegyptus hergeschickt; aber warte, ich werde den Vater rufen.
Triton. Stille, stille, Amymone! es ist ja Neptun.
Amymone. Warum nicht gar Neptun! – Was that ich dir, Mensch? Wehe! du ziehst mich mit Gewalt in’s Wasser – ich Unglückliche! ich werde ertrinken müssen!
Neptun. Sey ruhig, es soll dir kein Leid widerfahren. Nach deinem Namen soll sich eine Quelle benennen, die ich hier auf dem Strande mit dem Dreizack aus diesem Felsen schlagen will. Du wirst glückselig, und die einzige unter deinen Schwestern seyn, die nicht auch nach dem Tode noch Wasser zu tragen hat.
[193]
1. Notus. Die Kuh dort, Zephyr, die Merkur über’s Meer nach Aegypten führt, wäre einst Jupiter’s Geliebte gewesen?
Zephyr. Dieselbe, Notus: aber freilich war sie damals keine Kuh, sondern des Flusses Inachus schöne Tochter. In ihre jetzige Gestalt ward sie verwandelt von der Eifersucht der Juno, die es nicht sehen konnte, wie Jupiter das Mädchen so heftig liebte.
Notus. Liebt er nun auch die Kuh noch?
Zephyr. Gar sehr: deßwegen schickt er sie nach Aegypten und hat uns befohlen, keine Wellen auf dem Meere zu erregen, bis sie hinübergeschwommen seyn würde. Sie ist schwanger: wenn sie aber geboren haben wird, soll sie und das Kind unter die Götter aufgenommen werden.
Notus. Die Kuh unter die Götter?
2. Zephyr. Allerdings, und zwar soll sie, wie mir Merkur sagte, die Schutzgöttin der Schiffenden und unsere Herrin werden, die Jedem von uns nach Gefallen zu wehen befehlen oder verbieten kann.
Notus. Da muß man ihr wohl jetzt schon den Hof machen, Zephyr, als ob sie bereits unsere Gebieterin wäre.
Zephyr. Du hast beim Jupiter Recht: sie wird dann nur um so gnädiger seyn. Aber siehe, sie ist bereits hinüber und an das Land gestiegen. Siehst du, wie sie schon nicht [194] mehr auf vier Füßen geht, und wie Merkur wieder eine aufrechte stattliche Frauengestalt aus ihr gemacht hat?
Notus. Eine wunderbare Erscheinung, Zephyr. Hörner, Schwanz und gespaltene Füße sind auf einmal verschwunden, und die Kuh ist eine liebliche Jungfrau. Und siehe da: was kam den Merkur an? auch er hat sich verwandelt, aus dem Jünglings- ist ein Hunde-Kopf geworden?
Zephyr. Wir wollen nicht vorwitzig seyn: er muß am besten wissen, was er zu thun hat.
1. Neptun. Recht schön, ihr Delphine, daß ihr stets den Menschen so gut seyd. Schon in alten Zeiten habt ihr das Söhnchen der Ino, als es mit seiner Mutter von den Scironischen Felsen in’s Meer stürzte, aufgefangen, und auf den Isthmus gebracht. Und so eben war es wieder einer von euch, der den Sänger von Methymna dem Untergange entriß, den ihm die Schiffer zugedacht hatten, indem er ihn ergriff, und samt Sängergewand und Cither, nach dem Tänarischen Vorgebirge trug.
Delphin. Wundere dich nicht, Neptun, wenn wir den Menschen wohl wollen, da wir ja selbst aus Menschen Fische geworden sind.
Neptun. Ich verarge es auch dem Bacchus, daß er euch nach errungenem Siege verwandelte, da er euch, wie er mit Andern gethan, bloß zur Unterwerfung hätte nöthigen [195] sollen. Aber sage mir, guter Delphin, wie war das eigentlich mit Arion?
2. Delphin. Periander hatte, denke ich, großes Gefallen an ihm, und ließ ihn öfters zu sich kommen, um sich an seinem kunstvollen Gesang und Spiel zu ergötzen. Reichlich belohnt von diesem Herrscher wollte sich Arion zu den Seinigen nach Methymna begeben, um ihnen seinen Reichthum zu zeigen, und bestieg ein Fahrzeug, das einer Bande schurkischer Gesellen angehörte. Als er sie nun das viele Gold und Silber sehen ließ, das er bei sich hatte, faßten sie, sobald sie mitten auf dem ägäischen Meere waren, einen Anschlag gegen sein Leben. Da sprach Arion (ich schwamm nämlich dicht neben dem Schiffe her und hörte Alles): „Nun denn, weil ihr das über mich beschlossen habt, so laßt mich wenigstens mein Sängergewand anlegen, und mir selbst einen Todtengesang singen, und mich dann freiwillig in’s Meer stürzen.“ Sie erlaubten es ihm, und so sang er, feierlich als Sänger angethan, ein wunderliebliches Lied: hierauf stürzte er sich in die See, in der Meinung, seinen augenblicklichen Tod zu finden. Ich aber faßte ihn auf, nahm ihn auf meinen Rücken, und schwamm mit ihm nach dem Tänarus.
Neptun. Ich lobe deine Liebe zur Tonkunst: du hast ihm für den Genuß, den sein Gesang dir gewährte, würdig gelohnt.
[196]
1. Neptun. Diese Meerenge, in welche das Mädchen gefallen, soll hinfort Hellespont heißen. Ihren Leichnam aber habt ihr Nereïden nach Troas zu bringen, wo ihn die Einwohner bestatten sollen.
Amphitrite. Nicht doch, Neptun! In diesem Meere, das von ihr den Namen führt, sollte sie von uns begraben werden. Uns jammert das Schicksal dieses Mädchens so sehr, das von seiner Stiefmutter die ärgsten Mißhandlungen erduldete.
Neptun. Es geht nicht an, Amphitrite; auch würde es sich überhaupt nicht schicken, wenn sie hier irgendwo unter dem Sande läge: sondern, wie gesagt, ihre Grabstätte soll in Troas oder auf dem Chersonnes seyn. Uebrigens wird es ihr zur Genugthuung gereichen, wenn Ino mit Nächstem das gleiche Schicksal haben, und von Athamas verfolgt sich, mit ihrem Sohne in den Armen, von der Höhe des Cithäron in das Meer stürzen wird.
Amphitrite. Aber diese werden wir dem Bacchus zu Gefallen retten müssen, dessen Säugamme und erste Erzieherin sie gewesen war.
2. Neptun. Das böse Weib verdiente es freilich nicht: doch finde ich es ebenfalls billig, Amphitrite, dem Bacchus hierin gefällig seyn.
Eine Nereide. Aber was stieß denn dieser Helle zu, daß sie von dem Widder herabfiel, während ihr Bruder Phryxus sicher und wohlbehalten davon reitet?
[197] Neptun. Das gieng ganz natürlich zu: er ist ein junger Bursche und stark genug, die schnelle Bewegung auszuhalten; das Mädchen aber, einer solchen Fahrt ungewohnt, hatte kaum das sonderbare Fahrzeug bestiegen, und in die unermeßliche gähnende Tiefe hinabgeblickt, als sie die Fassung verlor, und bei der reissenden Schnelligkeit des Fluges von Betäubung und Schwindel ergriffen die Hörner des Widders, woran sie sich bisher fest gehalten hatte, aus den Händen ließ und in die See stürzte.
Die Nereïde. Aber hätte denn ihre Mutter Nephele der Fallenden nicht zu Hülfe kommen sollen?
Neptun. Freilich hätte sie sollen: aber das Verhängniß vermag mehr als eine Nephele.
1. Iris. Jupiter befiehlt dir, Neptun, du sollest die irrende Insel, welche sich von Sicilien losriß und bis jetzt unter dem Wasser schwimmt, heraufziehen, und auf einer recht sichern Grundlage feststellen, daß sie mitten auf dem Aegäischen Meere sichtbar werde und bleibe. Er bedarf ihrer.
Neptun. Es soll geschehen. Doch darf ich fragen, was ihm die Insel helfen soll, wenn sie nun über dem Wasser ist und stille steht?
Iris. Latona soll auf derselben entbunden werden: schon leidet sie sehr von den Geburtswehen.
[198] Neptun. Wie? ist denn in dem ganzen großen Himmel kein Platz mehr, um dort zu gebären? Und sollte es auch nicht seyn, hat denn die ganze Erde nicht Raum genug, ihre Neugebornen aufzunehmen?
Iris. Nein, Neptun. Juno hat die Erde mit einem schweren Eide verbindlich gemacht, der kreisenden Latona keinen Aufenthalt zu gewähren. Diese Insel aber ist nicht mit unter dem Eide begriffen, weil sie unsichtbar war.
2. Neptun. Ich verstehe. – Halte still, Insel, tauche aus der Tiefe empor, und schwimme nicht länger, sondern bleibe fest und empfange, du Glückselige, die beiden Kinder meines Bruders, die schönsten der Götter! Und ihr, Tritonen, tragt Latona herüber, und verbreitet heitere Ruhe auf dem ganzen Meere! Den Drachen aber, der sie bis jetzt allenthalben verscheuchte und ängstigte, werden, sobald sie entbunden ist, ihre Neugebornen verfolgen und ihre Mutter an ihm rächen. – Melde du nun Jupitern, es wäre Alles wohl bestellt; Delos steht fest, Latona darf nur kommen und gebären.
1. Xanthus. Nimm mich auf, Thalassa, lösche den Brand meiner Wunden: ich leide entsetzlich.
Thalassa. Was ist dir? Wer hat dich so verbrannt?
Xanthus. Vulcan – ach! ich siede, ich bin lauter Gluth, ich Unglückseliger!
[199] Thalassa. Aber warum hat er dir das gethan?
Xanthus. Wegen des Sohnes der Thetis. Da dieser die Phrygier erschlug, bat ich ihn flehentlich, von seinem Grimm abzulassen, aber vergeblich; er sperrte mein ganzes Flußbette mit den Leichnamen der Erschlagenen, bis ich endlich aus Mitleiden mit den Unglücklichen austrat, um den Achilles unter Wasser zu setzen, damit er in Furcht gerathe und genöthigt würde, von den Trojanern abzustehen.
2. Vulcan aber, der irgendwo in der Nähe war, kam mit allem Feuer, glaube ich, das er in seinem Schmiedeofen und im Aetna, und wo sonst immer, vorräthig hatte, über mich her, zündete meine Ulmen und Tamarisken an, sott mir die unglücklichen Fische und Aale, und ließ mich selbst so lange sieden und kochen, daß wenig fehlte, so hätte er mich gänzlich trocken gelegt. Doch du siehst ja selbst an meinen Brandmalen, wie ich zugerichtet bin.
Thalassa. Du bist wirklich ganz dunkelgefärbt und heiß; und wie könnte es anders seyn? Die dunkle Blutfarbe kommt von den vielen Leichnamen und die Hitze, wie du selbst erzählst, von dem Feuer. Aber es ist dir Recht geschehen, Xanthus; warum giengst du auf meinen Enkel los und bedachtest nicht, daß er der Sohn einer Nereïde ist?
Tanthus. Sollte ich mich denn meiner guten Nachbarn, der Phrygier, nicht annehmen?
Thalassa. Und Vulcan hätte sich des Achilles nicht annehmen sollen, eines Sohnes der Thetis?
[200]
1. Doris. Was weinst du, meine Thetis?
Thetis. Ach Doris, ich sah ein wunderschönes Mädchen mit ihrem neugebornen Kinde; beide ließ der Vater des Mädchens in einen Kasten legen, und befahl den Schiffern, mit demselben auf die hohe See zu fahren, und ihn in weiter Entfernung vom Lande über Bord zu werfen, damit die unglückliche Mutter mit ihrem Säuglinge umkommen möchte.
Doris. Und warum denn, liebe Schwester? Sage mir’s doch, wenn du die Sache so genau weißt.
Thetis. Acrisius, ihr Vater, hatte sie, da sie außerordentlich schön war, in ein ehernes Gemach eingesperrt, um ihre jungfräulichen Reize zu bewahren. Da soll Jupiter – ob es wahr ist, weiß ich nicht – sich in Gold verwandelt haben, und durch’s Dach zu ihr herabgeflossen seyn. Sie hätte den herabrinnenden Gott in ihren Schooß aufgenommen und wäre schwanger geworden. Der Vater aber, ein hitziger argwöhnischer Alter, gerieth, als er es gemerkt, in den äußersten Zorn, in der Meinung, sie wäre von irgend einem entehrt worden, und steckte sie, nachdem sie kaum geboren hatte, in den Kasten.
2. Doris. Aber wie benahm sie sich, als sie in’s Meer hinabgelassen wurde?
Thetis. Ueber ihr eigenes Schicksal äußerte sie kein Wort, und fügte sich in ihre Verurtheilung: aber flehentlich bat sie für das Leben ihres Söhnchens, und zeigte weinend [201] dem Großvater das wunderschöne Kind, welches indessen harmlos, und ohne sein Verderben zu ahnen, die Wellen anlächelte. Ich werde nie ohne Thränen daran denken können.
Doris. Du machst, daß ich mitweinen muß. – Und sind sie denn jetzt todt?
Thetis. Noch nicht. Der Kasten treibt noch in der Gegend von Seriphus, und sie sind am Leben.
Doris. Je nun, warum retten wir sie nicht sogleich? Wenn wir sie den Fischern dort am Ufer von Seriphus in ihre Netze spielen, so werden sie von diesen herausgezogen und am Leben erhalten werden.
Thetis. Schön! das wollen wir thun. Die Mutter und ihr hübsches Knäbchen sollen uns nicht zu Grunde gehn!
1. Enipeus. Die Wahrheit zu gestehen, Neptun, das war nicht schön von dir, meine Gestalt anzunehmen, um meine Geliebte zu beschleichen und zu Falle zu bringen. Das Mädchen meinte, sie hätte es mit mir zu thun, sonst wäre sie dir gewiß nicht zu Willen gewesen.
Neptun. Du warst ja immer so stolz und so kalt, Enipeus, daß du ein Vergnügen daran fandest, das reizende Mädchen, das tagtäglich dich besuchte und vor Liebe fast vergieng, gleichgültig anzusehen und zu kränken. Sie irrte an deinen Ufern umher, stieg in deine Wellen, ja badete sich in [202] ihnen mehr als einmal, mit dem sehnlichen Wunsche, die Deinige zu werden, und du – bliebst spröde gegen sie.
2. Enipeus. Und deßwegen warst du befugt, unter meiner Maske das arglose Kind zu berücken, und mir den ersten Genuß ihrer Zärtlichkeit vorweg zu nehmen?
Neptun. Nun ist es zu spät, eifersüchtig zu seyn, mein guter Enipeus; hättest du vorher nicht so stolz und spröde gethan! Uebrigens ist der Tyro kein Leid widerfahren, da sie meinte, von dir besucht zu werden.
Enipeus. Das ist nicht wahr: du sagtest ihr ja im Abgehen, daß du Neptun wärest. Dieß hat sie am meisten verdrossen. Und mir hast du Unrecht gethan, daß du meine Freuden genoßest, und umflossen von einer purpurnen Woge, die euch beide barg, statt meiner –
Neptun. Stille, Enipeus, ich hatte nur, was du verschmähtest.
1. Triton. Euer Meerungeheuer, ihr Nereïden, das ihr auf des Cepheus Tochter, Andromeda, losgelassen habt, hat nicht nur diesem Mädchen keinen Schaden zugefügt, wie ihr meintet, sondern ist selbst bereits umgekommen.
Eine Nereïde. Wer hat es denn umgebracht, Triton! Hat vielleicht Cepheus seine Tochter ihm nur zur Lockspeise [203] vorgesetzt, und das Ungethüm aus einem Hinterhalt mit überlegener Macht überfallen und erschlagen?
Triton. Das nicht: aber ihr erinnert euch doch wohl des Knäbchens der Danaë noch, des Perseus, den sein Großvater zugleich mit seiner Mutter in einem Kasten in’s Meer geworfen, und den ihr aus Mitleiden gerettet habt?
Iphianassa. Ich kenne ihn schon: er muß nun zu einem schönen tapfern Jüngling herangewachsen seyn.
Triton. Dieser hat das Ungeheuer umgebracht.
Iphianassa. Und warum denn? er hätte uns den Dank für seine Rettung anders bezahlen sollen.
2. Triton. Ich will euch den ganzen Hergang erzählen. Perseus ward zu den Gorgonen gesandt, deren Bezwingung der König von Seriphus als ein Probestück ihm auferlegt hatte. Als er nach Lydien kam –
Iphianassa. War er denn allein, Triton, oder hatte er Streitgenossen bei sich? Ohne diese wäre es wohl eine mißliche Fahrt gewesen.
Triton. Er zog durch die Luft: Minerva hatte ihn mit Flügeln versehen. An dem Orte ihres Aufenthaltes angelangt, traf er sie, glaube ich, schlafend: schnell hieb er der Medusa den Kopf ab und flog eilends davon.
Iphianassa. Wie konnte er das, da man ja die Gorgonen nicht ansehen darf, oder wer sie ansieht, hinfort nichts mehr sieht?
Triton. Minerva hielt ihren Schild vor – so hörte ich ihn die Sache der Andromeda und hernach dem Cepheus erzählen – und zeigte ihm auf der polirten Oberfläche desselben wie in einem Spiegel das Bild der Medusa: und nun [204] faßte er, den Blick auf das Bild gerichtet, mit der Linken ihr Haar, griff mit der Rechten nach seinem krummen Säbel und hieb ihr den Kopf ab. Ehe noch ihre Schwestern erwachten, war er schon davon geflogen.
3. Wie er aber hieher an die Aethiopische Küste kam und schon nahe an der Erde flog, sah er die Andromeda an einen in’s Meer vorragenden Fels angeschmiedet daliegen, und, ihr Götter, wie reizend! mit aufgelösten Locken, nackt bis unter den Gürtel. Anfänglich fühlte er blos Mitleid mit ihrem Schicksal und fragte sie nach der Ursache ihrer Verurtheilung; allmählich aber bemächtigte sich seiner die Liebe zu ihr, und er beschloß – da nun einmal das Mädchen gerettet werden sollte – ihre Befreiung. Als daher das gräßliche Ungethüm herankam, um die Andromeda zu verschlingen, hielt sich der Jüngling schwebend über ihm, und zerhieb es mit dem Säbel in der einen Hand, während er es mit dem vorgehaltenen Gorgohaupt in der andern in Stein verwandelte. So starb das Thier und erstarrte zu Stein, so weit es der Medusa ausgesetzt gewesen war. Perseus aber löste die Bande der Jungfrau, und reichte ihr die Hand, wie sie auf den Spitzen der Füße ängstlich von dem steilen und glatten Fels herabstieg. Nun feiert er sein Hochzeitfest in des Cepheus Hause, von wo er seine junge Gattin nach Argos führen wird. Auf diese Art ward der Andromeda, statt des Todes, ein Bräutigam zu Theil, wie man ihn nicht alle Tage findet.
4. Iphianassa. Ich wenigstens bin gar nicht unzufrieden, daß es so gieng: denn womit hat uns die Tochter beleidigt, wenn auch ihre Mutter einmal vermessen genug war, schöner als wir seyn zu wollen?
[205] Doris. Eben weil sie Mutter ist, würde das Schicksal der Tochter die empfindlichste Strafe für sie gewesen seyn.
Iphianassa. Laß uns die Sache vergessen, Doris. Mag auch ein Weib auf dieser barbarischen Küste zur Ungebühr geschwatzt haben: ist sie doch hart genug durch die Angst gestraft, die sie um ihr Töchterchen haben mußte. Freuen wir uns lieber über der Andromeda Hochzeitfeier!
1. Zephyr. Mein Lebtage, so lange ich blase, habe ich keinen prächtigern Aufzug auf dem Meere gesehen. Sahst du ihn nicht auch, Südwind?
Notus. Was für einen Aufzug, Zephyr? Wer waren denn die Festfeiernden?
Zephyr. Du bist also um ein Schauspiel gekommen, dergleichen du wohl nie wieder eines zu sehen bekommen wirst.
Notus. Ich hatte am rothen Meere zu thun, und mußte auch einen Theil von Indien, so weit es am Meere liegt, bestreichen: ich weiß also nicht, wovon du sprichst.
Zephyr. Du kennst doch den Sidonier Agenor?
Notus. Allerdings, den Vater der Europa: was soll der?
Zephyr. Eben von letzterer habe ich dir zu erzählen.
Notus. Etwa, daß Jupiter seit geraumer Zeit des Mädchens Liebhaber ist? O das habe ich längst gewußt.
[206] 2. Zephyr. Also von dieser Liebe weißt du. Höre nun das Weitere. Europa war mit ihren Gespielinnen, sich zu vergnügen, an’s Ufer gegangen. Jupiter hatte die Gestalt eines Stieres angenommen, und trieb Kurzweil mit den jungen Mädchen, denen er außerordentlich wohl gefiel. Er war ganz weiß, hatte zierlich gewundene Hörner und einen gar sanften, frommen Blick; tummelte sich lustig auf dem Anger herum und brüllte so anmuthig, daß Europa das Herz faßte, ihn zu besteigen. Kaum war das geschehen, als Jupiter mit seiner Last in vollem Laufe dem Meere zurannte, sich in dasselbe stürzte und fortschwamm. Das Mädchen, ausser sich vor Schreck, hielt sich mit der Linken an seinen Hörnern, um nicht herabzugleiten, mit der andern Hand hielt sie ihr Gewand zusammen, das der Wind gefaßt hatte.
3. Notus. Da hast du in der That einen anmuthigen, reizenden Anblick gehabt, Zephyr, Jupitern als Stier, mit seinem Liebchen auf dem Rücken durch die Fluthen schwimmend –
Zephyr. O, was nun folgt, war noch weit schöner! Die See ward alsogleich ganz wogenlos: die tiefste Ruhe breitete sich über die spiegelglatte Fläche. Wir Winde verhielten uns ganz still, und hatten nichts Anderes zu thun, denn als Zuschauer dieser Erscheinung zu folgen. Die Liebesgötter flogen neben ihnen und so nahe über dem Meere hin, daß sie bisweilen mit den Fußspitzen das Wasser streiften: sie trugen brennende Fackeln in den Händen und sangen dabei den Brautgesang. Die Nereïden tauchten auf, und ritten, die Meisten halbnackt, auf Delphinen nebenher, und jauchzten und [207] klatschten: auch das Tritonengeschlecht, und was immer für Wesen freundlicher Art in den Gewässern leben, schwammen in Reigen um die Jungfrau her. Neptun selbst hatte seinen Wagen bestiegen, und fuhr, mit Amphitriten an seiner Seite, fröhlich vor ihnen her, um dem schwimmenden Bruder den Weg zu weisen. Zuletzt kam die Liebesgöttin, auf einer Muschel liegend und von zwei Tritonen getragen, und streute eine bunte Fülle von Blumen über die Braut aus.
4. So gieng der Zug von Phönicien bis Kreta. Aber kaum hatte er das Land betreten, so verschwand der Stier, und Jupiter in eigener Gestalt führte Europen in die diktäische Höhle, wo sie wohl zu wissen schien, was ihrer wartete: denn hocherröthend und ohne die Augen aufzuschlagen ging sie an seiner Seite. Wir aber stürzten uns, der eine da, der andere dort hinaus über die See, und setzten sie wieder in ihre vorige lebhafte Bewegung.
Notus. Du bist glücklich, Zephyr, daß du einen solchen Anblick hattest: ich habe inzwischen nichts als Greifen, Elephanten und Mohren zu Gesichte bekommen.
- ↑ Die Gefährten des Ulysses. S. das nächste Gespräch. Vergl. Odyss. X, 166. ff.
- ↑ Das wasserlose, Hom. Il. IV, 171.
- ↑ Vergl. Göttergespr. III.