Ministerialentschließung vom 28. Oktober 1878, den Vollzug des Reichsgesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 betreffend

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Gesetzestext
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Titel: Ministerialentschließung vom 28. Oktober 1878, den Vollzug des Reichsgesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 betr.
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Fundstelle: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1878, Nr. 40, Seite 343–346
Fassung vom: 28. Oktober 1878
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 28. Oktober 1878
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[343]

Nr. 13352.

An die k. Regierungen, Kammern des Innern, Distrikts- und Ortspolizeibehörden.
Staatsministerium des Innern.

Unter Hinweisung auf das in Nr. 34 des Reichsgesetzblattes verkündigte Reichsgesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Socialdemokratie vom 21. Oktober l. Js. werden die oben bezeichneten Stellen und Behörden beauftragt, den Vollzug dieses Gesetzes mit Entschiedenheit, jedoch mit gewissenhafter Beachtung der durch dasselbe gezogenen Schranken zu bethätigen.

Hiebei wird auf nachstehende Punkte aufmerksam gemacht:

1) Die Überwachung der Vereine, Versammlungen, Druckschriften, dann der socialdemokratischen Agitation obliegt zunächst den Orts- und Distriktspolizeibehörden.

Sobald dieselben hiebei einen Anlaß für eine Thätigkeit der Landespolizeibehörde im Sinne dieses Gesetzes wahrnehmen, haben sie den Sachverhalt zu erheben und das Ergebniß der genannten Behörde zur Beschlußfassung vorzulegen. [344]

2) Zufolge Einverständnisses des Bundesrathes haben in Ausführung dieses Gesetzes die Landespolizei- beziehungsweise Polizeibehörden der verschiedenen Bundesstaaten direkt mit einander zu verkehren und ist den Requisitionen gegenseitig Folge zu geben.

Deßgleichen ist auch der Bundesraths-Commission (§ 26 u. 27 des Gesetzes) auf direkte Requisition im unmittelbaren Verkehre Rechtshilfe zu gewähren.

3) Die Bundesregierungen haben sich ferner bezüglich der Einschreitung gegen Vereine und Druckschriften gewisser Art über nachstehende Grundsätze geeinigt und ist denselben gemäß zu verfahren:

I.[Bearbeiten]

Die Initiative zum Erlaß des Verbots nach Maßgabe des § 1 des Gesetzes gegen Vereine, welche aus einem Centralvereine mit Verzweigungen bestehen, insbesondere auch gewerbliche Vereine (Gewerkschaften), geht von derjenigen Landespolizeibehörde aus, in deren Bezirk der Centralverein seinen Sitz hat. So lange nicht gegen den Hauptverein eingeschritten ist, kann von den betreffenden Polizeibehörden gegen die Mitgliedschaften selbstständig vorgegangen werden.

II.[Bearbeiten]

a) Die Initiative zum Erlaß des Verbotes nach Maßgabe des § 11 des Gesetzes gegen die zur Zeit des Inkrafttretens desselben bereits vorhandenen, nicht periodischen Druckschriften geht von derjenigen Landespolizeibehörde aus, in deren Bezirk die Druckschriften erschienen sind.
b) Nummern periodischer Druckschriften, welche vor dem Erlaß dieses Gesetzes erschienen sind, können da verboten werden, wo sie verbreitet werden.
c) Bereits erschienene ausländische, nicht periodische Druckschriften sind dort zu verbieten, wo sie sich in Verbreitung befinden; von mehreren gleichzeitigen Verboten dieser Art ist nur das zuerst erfolgte im Reichs-Anzeiger zu veröffentlichen; entstehen hiebei Zweifelsfragen über Priorität des Verbots, Identität [345] der Druckschrift, Umfang des Verbotes u. s. w., so entscheidet der Vorsitzende der Commission (§ 26 des Gesetzes).

III.[Bearbeiten]

Die in I und II entwickelten Grundsätze sollen nur als leitende Normen gelten, keineswegs aber die Landespolizeibehörden in ihrem pflichtmäßigen Vorgehen auf diesem Gebiete einschränken.

4) Die auf Grund des bayerischen Gesetzes vom 29. April 1869, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschaftsgesellschaften, vor dem 1. August 1873 eingetragenen „registrirten Gesellschaften“ sind gleich den eingetragenen Genossenschaften gemäß § 2 Abs. 1 des vorliegenden Gesetzes zu behandeln.

5) In den Fällen, in welchen ein Verbot durch den Reichsanzeiger zu veröffentlichen ist, hat diejenige Kreisregierung, welche das Verbot erlassen hat, dasselbe in der zur Veröffentlichung geeigneten Form an die Redaktion des Reichsanzeigers in Berlin einzusenden. Hiebei wird bemerkt, daß die Aufnahme nicht kostenfrei erfolgt.

6) Die im Reichsanzeiger veröffentlichten Verbote von Vereinen und Druckschriften werden auch, so weit nöthig, im Amtsblatte des k. Staats-Ministerium des Innern zur Veröffentlichung gelangen, da diese Verbote für das ganze Reich wirksam sind und der Reichsanzeiger den betheiligten Behörden in der Regel nicht zur Verfügung steht.

Die k. Regierungen, Kammern des Innern, sowie diejenigen Distriktspolizeibehörden, in deren Bezirken ein besonderer Anlaß hiezu besteht, haben alphabetisch geordnete Verzeichnisse der verbotenen Vereine, der periodischen und der nichtperiodischen Druckschriften für den Dienstgebrauch anzulegen und evident zu halten.

7) Wird auf Grund des § 15 des Gesetzes eine im Inlande erscheinende periodische Druckschrift vorläufig in Beschlag genommen, so hat die daselbst gebotene Vorlage an die Landespolizeibehörde desjenigen Bezirkes zu erfolgen, in welchem die Druckschrift erscheint. In allen übrigen Fällen der vorläufigen Beschlagnahme erfolgt diese Vorlage an die vorgesetzte k. Regierung, Kammer des Innern. [346]

8) Gewinnt eine Polizeibehörde oder Stelle Anhaltspunkte dafür, daß ein ausländischer Verein oder die fernere Verbreitung einer im Auslande erscheinenden Druckschrift zu verbieten sei, so ist behufs weiterer Einleitung gemäß § 6 beziehungsweise § 12 des Gesetzes mit thunlichster Beschleunigung dem k. Staatsministerium des Innern hierüber Bericht zu erstatten.

9) Es unterliegt keinem Zweifel, daß das im § 16 des Gesetzes vorgesehene Verbot von Sammlungen, wenn sie gelegentlich einer Versammlung vorgenommen werden wollen, auch von dem dieselbe überwachenden Abgeordneten der Polizeibehörde ausgesprochen werden kann.

Im Uebrigen ist zu beachten, daß gemäß § 52 und 53 des Polizei-Strf.-Ges.-Buches und Allerhöchster Verordnung vom 20. September 1862 (Reggsbl. S. 2269) Sammlungen im Allgemeinen der vorgängigen polizeilichen Bewilligung bedürfen.

10) Die landesgesetzlichen Bestimmungen über die Heimaths-und Niederlassungs-Verhältnisse in Bayern werden durch das vorliegende Reichsgesetz nicht berührt.

11) Von jedem auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verbote sowie von jeder Einschreitung auf Grund des § 22 mit 24 desselben ist durch die betreffende Polizeibehörde dem k. Staats-Ministerium des Innern unmittelbar Anzeige zu erstatten.

München, den 28. Oktober 1878.
v. Pfeufer.
Den Vollzug des Reichsgesetzes
gegen die gemeingefährlichen
Bestrebungen der Sozialdemokratie
vom 21. Oktober 1878 betr.
Der Generalsekretär,
Ministerialrath
v. Schlereth.