Modenbericht (Illustrirte Zeitung, 1843, Heft 4)
Wir gerathen jetzt ins siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert zurück, und die Moden unter Ludwig XIV. und Ludwig XV. kommen wieder in Aufnahme; die glatten Mantelets, die spitzen Leibchen, die engen und halblangen Aermel, alle diese alten Neuigkeiten bilden in zeitgemäßer Verjüngung und in neuen Stoffen die Mode des Tages.
Zur kleinen Abendtoilette werden häufig Kleider von Mousseline, Tarlatane, Fichüs à la paysanne, vorn durch ein natürliches Bouqet oder eine gothische Nadel festgehalten, und Bändercoiffüren getragen.
Als Hausnegligé nimmt sich ein Peignoir von Mousseline mit chinesischer Seide, rosafarben, gefüttert, sehr gut aus; die Aermel sind türkisch und mit zwei breiten Spitzenstreifen besetzt; das Häubchen ist von Spitzen mit Rosaband und einer chinesischen Rose.
Für die Promenade besteht jetzt die geschmackvollste Toilette in einem langen, sehr weiten Barègekleide, Mantelet von schwarzen Spitzen, weißen Crèpehute mit Federn und Stockparasol – ombrelle douairière. –
Während der schönen Jahreszeit liegt die Eleganz einzig und allein in geschmackvoller Einfachheit und in der Wahl leichter, frischer Stoffe; auf die schweren, reichen Winter- und Frühlingstoiletten folgen jetzt die Mousseline, die Barège, die Nankings, die Strohhüte, die Capoten. Und alle diese einfachen, bescheidenen Gegenstände weiß der Geschmack zu einem Ensemble zu vereinigen, welches uns den Glanz der abgelaufenen Saison vergessen läßt.
Der Mantelet ist ziemlich derselbe, wie er im Jahre 1837 war; der Unterschied liegt nur in der Garnitur, der Schnitt aber ist fast ganz gleich. Die Mantelets von schwarzem, braunem oder anderm dunkelfarbigen Taffet trägt man zum Negligé wie zur Abendtoilette; glacirte Stoffe von hellen Nuancen sind blos für die Halbtoilette des Tages verwendbar. Zur Garnitur nimmt man lieber denselben Stoff, aus welchem der Mantelet gefertigt wird, als Bänder.
Unsere Zeichnung stellt eine Dame vor, welche ihren Mantelet ganz mit der ernsten Grazie einer Frau von Stande trägt. Die Taille darf kaum sichtbar sein.
Es sind auch mehre Neuerungen in dem Schnitte der Kleider am Modenhorizonte aufgetaucht, ohne jedoch gerade große Aufmerksamkeit zu erregen; wir erwähnen blos die Aermel mit Buffen am Handgelenk, die geschnürten Leibchen und die Kleider mit spanischer Garnitur.
Die Federn auf den Strohhüten werden immer beliebter, obgleich auch einfache Bänder sich sehr geschmackvoll ausnehmen. Unsre schönen Leserinnen, welche den Sommer auf dem Lande zubringen, machen wir auf den neuerfundenen Strohhut der Modistin Alexandrine aufmerksam, da er offenbar den Vorzug vor dem alten Schweizerhute mit runden flachen Krämpen hat, dessen jetzt schon die Pensionsschülerinnen überdrüssig sind. Dieser Strohhut, welcher den Namen Capeline erhalten hat, ist der eigentliche ursprüngliche
[64]italienische Strohhut, geschmeidig, leicht und naiv. Man kann ihn mit Band- oder Sammetrosetten verzieren, oder auch, nach italienischer Art, Blumen unter denselben in das Haar stecken.
Es läßt sich gewiß keine Hutform denken, welche den Kopf weniger belästigt und das Gesicht besser schützt.
Die eine der beiden vorstehenden Figuren trägt ein Battistkleid mit doppelten Aermeln. Die myrthengrüne Taffetschürze reicht ziemlich weit um die Taille herum; der flache, glatte Halskragen ist vons einer holländ. Leinwand.
Die andre trägt ein Nankingkleid mit halblangen, glatten Aermeln. Der Kragen, unter welchen eine kleine schottische Cravate geknüpft ist, besteht aus gestreiftem Linon; die Handschuhe sind von Taffet.
Das Stockparasol – ombrelle douairière –, dessen wir schon eben erwähnten, ist auf dem Lande sehr praktisch. Der Stock eignet sich sehr gut, um auf Spaziergängen in den Parks, in dunkeln Alleen oder auf Wiesen mit hohen Blumen, Reiser und andere Gegenstände, welche sich leicht an die Kleider hängen und das Gehen erschweren, aus dem Wege zu räumen. Der gewöhnliche Sonnenschirm ist dazu nicht ausreichend und der Knicker ermüdet die Hand.
Diese beiden Knabenanzüge sind sehr beliebt. Der ältere Knabe trägt eine Tuchjacke und Pantalons von Trivot oder Nanking; der Hemdkragen ist über das Halstuch geschlagen; der jüngere trägt eine Sammetblouse und Trivotkamaschen; die Beine sind nackt. Das Hemd ist wie ein Schweizerhemd gefältelt und ragt ein wenig über die Blouse empor, läßt aber den Hals frei. Die Mütze sitzt gut auf dem Haare à la jeune France.
Da wir einmal auf die Kinder gekommen sind, so geben wir noch die Abbildung eines von dem Mechaniker Lebrün zu Paris erfundenen Laufwagens.
Die Vortheile desselben sind zu sehr in die Augen fallend, um einer besondern Bezeichnung zu bedürfen. Viele Kinder, die gerade und wohlgeformt zur Welt gekommen sind, verkrüppeln später in größerm oder minderm Grade, weil ihnen zu zeitig zugemuthet worden ist, die ganze Last des Körpers blos auf den schwachen Beinchen zu tragen. Mittelst dieser künstlichen Beine dagegen können die Kinder sich stützen und ohne Gefahr und Ermüdung überall hin bewegen. Dasselbe leisten in Deutschland, wenn auch minder kostbar, die oft sehr niedlich geflochtenen Laufkörbe.