Näherrecht (Großh Hess)(1820)
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Durch die allerhöchste Verordnung vom 15. Mai 1812 sind alle Abtriebs- und Näherrechte[WS 1] wegen ihrer nachtheiligen Einwirkung auf den Handelsverkehr und der daraus entstehenden Veranlassung zu Prozessen aufgehoben worden. Bei der allgemeinen Fassung und den ausgedrückten Motiven dieses Gesetzes kann es im mindesten nicht zweifelhaft erscheinen, daß solches bei beweglichen sowohl, als bei unbeweglichen Sachen seine Anwendung finden müsse, und die Fortdauer irgend eines Abtriebs- oder Näherrechts nicht zulässig seye. Es ist indessen dem unterzeichneten Colleg zur Kenntniß gekommen, daß diesen klaren gesetzlichen Bestimmungen zuwider, dennoch an manchen Orten dieser Provinz, und namentlich von Zünften, beim Ankauf von Vieh und rohen Häuten dergleichen Gerechtsame zur Ausübung gebracht werden, und findet man sich dadurch veranlaßt, die genaue Beobachtung der im Eingang genannten Großherzoglichen Verordnung im ganzen Umfang der Provinz Oberhessen wiederholt einzuschärfen, und namentlich sämmtlichen Justiz- und Polizeibeamten hierdurch bei eigener Verantwortung aufzugeben, keine Ausübung von Abtriebs- oder Näherrechten fernerhin zuzulassen.
- Giesen, den 18. November 1820.
Knorr. Trapp.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Abtriebs- und Näherrechte sind Vorzugsrechte der potentiellen Erben des Verkäufers, aufgrund deren sie ohne ihre Einwilligung verkaufte Sachen vom Käufer gegen Ersatz zurückzukaufen können.