Neu-Deutschland unter dem Aequator

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Titel: Neu-Deutschland unter dem Aequator
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aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 763–764
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Werbung für die Ansiedlung Deutscher in Ecuador
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Neu-Deutschland unter dem Aequator.

(Die Ecuador-Land-Compagnie.)

Das eroberndste Volk sind die Deutschen. Keine Nation, keine Regierung der Welt kann sich so vieler festen und sichern, gedeihenden und vergrößernden Colonien rühmen, als Deutschland. Daß sie von Mutter- und Vaterländern zu Hause nicht „beschützt“ werden, ist just ihre Kraft und Bedeutung. Sie stehen und gedeihen überall, ohne Waffen und Kriegsschiffe und diplomatische Häkelei, aus eigenem positivem Verdienst. Der Ackerbau, der Weinbau, die Schweinemast, die Tischlerei, der Unterricht in Wissenschaften, Künsten und Sprachen, das Turnen, das gesellige Kneipen u. s. w. sind so verbreitete und anerkannte Verdienste der Deutschen in Amerika, daß kein gebildeter Yankee mehr frühere Spötteleien über die „Deutschen“ wiederholen oder billigen mag. Drei Viertel der russischen Cultur wird bis auf den Thron von Deutschen vertreten. Die fashionableste Umgangssprache in England ist vom Hofe her die deutsche. Die Musterackerwirthschaft, Schule und Unterricht in Australien sind in den Händen der Deutschen. Die lebendige Mauer der Civilisation in der Cap-Colonie gegen die Kaffern besteht aus deutsch-englischen Fremden-Legionären. Das erste californische Schiff, das nach der neuen russischen Amur-Civilisation abging, wurde von dem deutschen Kaufmanne Esche ausgerüstet. Barth und Overweg haben das ganze nördliche Central-Afrika geöffnet.

Wir könnten noch lange so fortfahren, aber nicht Bekanntes und Begründetes wollen wir hier zur Sprache bringen, sondern den neuen, von einem Deutschen in London begründeten und geleiteten Plan zur Eroberung eines ganzen Landes, das größer als ganz Deutschland ist, alle Klimate der Welt in sich vereinigt, die erhabensten Gebirge, darunter den Chimborasso, und die gewaltigsten Vulcane auf seinem Rücken trägt und von Gold und Kostbarkeiten aller Art quillt und fleußt.

Es ist die Republik Ecuador, die Aequator-Republik, zwischen Neu-Granada und Peru, Brasilien und dem stillen Oceane, 15,385 Geviertmeilen als Fläche, mit den gewaltigen Gebirgen über hundert mehr umfassend, also 3923 Geviertmeilen mehr, als ganz Deutschland[1]. Doch die Größe macht’s nicht. Die ungeheuersten Gebirge Südamerika’s, Wüsten und Wälder und äquatorverbrannte Tief-Ebenen müssen mit mehreren Tausend Quadratmeilen als ganz werthlos abgezogen werden. Aber dann bleibt immer noch das malerischste, paradiesischste Land Südamerika’s übrig, mit allen möglichen Klimaten und Contrasten der Erdoberfläche. Der gewaltigste aller Ströme, der Amazonenstrom, hier unter dem Namen Maranon entspringend, bewässert mit vielen Nebenflüssen eine dichtbewaldete Tiefebene im Osten und Süden. Dampfschiffe kommen vom atlantischen Meere bis Nauta zwischen 4° und 5° nördlicher Breite und 73° und 74° w. Länge von Greenwich. Der westliche Theil Ecuador’s ist Hochland der Cordilleras de los Andes, der südlichste eine Verkettung verschiedener Cordilleren-Züge zu dem Loxa-Gebirgsknoten, der östliche in’s Land hinein, wie der westliche nach dem stillen Oceane herunter schnelle, jähe, höchst malerische Abdachung und Auslauf in’s Meer oder dichter Wald. Auf diesen verschiedenen Abdachungen schichten sich die Eigenthümlichkeiten und Producte aller Klimaten empor. Beinahe unter dem Aequator sieht man aus der Gluth senkrecht niederbrennender Sonne in den ewigen Schnee der Cordillerenhäupter empor, die sich von zwölf- bis mehr als zwanzigtausend Fuß hoch nach dem Trachyt-Dome des Chimborasso zu aufschichten. Dadurch sind Terrassen von der eigenthümlichsten Beschaffenheit und Größe entstanden, Hochplateau’s und tiefe Thäler, acht bis zehntausend Fuß über dem Meeresspiegel und ihrer Lage nach mit einem ewigen Frühling üppigster Vegetation und mit einem Culturleben – ohne Gleichen auf der ganzen Erde. Das Centrum des ungeheueren Landes zieht sich um die Hauptstadt Quito auf dem dreiundvierzig Meilen langen und sieben Meilen breiten, acht bis zehntausend Fuß hohen Quito-Plateau. Der Aequator läuft ganz unmerklich durch diese italienisch heitern oder süddeutsch-fruchtbaren Paradiese, in denen die Sonne nie sticht, die Kälte nie beißt. Der ewige Schnee kühlt aus den unabsehbaren Höhen, die ewige Hitze, erstickend an der Küste und in den Waldebenen des Maranon, wärmt herauf, so daß sich Nordpol und Aequator fortwährend zu einer ewigen Milde und Fruchtbarkeit ausgleichen. Dies kommt auf der ganzen Erde nicht zum zweiten Male vor. Diese Quito-Hochebene, in der Ferne von den gewaltigsten Gebirgsformationen und den doppelten Gewölben theils erloschener, theils noch thätiger, 600 Quadratmeilen bedeckender Vulcane umgrenzt, ist ein paradiesisches Wunder von Gärten und Feldern, Städten und Dörfern, Viehweiden, Wiesen, Quellen, Flüssen, Seeen, Bergen und Thälern, aus denen noch neben der Blüthe des Lebenden mannichfache grandiose Denkmäler der alten Inka-Cultur, Tempel, Paläste, Mausoleen und Kunststraßen in noch trotziger Kraft hervorragen. Quito selbst, blos vierthalb Meilen südlich vom Aequator, breitet sich in einem malerischen Thale, 8954 Fuß hoch über der Meeresfläche – die höchste Stadt der Erde – am Fuße der Panecilla-Hügelkette und des 14,940 Fuß hohen Vulcans Pichincha wie ein Wunder auf einem fast stets vulcanisch zitternden Boden aus. Die Paläste, Kirchen und Klöster, die Universität und mehrere wissenschaftliche Anstalten, so wie Fabriken und Handelsverkehr nach und von dem großen Hafen Pailon, geben der Stadt mit 70,000 Bewohnern etwas Grandioses. Doch die meisten Nebenstraßen bestehen aus niedrigen Lehmhäusern, die von außen armselig aussehen, obgleich innen oft viel Luxus und Pracht herrscht. Man baute niedrig und dick, um sicherer gegen vulcanische Erschütterungen zu sein. Diese hören fast nie auf, so daß man sich eben so wenig darum [764] ängstigt, wie der Matrose das Schaukeln auf seinem Schiffe beachtet. Nur zuweilen werden die Erdbeben furchtbar, wie z. B. 1797, als ein vulcanischer Ausbruch ganze Hochthäler umwälzte, die reiche Stadt Riobamba zerstörte, viele Gebäude in Quito zertrümmerte und mehr als 40,000 Menschen unter seinen Feuer- und Gluthfurchen begrub. Zu diesen Tragödien aus der Unterwelt kommen oft die grausigsten Blitze und Donnerkeile des Himmels. Es kommen Gewitter vor, unter denen die Erde oft eben so zittert, wie über vulcanischen Erschütterungen.

Außer diesen beiden Uebeln bietet die Natur aber nur Segen, Pracht und Ueberfluß: Gold, Silber, Quecksilber, Schwefel, vieles Edelgestein, Getreide, fette Ergebnisse von allerlei Viehzucht, Feld- und Gartenfrüchte, Cacao, Zuckerrohr, Vanille, ausgezeichneten Tabak, Reis, Indigo, die mannichfaltigsten Farbehölzer, Droguen, Honig, Cochenille und unzählige andere Producte, unter denen Chinarinde mit besonderer Ergiebigkeit oben an steht, da die Cinchonabäume, welche diese unentbehrliche Rinde liefern, fast in allen andern Welttheilen ziemlich erschöpft sind. Fabrikate sind verhältnißmäßig schwach, da die etwa 600,000 Einwohner des großen ungeheuern Reichs (ohne die unabhängigen, gebildeten, ansässigen Indianer) nur mit etwa funfzehn Procent weiße, d. h. bräunliche, faule Spanier sind. Die Hälfte besteht aus Nachkommen der alten peruanischen Inkaindianer und der Rest aus Mischlingen, unter denen die Creolen in Schönheit, Fleiß und Bildung einen hohen Rang einnehmen. Aber was sind sie auf mehr als 15,000 Quadratmeilen!

Anderswo herrscht wegen Uebervölkerung oft Mangel, hier sehnt sich die Natur nach Menschen für ihre überquellenden Reichthümer. Doch was kann aus dieser Republik und den beiden andern[2] werden, so lange die Nachkömmlinge der alten erobernden Spanier mit ihrer faulen Grandezza, ihren Bluthunden und ihrer Klerisei die Oberherren, Steuereintreiber und Schuldenmacher spielen! Die Regierungen und Präsidenten von Ecuador borgten für ihre Kriege und Diplomatieen so viel Geld, als sie nur immer auftreiben konnten, fanden aber später und bisher keine Mittel, nur die Zinsen zu bezahlen. Die englischen Gläubiger wurden ungeduldig und brachten es endlich dahin, daß die Regierung Zahlung aus ihrem wirklichen Ueberflusse anbot: Land, Grund und Boden, 4,533,204 Morgen à 25 Sgr. Diese mehr als 41/2 Millionen Morgen vertheilen sich in fünf Gruppen, von denen drei am Meere auch die drei Haupthäfen des Landes einschließen. Die eine am Pailonhafen allein, mit 173,553 Morgen, kann als gute Bezahlung der 566,120 Pfund rückständiger Zinsen gelten. Ein Engländer, der diesen District expreß untersuchte, sagt darüber: „Der Pailonhafen, groß genug für die stärkste Flotte, führt leicht zu den Goldregionen am Barbacoas in Neu-Granada, nach Mimbi, Playa de Oro und Cachabi in Ecuador, in die fruchtbaren Hochebenen von Imbabura und Quito (die Regierung läßt eine Straße bis Quito bauen). Auch eine ausgedehnte Communication durch Flüsse, die hier münden, ist nicht zu übersehen. Die ganze lange Küste bietet keinen günstigeren Hafen. Das Klima ist zwar sehr warm hier unten, aber gesund, der Boden überreich an allen möglichen tropischen Producten, besonders an kostbarem Bau- und Nutzholz. Die Entfernung von Quito beträgt blos zwölf geographische Meilen, die jetzt chaussirt werden.“

Wenn aber dieser Hafentheil nicht bezahlt und gefällt, kann man Nummer 2 am südlicher gelegenen Alacameshafen wählen (ebenso groß als Nummer 1), oder das dritte Stück Gualagiza, 1,735,330 Morgen mit kühler Cordilleren-Erhabenheit und dem vielarmigen Flusse Santiago, der in die Maina’s des Amazonenstromes hinunterführt, oder das vierte am grandiosen Golf von Guayaquil mit der jetzigen Regierungshauptstadt gleiches Namens in der Nähe, über 715,000 Morgen groß, oder endlich das fünfte, Canelos, 1,735,330 Morgen (wie das dritte), hinter der nördlichen Abdachung des Chimborasso, mit drei vielfach geäderten Flüssen, die in den Amazonenstrom hinabführen. Drei und fünf sind die gesundesten, aber die werthlosesten, weil sie an der östlichen Abdachung der Felsengebirge liegen und der Verkehr mit der Westseite große Schwierigkeiten bietet, nach Osten aber nur die ungeheuere Wasserstraße des Amazonenstromes einen Ausweg aus dem furchtbaren Continente Nord-Brasiliens am Aequator hin in’s atlantische Meer bieten würde. Auch liegen 3 und 5 über sichere Grenzen hinaus. Nachbar Peru im Süden macht nämlich auf eine Grenze Anspruch, die das ganze Land Ecuador vom 5. Grade aus nach dem Aequator hin bis zum 76. Längengrade in zwei Hälften so zerschneiden würde, daß Nummer 3 ziemlich ganz und Nummer 5 bis beinahe zur Hälfte auf peruanischem Gebiete liegen würde. Doch dies ist unter den gegebenen Verhältnissen Nebensache, da man sich jedenfalls zunächst auf den District Nummer 1 beschränken und dieser allein reichlich für Alles zahlen und zinsen wird.

Um die Zinszahlung der Ecuador-Regierung in baarem Land flüssig zu machen und zu verwerthen, sind die Gläubiger unter Direction eines deutschen Kaufmanns in London zu einer „Ecuador-Land-Compagnie“ zusammengetreten, deren Actionaire zusammen sofort Eigenthümer der 4,533,204 Morgen Landes sind. Jeder, der sich mit einer Pfundactie betheiligt, ist dafür sofort Grundeigenthümer von 8 Morgen Land in der Republik Ecuador. (Es werden nur Zweipfund-Actien ausgegeben.) Um diesen Besitz, in welchem Tabak, Holz, Mais, China, Baumwolle, Weizen, Cacao, Kaffee, Kautschuk, Gold-, Silber-, Kupfer- und Edelstein-Minen unbenutzt und unverwerthet stecken, zu einem steigend profitablen zu machen, muß gearbeitet werden. Dazu gehören tüchtige, intelligente Arbeiter und Actionaire, die sich hier leicht vereinigen lassen. Am willkommensten sind beide von Deutschland. In der That ist die Absicht (wie ich unter dem Siegel der Verschwiegenheit mittheile), Ecuador zu einem neuen Deutschland zu machen, da man bei Bildung der Compagnie die Ueberzeugung aussprach, daß 2000 tüchtige Söhne Deutschlands in Ecuador sofort mehr werth seien und mehr Macht äußern würden, als die ganze Republik Ecuador. Ein Deutscher in Quito (natürlich sind auch in Quito Deutsche), Adolph Klinger, gehört mit elf angesehenen Spaniern zu den eifrigsten Förderern des Planes, Deutsche auf diesen als Zahlung gegebenen Boden zu verpflanzen. Wie wir zunächst im Allgemeinen versichern können, wird die Compagnie besonders Deutsche, die sich entweder als Actionaire, oder als Arbeiter, Handwerker, Ackerbauer etc. zu betheiligen bereit erklären, vor allen Andern begünstigen und ihnen in gewissen Fällen freie Ueberfahrt gewähren. Die geschäftlichen Einzelnheiten dabei sind nicht unsere Sache.

So weit haben wir unsere Aufgabe gelöst, die Deutschen auf eine neue Welt, die besonders für sie und durch sie in ihren Schönheiten und Reichthümern eröffnet werden soll, aufmerksam gemacht zu haben. Was wir darüber in möglichster Kürze mittheilten, ist richtig. Es wird von jedem Einzelnen, der sich näher dafür interessirt, abhängen, sich bestimmter zu unterrichten und sich darnach zu entscheiden. Wir selbst kommen wohl gelegentlich auf das Unternehmen zurück.


  1. Es sind hierbei allerdings große von Peru und Brasilien in Anspruch genommene Gebiete mit berechnet worden.
  2. Neu-Granada und Venezuela. Diese drei Republiken gingen unter vielen Bürgerkriegen und giftigen Parteikämpfen 1831 aus dem Staate Columbia hervor; aber unter der überall demoralisirten spanischen Herrschaft ist bis jetzt aus keiner etwas Erträgliches geworden.