Geneigter Leser.
DAs von dem berühmten Mechanico, Herrn Orffyreo, im Jahr 1712. zu Gera glücklich erfundene und nachgehends zu Draschwitz und Merseburg A. 1713. 1714. 1715. und 1716. gestandene Perpetuum Mobile, welches viel curieuse Liebhaber inner- und ausserhalb Landes sehr wohl contentiret, hat an mißgönstigen aemulis so viel erbitterte Feinde gefunden, daß sie ihrem unzeitigen Eifer nicht steuren können, sondern ihr foible durch Satyrische Kupffer, scoptische Schrifften und allerhand üble Nachreden gar sehr verrathen. Allein was werden sie nunmehro sagen, da der Herr Orffyreus, den sie gäntzlich zu Schanden gemacht zu seyn geglaubet, mit einem neuen und grössern Perpetuo Mobili, unter der Auffsicht und in Gegenwart eines grossen Fürsten, der bey aller Welt den Ruhm einer grossen Gelehrsamkeit und profonden Wissenschafft in der Mechanic hat, aufftritt? welches seine Probe einen gantzen Monat länger, als die Zeit darzu bestimmt ge-
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wesen, sehr wohl gemacht, wie aus nachstehender Nachricht aus Cassel mit mehrern zu ersehen seyn wird. Endlich kan ein jeder aus dieser Nachricht deutlich ersehen, daß man sich aus Haß und vorgefaßten Meynungen, so offt ein neues Inventum an den Tag kömmet, nicht übereilen, sondern mit Geduld erwarten müsse, wie weit es damit komme; denn alles will Zeit und Weile haben, und die Welt selbst ist von einem allmächtigen Meister nicht in einem sondern sechs Tagen, und also nach und nach erschaffen worden. Ja es wird vielleicht den unbesonnenen Spöttern mit der Invention des berühmten Herrn D. Agricolae in kurtzem eben so, wie einigen ungläubigen Thomas-Brüdern nunmehro bey der wiederholten neuen Probe des Herrn Orffyrei ergehen. Wobey schlüßlich noch zu melden, daß die Beschreibung und ein accurater Enttwurff im Kupffer-Stich des ehemahls zu Merseburg gestandenen Perpetui Mobilis, zu Leipzig im Durchgange des Rathhauses in der Boutique zum Contoir-Calender noch zu haben ist.
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Cassel, vom 28. Januarii
1718.
Nachdem von denen Ubelwollenden des Anno 1712. zu Gera glücklich erfundenen und verfertigten, nachgehends aber A. 1713. 1714. 1715. und 1716. zu Draschwitz und Merseburg gestandenen, auch hieselbst von sehr vielen Hohen und niedern Personen im Lauff und Operation gesehenen ORFFYREIschen Perpetui Mobilis zeithero mancherley unbedächtiges, so dem Inventori nicht anders als empfindlich, dem Wercke selbst aber sehr verkleinerlich gefallen, so wohl im öffentlichen Drucke, als auch auf andere Art ausgestreuet worden; wie man Ihn denn unter andern an einem gewissen Orte unter mancherley zum Theil abentheuerlichen Einräumungen und Bedingungen zu einer Wette provociret. Nachdem nun der Inventor (welcher schon seit Jahr und Tag her[1] in Sr. Hoch-Fürstl. Durchl. des Herrn Landgraffen zu Hessen-Cassel Diensten stehet) sich bey der Musse be-
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funden, eine neue Machine seines Perpetui Mobilis wieder zu verfertigen, folglich dieselbige der Welt und denenjenigen, so an deren Realität noch einigen Zweiffel tragen, anderweit vor Augen zu stellen, welche auch schon im verflossenen 1717. Jahre im Monath Augusti auff dem Landgräfflichen Schloß Weissenstein, ohnweit CASSEL, zur Perfection kommen, sofort durch viele Fürstliche und andere hohe Personen, nicht weniger berühmte und gelehrte Mathematicos, Mechanicos und erfahrne Künstler mit grosser Approbation genau observiret und besehen, so wohl nachgehends in hoher Gegenwart und auf Befehl Sr. Hochfürstl. Durchl. des Herrn Landgraffen, etc. an sichern Ort und Stelle mit versetzten Fenstern und doppelten Thüren, zu der längst verlangten Lauff-Probe gebracht, wohl versiegelt und verwahret worden; da denn angeregtes Perpetuum Mobile von dem 12. Novemb. an, des vorigen 1717. Jahres, biß in jetziges 1718. und also acht Wochen, und so lange als es Sr. Hoch-Fürstl. Durchl. gefallen, continuirlich operiret und gelauffen, und so nach zu höchst-gedachter Sr. Hoch-Fürstl. Durchl. und dessen damals anwesenden Ministrorum grossen Vergnügen, die so lang begehrte und vorgeschriebene Monathliche Probe zweyfältig abgeleget. So will nun die Nothwendigkeit, sowohl auch die Obligation gegen das Publicum, erfordern, hiervon öffentlich Nachricht in die Gazetten, ob zwar nur mit wenigen und ohne noch zur Zeit auf die dem Inventori entgegen gesetzte zum Theil unbillige und sehr stachlichte Dubia zu antworten, der curieusen Welt zu ertheilen.
Anlangend die Beschaffenheit der Machine samt deren Würckung, so wie dieselbe sich jetzo gegenwärtig und zwar äusserlich befindet, so kommt selbige fast durchgehends mit dem zu Merseburg dargestellten Perpetuo Mobili überein, weil solche eben in ein Zimmer gesetzt werden müssen so ei-
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nen grössern Diametrum als von 12. Schuhen nicht admittiret; nur dieses ist an jetziger Machine zu bemercken, daß solche
(1.) Einen halben Schuh dicker als die Merseburger, und also im profil anderthalb Schuh hält.
(2.) Die Welle ist 6. Schuh lang un 8. Zoll im Durchschnitt.
(3.) Die grossen schweren, aus gantzem Eichenen Holtz gemachten Stampen stehen an der Wand und werden mit Hebe-Latten gehoben.
(4.) Zu jeder Seiten ist wieder ein Perpendicul befindlich, welche dem Wercke einen aegalen doch etwas längsamern Lauff geben, können aber, wie offt gesehen worden, ab- und weg gehänget werden.
(5.) So wird auch wiederum, wie in Merseburg, ein schwerer Kasten voll mit Steinen ausserhalb des Schlosses durch einen Zug zum Fenster hinein, von der Machine sehr hoch hinauf gewunden und gezogen.
(6.) Aller Zweiffel eines äusserlichen Zuges ist nunmehro augenscheinlich dabey benommen, u. s. w.
Widrigen Falls sich aber ja annoch die Chaldäischen, Aegyptischen, Zanck- und Groll-süchtigen abentheurliche Wetter fernern lästerlichen Zweiffels rühmen wolten; NB. So soll hiermit ihrem Geld-Beutel endlich einmahl hinterbracht seyn, daß die in Druck gegebene so höhnische Wette nunmehro eingegangen werden soll, und zwar nicht mit 1000. Rthl (welche gegen ein so wichtiges Werck, und anderer Bedencklichkeiten wegen, ein Bagatel,) sondern es sind 10000. Rthl. gegen andere 10000. Rthl. gesetzet, daß das ORFFYREIsche künstliche Rad dasselbige wahre, von gelehrten Leuten viel vorgeschriebene und von allen Perpetuum-Mobilisten jemahls gesuchte und gewünschte Werck und Mobile-Perpetuum, pure artificiale, quoad durantem materiam etc. ja dergleichen Erfindung
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sey, so weder von äusserlicher Gewalt gezogen, noch von innerlichem Räder- und Feder-Getrieb aufgezogen werden darff, sondern durch eigene Krafft so lange lauffen kan, als lange an der Materie und innern Structur nichts abnimmet, gebricht, mangel- und schadhafft wird, ausser welcher Unbeständigkeit die Machine sich wohl ewig bewegen könne. Und sey bey der Wette sonst nichts ausgenommen, als daß der geschwinde Lauff unvorgeschriebener massen der Machine eigener Disposition überlassen werden soll, sie lauffe in einer Minute gleich 10. 20. 30. 60. oder 100. mahl herum etc. Ausser diesem will das ORFFYREIsche Rad mit allen Wettern nach Verlangen in allen Fällen um die Wette lauffen, so weit die Schrancken gehen.
Wer hiervon weiter Nachricht begehret, kan solche entweder von dem Hochfürstl. Post-Commissario Hrn. Rennern in Cassel erlangen, oder an den Hn. Commercien-Rath ORFFYREUM auf dem Schloß Weissenstein bey Cassel wohnend, selbst schreiben.
P. S. Schließlich ist die Frage: Wo und wenn doch Christ. Wagners, eines Studiosi in Leipzig, sein ehemals in Kupffer gestochener Bratenwender, eine lauffende Machine, gleich des ORFFYREI seiner, werden wird? Ingleichen: Wo doch das von dem Fürstl. Meinungischen Küchenmeister Mahn, vor dem Jahre der curiösen Welt so sancte versprochene Perpet. Mobile bleibe? auf welche Dinge doch nun so lange mit Schmertzen gewartet, und wodurch zu Verzögerung des itzigen ORFFYREIschen Perpetui Mobilis, nicht wenig Ursache gegeben worden.
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