Nichts tötet schneller als Lächerlichkeit

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Textdaten
Autor: Kurt Schwitters
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Titel: Nichts tötet schneller als Lächerlichkeit
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aus: Der Sturm, 10. Jahr, Nr. 11 (Februar 1920): S. 157.
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Erscheinungsdatum: 1920
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Quelle: bluemountain.princeton.edu
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[157] Nichts tötet schneller als Lächerlichkeit

Kurt Schwitters

So wollen wir uns heute einmal Herrn Felix Neumann „ergreifen“. „Nichts tötet schneller als Lächerlichkeit“, schreibt er. Aber mein Herr, Sie begehen ja Selbstmord! Haben Sie denn Ihren Artikel in der Post vom 6. Januar 1920 nicht gelesen? Der reinste Selbstmord! (Nichts tötet schneller als Lächerlichkeit.) Ich citiere wörtlich: „Die Umrisse aller Begebenheiten sind ins Ungeheuerliche gerückt“. Wir wollen uns einmal diesen einen Satz „ergreifen“, heute einmal. Was haben Sie sich wohl dabei gedacht? (Damenringkampf mit Turbinen.) Ach, zeigen Sie mir doch bitte einmal den Umriss einer Begebenheit, oder einen ins Ungeheuerliche gerückten Umriss. (Die Frau ist doch schliesslich auch kein Räderwerk!) Ergreifen wir uns einmal den nächsten Satz: „Alles Alte, ehrwürdig Überlieferte liegt auf dem Kehrichthaufen.“ Sagen Sie mal, Herr Neumann, gehören Sie auch zum ehrwürdig Überlieferten? Dann wollen wir lieber fortfahren. Sie treiben also sozusagen „Schindluder“ mit Anna Blume. (Preisfrisierwettbewerb mit Salonmusik.) (Er hat en Bullen gemolken.) Sie sagen, ich nagte mit tausend Gesinnungsgenossen an den Wurzeln unserer Kraft. (Ein schönes Bild.) Sie meinen wohl: Ihrer Kraft? Nein, millionenmal nein, ich nage nicht, seien Sie unbesorgt, ich bin keine Ratte und Sie sind kein Baum. Ich wüsste auch garnicht die Wurzeln ihrer Kraft zu finden. Ausserdem würde ich auch meinen Weg allein nagen, ohne tausend Mitnager. Aber ich bin kein Nagetier, sondern man nagt mich an. Wollen Sie wohl gleich aufhören, mich anzunagen, sonst mache ich Sie lächerlich, jawohl! Ich mache Sie sonst lächerlich. Sie wissen doch, das tötet. (20 Jahr, da stand der Schwanz noch kerzengerade hoch, 30 Jahr, da hat er schon en Bogen.) Ich brauche bloss abzuschreiben, was Sie selbst geschrieben haben, das genügt. Ich brauche bloss Ihre eigenen Worte, „auf den Büchermarkt zu werfen“, ich brauche Sie garnicht erst „in den dadaistischen Dichterschlund“ zu reissen. (Und meine Zähne sind so teuer gewesen.) Sie meinen, dass „Schmutz in Wort und Bild tonangebend wurden.“ Mein Herr, Ihre Art zu kritisieren, wird nie tonangebend werden, nichts tötet schneller als Lächerlichkeit. Sie meinen aber, diese trüben Erscheinungen wären nur „vorübergehend“. Da muss ich allerdings widersprechen. Kritiken, wie die Ihrigen, „vernichten“ (Schmutz in Wort und Bild) zu tausenden unter Ausnutzung der jetzt günstigen Konjunktur den Rest von Feingefühl im deutschen Volke und unterhöhlen den Baum der Kunst. „Aber nichts tötet schneller als Lächerlichkeit.“ Und der Baum der Kunst ist eine Schlange (fein, was?) mit tausend Köpfen am Fusse und wenn Sie einen abgenagt haben, dann wachsen tausend Zehen aus jedem Hühnerauge seiner Wurzeln, und das ist schlimm für Sie. Denken Sie doch nur, wenn der Baum der Kunst ein Pflaumenbaum wäre, der Sie einzeln vor den Richterstuhl schleppte („und in Ihrer ganzen traurigen Erbärmlichkeit zerpflückte“) und dem Gespött überlieferte. („Und – dem Gespött überlieferte“.) Mein Herr, ich muss lachen, ich kann nicht mehr ernsthaft schreiben. Gleich beisse ich doch die letzte haltende Wurzel durch. „Vorsicht, sonst fällste!“ „Am meisten zu bedauern ist aber das deutsche Volk, dem moderne Kritiker so etwas zu bieten wagen.“ Es erübrigt sich, auf Einzelheiten einzugehen. „Lassen Sie sich man keenen Dachziegel aufen Kopp fallen.“ Also, nichts für ungut!