Noch ein Düsseldorfer Meister
[52] Noch ein Düsseldorfer Meister. (Mit Abbildung und Portrait.) Es war Ende der Vierziger Jahre, als, mit den socialen Bestrebungen jener Zeit zusammenfallend, in Düsseldorf ein Bild entstand, das berufen war, dort und dann später überall in Deutschland das größte Aufsehen zu machen. Wir meinen die noch heute vielbewunderten „Schlesischen Weber“; der Künstler aber, aus dessen begabter Hand das Bild hervorgegangen, und der seinen Ruhm damit ebenso rasch als dauernd begründet hatte, hieß Karl Wilhelm Hübner, dessen wohlgetroffenes Portrait wir unseren Lesern in der heutigen Nummer der Gartenlaube bringen. Mit diesem Bilde hatte K. W. Hübner – damals ein noch junger, ehrgeiziger Künstler – nach manchem Ringen und mancher Anstrengung, die sich bis dahin nur im engern Kreise belohnt und anerkannt gesehen, ein neues Gebiet betreten, dem man späterhin die Bezeichnung „Tendenziöse Richtung“ gab, und das ihm von Anfang an zu reiche und glänzende Erfolge bot, als daß er nicht befriedigt, belohnt und hoffnungsfreudig hätte weiter streben müssen auf der neubetretenen Bahn.
Mit welchem Glücke ihm dies gelingen werde, davon hat sich der heute im siebenundfünfzigsten Lebensjahre stehende Künstler als Knabe wohl noch wenig träumen lassen. Denn als der Sohn eines einfachen, wenn auch sehr thätigen Bauhandwerkers war er eben wieder zum Baufach bestimmt und hätte vielleicht dem Willen des Vaters Folge leisten müssen, wenn ihm das Glück nicht in der Schule seiner Vaterstadt Königsberg in Ostpreußen einen Zeichenlehrer zugeführt hätte, der den von ihm als talentvoll erkannten Knaben auf’s Eifrigste angefeuert und es verstanden hätte, auf seine Fortschritte die Augen vieler mit der Kunst vertrauter Männer zu lenken.
Nach einem ersten Unterricht in der edeln Malerkunst durch den Prof. J. Wolf, dessen Andenken der ehemalige Schüler heute noch mit dankbarem Herzen ehrt, fanden sich denn auch durch die Unterstützung des menschenfreundlichen und für alles Schöne begeisterten Kaufmanns F. .W. Kahle in Königsberg die Mittel, den ehrgeizigen Jüngling auf die Akademie zu Düsseldorf zu schicken, wo er nach beendigten zweijährigen Vorstudien in das Atelier des für die Kunst zu früh geschiedenen Professors Karl Sohn trat, in welchem er bis zum Jahre 1841 verblieb. Nach dieser Frist arbeitete er selbstständig, immer vorwärts strebend, nach immer größerer Vervollkommnung ringend, bis er endlich mit dem schon erwähnten Bilde „die schlesischen Weber“ jenen großen Wurf that, der jedem Menschen Einmal im Leben glücken muß, wenn er es zu etwas Besonderem und Außerordentlichem bringen will.
Bei dem hohen Interesse, das man von nun an dem jungen Maler entgegentrug, lag für ihn die Gefahr nahe, auch minder gute Bilder auf Kosten der von ihm gefaßten hohen Meinung zu schaffen. Aber die Kunst stand ihm zu hoch; er vertiefte sich nur in ein desto fleißigeres Studium der schönen Menschennatur, die ihm stets das höchste Vorbild seiner Darstellungen war, und hat denn so als wirklicher Meister Bilder geliefert voll ergreifender Wirkung, voll dramatischer Größe, ausgezeichnet durch markige Farbe und treue Nachbildung des Lebens. Dabei ist Hübner einer der fleißigsten Künstler; denn sein Pinsel hat eine staunenswerthe Anzahl von Bildern geschaffen, unter denen sich viele von beträchtlichen Dimensionen befinden. Hier ist uns leider nur möglich, einzelne aus der großen Reihe anzuführen, namentlich: „Arme Weberfamilie, der Hülfe in der Noth kommt“; „der eingeschlafene Holzdieb“; „die Auspfändung“; „die Wucherer“; „Mittagsruhe der Landleute“; „ein Waisenpaar am Grabe der Eltern“; „der Wilddieb und sein Sohn“; „die Rettung aus der Feuersbrunst“ etc. Hübner’s Gemälde sind wohl in allen bedeutenden Galerien und Gemäldesammlungen vertreten. In den letzten Jahren gehen die Werke des Meisters, der Düsseldorf nicht mehr verlassen hat, wo er der Akademie als Professor angehört, fast alle nach Nordamerika; dort hat sein Name einen guten Klang, ja es befinden sich selbst in Südamerika mehrere seiner Schöpfungen.
Zu den jüngsten derselben gehört das Bild, das wir gleichzeitig mit dem Portrait des Malers unsern Lesern vorführen und das sich deutlich genug von selbst erklärt, ohne daß es unserer Unterschrift bedurft hätte: „Erster Besuch der Schwiegereltern bei den Zwillingen“. Der Schauplatz ist ein holländisches Schifferhaus, in welchem sichtbarer Wohlstand herrscht und in das nun auch der Storch seine Doppelgabe getragen hat. Vater und Mutter des jungen Mannes sind eben gekommen, sich die drallen Kleinen zum ersten Mal anzusehen, die zu Füßen der glücklichen Mutter, im schmucken Korbe schlummernd und friedfertig sich ihres jungen Daseins freuen. Die Schifferstube ist reich mit Schildereien geschmückt; auf den Regalen stehen die silberblanken Schüsseln und feinen Gläser, beides der Hausfrau Freude und des Mannes Stolz, der Manches davon aus fernen Landen mitgebracht hat. An der zierlichen Takelage des Schiffsmodells aber ist fürwahr die schwielige Hand nicht zu verkennen, die sonst in Sturm und Wetter, in Hitze und Kälte das Steuer führt und die Segel refft.