Notizen über den Schiffszug mittelst versenkter Ketten oder Drahtseile und über die mit den Seil - Remorqueuren auf der Maas in Belgien angestellten Versuche
(Zufolge Auftrages Sr. Excellenz des Hrn. k. k. Handelsministers Ignaz Edlen v. Plener zusammengestellt vom k. k. Baurathe und Professor Anton Beyer. Vom k. k. Handelsministerium dem niederösterreichischen Gewerberein zur Veröffentlichung überlassen.) Die gewöhnlichen Mittel, deren man sich zur Fortbewegung von Lasten auf fließenden Gewässern bedient, reichen dort, wo der Transport stromaufwärts stattfinden soll, fast nirgends hin, um eine erfolgreiche Concurrenz der Verfrachtung zu Wasser mit jener zu Lande auf den Eisenbahnen zu ermöglichen.
Segel und Ruder spielen beim Gegenzuge zumeist nur eine sehr untergeordnete Rolle; der hilfsweise Gebrauch der ersteren bleibt, in Folge der wechselnden Wind- und Flußrichtung, immer nur auf einzelne Abschnitte der Fahrt beschränkt; jener der Ruder aber ist, selbst eine geringe Strömung vorausgesetzt, schon an und für sich in ökonomischer Hinsicht wenig lohnend, da das Ruder sich gegen eine flüssige, zurückweichende Masse stemmt und nur ein kleiner Theil der aufgewendeten Kraft auf die Schiffsbewegung selbst einwirkt.
Der Schiffszug durch Menschen oder Thiere liefert allerdings positivere Ergebnisse, aber auch hier sind Kraftverluste in Folge der schiefen Richtung des Seiles und der verschiedenartigen Ufergestaltungen unvermeidlich; auch kann das Quantum der aufwendbaren Zugkraft gewisse, ziemlich eng gezogene Schranken nicht überschreiten, und der Wasserstandswechsel, sowie die Nothwendigkeit, mit dem Schiffszuge die Ein- und Ausmündungen von Seitengerinnen zu passiren oder von einem Ufer auf das andere zu übersetzen, verursachten Störungen, welche unter Umständen sehr empfindlich sein können.
Selbst die allesvermögende Dampfkraft hat in ihrer Anwendung auf den Schiffsgegenzug nur bescheidene Leistungen aufzuweisen, was hinreichend dadurch erklärt wird, daß die Schaufelräder oder Schrauben, mittelst welcher sie bisher wirkte, eben blos Nachbildungen der Ruder sind, und auch bei ihnen ein großer Theil der Kraft zur Ueberwindung der Strömung, und nur der Rest zur eigentlichen Fortschiebung der Last verwendet wird.
Angesichts dieser Uebelstände muß eine Vorkehrung, welche darauf abzielt, dieselben zu beheben und die durch die neueren Verkehrsmittel in den Hintergrund gedrängte Flußschifffahrt wenigstens theilweise wieder in ihre alten Rechte einzusetzen, jedenfalls die vollste Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Sie beruht auf der Idee, das sich aufwärts bewegende Schiff mit einer, auf die Sohle des Flusses gelegten Kette derart in Verbindung zu bringen, daß die letztere sich über eine am Schiffe angebrachte Trommel auf- und abwickelt, und das [467] Schiff längs dieser Kette, die ihm einen festen Stützpunkt für seine Bewegung darbietet, ungefähr in der Weise fortgeschoben wird, in welcher ein Bergsteiger sich an einem oben festgehaltenen Seile aufwärts bewegt.
Die ersten Versuche hierüber wurden bereits im Jahre 1732 durch den Marschall von Sachsen in Frankreich angestellt, 1820 aber durch Courteaud und Tourasse im Großen auf der Saône erneuert.
Man benützte dabei einen auf dem Schiffe angebrachten Pferdegöpel, um die Trommel in Bewegung zu setzen, an welcher die Kette sich aufwand. Diese selbst war nur streckenweise gelegt, und es mußte z. B., während das Schiff eine Strecke von 600° durchfuhr, im Voraus die Kette für die nächstfolgende Strecke in das Flußbett versenkt werden.
Im Jahre 1822 verband dagegen Vinchon die Kettenrolle mit einer Dampfmaschine, und 1825 wendete de Rigny zuerst eine Kette an, welche eben so lang als die zu befahrende Flußstrecke war.
1853 wurde die Kettenschleppschifffahrt an der Seine eingerichtet, und zwar zuerst nur auf die Länge von einer halben Meile, innerhalb des Weichbildes von Paris, später dagegen auf 9 Meilen von Paris flußaufwärts bis Conflans, und im Jahre 1856 auf weitere 14 Meilen von Paris aufwärts bis Montereau.
Die hiebei erzielten Erfolge riefen eine Reihe anderweitiger Verwendungen der versenkten Kette für den Schiffszug auf Flüssen und Canälen in England, Belgien, Rußland etc. hervor, und auch in Deutschland hat dieses Schifffahrtssystem bereits Eingang gefunden.
Die Elbe bei Magdeburg wird seit 1866 in der 3/4 Meilen langen Strecke zwischen Buckau und der Neustadt von einem Ketten-Remorqueur befahren, welcher beladene und unbeladene Schiffe zu Thal und zu Berg an Magdeburg vorüber, und insbesondere durch die beiden dort bestehenden Brücken führt. Außerdem will die vereinigte Hamburg-Magdeburger Dampfschifffahrts-Gesellschaft ihre diesfälligen Operationen auf die 48 Meilen lange Elbestrecke zwischen Hamburg, resp. Altona und Magdeburg ausdehnen [1], während eine zweite Schifffahrts-Compagnie, deren Gründungs-Comité seinen Sitz in Dresden hat, die 45 Meilen lange Strecke der Ober-Elbe zwischen Magdeburg und Schandau mit Kettenschleppschiffen zu befahren beabsichtigt.
In Oesterreich ist bereits die Concession für die Einführung der Kettenschleppschifffahrt auf der Donau ertheilt, und dürften andere derartige Unternehmungen auf den zahlreichen bedeutenderen Flüssen des Kaiserstaates wohl nicht lange auf sich warten lassen.
Inzwischen ist man dagegen, rücksichtlich des Schiffszug-Apparates selbst, um einen Schritt weiter gegangen und hat begonnen, statt der Kette das Drahtseil (Kabel) zu verwenden, mit dessen Zuhilfenahme die Société anonyme de Touage in Lüttich seit Jahresfrist die 91/4 Meilen lange Strecke der Maas zwischen Lüttich und Ramur beschifft.
Da das Seil sich von der Kette durch seine größere Leichtigkeit und Steifheit wesentlich unterscheidet und insbesondere die letztgedachte Eigenschaft eine mehrseitig veränderte Einrichtung der mechanischen Apparate an dem sich längs des Kabels [468] fortbewegenden Schiffe bedingt, so dürfte es hier am Platze sein, diese Vorkehrungen selbst in möglichster Kürze zu besprechen und zugleich die mit ihnen erzielten Resultate, soweit sie bekannt sind, näher in’s Auge zu fassen.
Die Einrichtungen der Kettenschleppschiffe weichen an den verschiedenen Gebrauchsorten bedeutend von einander ab. Der Hauptsache nach lassen sie sich jedoch in zwei Systeme einreihen, bei denen die Zugsvorrichtung nach dem einen in der Mitte des Verdeckes (mitschiffs) — nach dem anderen an einer Langseite des Schiffes angebracht ist.
Zur Charakteristik der ersten Gattung wird es genügen, den Elbe-Kettendampfer zu beschreiben, welcher hinsichtlich der Anordnung seiner Hauptbestandtheile genau den auf der Seine von Paris auf- und abwärts angewendeten Schiffen nachgebildet ist, und über dessen Dimensionen und Wirksamkeit neuere Publikationen vorliegen. (Prospect der Kettenschleppschifffahrt auf der Ober - Elbe. Dresden bei Blochmann, Dann: Protokoll der Sitzung des sächsischen Ingenieur-Vereines vom 29. April 1869.)
Dieser Dampfer bewegt sich an einer Kette von 7/8 engl. Zoll Gliederstärke, welche an den Endpuncten der Fahrt stark verankert und mit dem Schiffe so verbunden ist, daß sie dessen ganzer Länge nach über das Verdeck läuft, sich dort über zwei Trommeln windet und vor und hinter dem Schiffe in’s Wasser abfällt.
Sie erhält ihre Führung durch zwei sogenannte Ausleger a, — Rinnen, welche in Verbindung mit zwei Leitrollen b die Kette auf das Deck heben und an ihren Endpunkten um verticale Achsen drehbar sind, so daß das Schiff nicht stricte der Richtung der in den Fluß versenkten Kette zu folgen braucht, sondern es in seiner Gewalt hat, diese selbst erforderlichenfalls um ein gewisses Maß nach rechts oder links zu verschieben.
Die zwei Trommeln c, über welche die Kette sich auf- und abwindet, wobei sie viermal um jede derselbe geschlungen ist, bestehen aus gußeisernen Scheiben von circa 4 Fuß Durchmesser und sind mit Stahlreifen so armirt, daß sich zwischen jedem Kettenlaufe ein schmiedeiserner Rand befindet, die Kettenwindungen also zu keiner Verwicklung Anlaß geben können.
[469] Die Dampfmaschine steht in unmittelbarer Verbindung mit den Trommeln und es kann, je nachdem den letzteren eine Drehung nach rechts oder nach links gegeben wird, das Kettenschiff vor- oder rückwärts bewegt werden.
Die Steuerung des Schiffes wird durch zwei Steuerruder d bewerkstelligt, von denen das eine vorne, das andere hinten angebracht ist, und welche beide von einem gemeinsamen Punkte aus dirigirt werden.
Die gesammte Vorrichtung bedingt — wie dies auch in dem citirten „Prospecte über die Kettenschleppschifffahrt“ hervorgehoben wird — daß das Schiff beständig unter der Kette liegen bleibe, nicht wenden, sondern nur vor- oder rückwärts fahren, und auch einem ihm an derselben Kette begegnenden Schiffe nicht ausweichen könne.
Das Schiff selbst ist in allen seinen Theilen, mit Ausnahme des Verdeckes, aus Eisen geformt, hat 170 engl. Fuß Länge, 22 engl. Fuß Breite, taucht mit vollständiger Ausrüstung blos 17 engl. Zoll tief ein, besitzt eine Maschine, die mit circa 60 Pferdekräften arbeitet, und schleppt 3 bis 6 Fahrzeuge, welche mit 30.000 Centnern Ladung die 3/4 Meilen lange Fahrstrecke in circa 30 Minuten zurücklegen. Der Kohlenconsum beläuft sich, vorausgesetzt daß das Schiff täglich 16 Stunden hindurch unter Dampf liegt, auf 41/4 Tonnen pr. Tag, also etwa 1500 Tonnen pr. Jahr; wogegen gleichkräftige Raddampfer, auch bei auf eine geringere Anzahl von Tagesstunden und Jahrestagen eingeschränkter Thätigkeit, das vierfache Kohlenquantum bedürfen.
Der Betrieb der Kettenschleppschifffahrt bei Magdeburg ist daher, trotz der bedeutenden Stromgeschwindigkeit und der durch die Brücken hervorgerufenen Schifffahrtserschwernisse (oder vielleicht zum Theile auch gerade wegen der letzteren, welche für die anderen Fahrzeuge schwerer in’s Gewicht fallen, als für die Kettenschiffe) ein ganz lohnender, und diesem Umstände muß es zugeschrieben werden, daß man sich entschloß, die erwähnten weitergehenden Unternehmungen auf der Elbe in’s Leben zu rufen.
Die zweite Gattung von Kettenschleppschiffen, construirt nach dem Systeme Bouquié, findet sich auf dem Canal Willebroeck vor, welcher von Brüssel nach Mecheln und Antwerpen führt. Die Zugsvorrichtung ist hier an der Außenwand (Langseite) des Schiffes angebracht und besteht aus einer gußeisernen Scheibe, welche nur in dem oberen Theile mit der über sie hingeführten Kette in Berührung kommt, und um das Gleiten der letzteren zu verhindern, mit einem stählernen Zahnkränze umgeben ist, dessen Vorsprünge die genau auf sie passenden Keltenglieder fassen und bei der Umdrehung der Scheibe vorwärts schieben.
Eine sowohl aufheb-, als nach beiden Seiten hin umlegbare Preßrolle hält durch ihr Gewicht die Kette nieder. Diese selbst wird durch Leitrollen aus dem Wasser gehoben und in einer hölzernen Rinne der Kettenscheibe zugeführt.
Die Kette hat eine Gliederstärke von 16 Millimeter (3/5 Wiener Zoll), der Dampfer eine Maschine von 12 Pferdekräften.
Weitere Daten über die Größe des Verkehrs, die durchschnittliche Fahrzeit, den Kohlenverbrauch etc. konnten vor der Hand nicht ermittelt werden; wohl aber läßt sich, nach den während einer Fahrt auf dem Canal Willebroeck gemachten Wahrnehmungen, constatiren, daß die Kette, bei dieser Art des Gebrauches, einer raschen Abnützung unterliege.
[470]Die Verwendung des Kabels anstatt der Kette erheischt es — da hier dem minder biegsamen Zugsmittel keine mehrmalige, ja selbst nicht einmalige volle Windung um eine, im Verhältnisse zur Schiffsgröße stehende Trommel zugemuthet werden darf — daß man sich (in ähnlicher Weise, jedoch aus anderen Gründen, wie bei der zuletzt beschriebenen zweiten Kettendampfergattung) damit begnüge, dasselbe blos über einen Theil des Trommelumfanges hinziehen zu lassen. Dabei muß dieser Umfang so beschaffen sein, daß zwischen ihm und dem Seile eine Reibung oder, richtiger gesagt, Klemmung entsteht, welche stark genug ist, dem Seile die nöthige Stütze für den auszuübenden Zug zu bieten.
Zu diesem Behufe dient bei den die Maas in Belgien befahrenden Seilschiffen die von dem Maschinenfabrikanten Fowler construirte Klappenrolle (nach dem Erfinder „Fowler’s Clip-drum" benannt), — eine Seilscheibe, deren Kranz durch eine doppelte Reihe beweglicher Klappen aus Hartguß gebildet wird, welche um kleine Stahlachsen drehbar sind und zwischen sich eine Rinne bilden.
Beim Durchgange des Seiles durch die letztere werden die Klappen nach unten zu auseinander gedrängt, wogegen ihre Obertheile näher aneinander rücken, einen Druck auf das eingelegte Seil ausüben und dieses momentan festhalten.
Verbindet man die Klappenrolle mit einem Schiffe und setzt sie, nachdem ihr das in den Fluß versenkte Kabel aufgelegt ist, in Bewegung, so klammern die mit dem Seile in Berührung kommenden Theile ihres Umfanges sich an das Seil an und schieben solchergestalt sich und mit sich das Schiff vorwärts.
Dabei ist die Anordnung des Zugsapparates an dem zuerst aufgestellten Maasschleppschiffe, nach der in den meisten Staaten Europa's — sowie in Nordamerika — patentirten Einrichtung der Herren Oscar Baron de Mesnil und Max Eith,, folgende:
Die Klappenrolle a von 2 Meter Durchmesser ist an der äußeren Schiffswand, in der Mitte der Schiffslänge, derart befestigt, daß ihre Achse ungefähr in der Höhe des Verdeckes liegt. Sie steht mit einer Dampfmaschine von nominellen 14 Pferdekräften in Verbindung.
Das in ihre Rinne eingelegte, sich an die obere Hälfte des Rollenumfanges anschließende Drahtseil s fällt zu beiden Seiten fast vertical ab und wird durch zwei links und rechts von der Klappenrolle a, aber etwas tiefer als diese, angebrachte Hauptleitrollen b dem Vorder- und Hintertheile des Schiffes zugeführt. [471] Hier befinden sich kleinere Führungsrollen c, deren eine die Aufgabe hat, das Seil aus dem Wasser zu heben, wogegen die andere es wieder in's Wasser zurückleitet. Beide sind an einem Gelenke so aufgehangen, daß sie sich nach der Richtung des Seiles stellen können und das Ausspringen desselben bei seitlichem Zuge vermieden wird.
Das Schiff selbst ist von Eisen, 20 Meter lang, 4 Meter breit, zwischen Deck und Kiel 2,2 Meter hoch und hat einen Tiefgang von 1 Meter. Es besitzt an beiden Enden ein separates, von der Mitte des Schiffes aus regierbares Steuer d, und kann somit, ohne zu wenden, vor- oder rückwärts fahren.
Das Seil besteht aus 42 galvanisirten Eisendrähten, von denen je 7 in einen Strang vereinigt sind, wogegen die so gebildeten und zusammengedrehten sechs Stränge einen Kern von getheertem Hanf umschließen.
Es hat einen Durchmesser von 25 Millimetern, also nahezu 1 Wiener Zoll.
Eine der wesentlichsten Varianten ist jene, bei welcher das Clip-drum nicht vertikal an der Außenwand des Schiffes, sondern in horizontaler Lage unmittelbar unter dem Verdecke angebracht wurde, wobei im letzteren eine Oeffnung ausgespart blieb, um frei zu dieser Zugsvorrichtung zu gelangen.
Das Drahtseil s wird hier gleichfalls von einer am Ende der äußeren Schiffswand befindlichen Leitrolle c aus dem Wasser gehoben und von einer zweiten Rolle c’ am anderen Wandende wieder in’s Wasser zurückgeführt. In der Mitte des Weges gelangt es zu einer neben dem horizontalen Clip-drum sich drehenden Seilscheibe b mit doppelter Rinne, welche nicht ganz horizontal, sondern so gestellt ist, daß das Seil beim Auflaufen die obere, beim Ablaufen die untere Rinne passirt und eine förmliche Schleife um die Seilscheibe b und das Clip-drum a bildet.
Eine weitere, den Verkehr nahe berührende Modifikation der Schiffseinrichtung besteht darin, daß man an einigen Seil-Remorqueuren, nebst dem für die Bewegung des Clip-drums bestimmten Motor noch eine eigene Dampfmaschine anbrachte und mit einer Propellerschraube in Verbindung setzte, wodurch es ermöglicht wird, das am Seile flußaufwärts gezogene Schiff den Rückweg nicht abermals am Seile, sondern unabhängig von demselben mit der Schraube machen zu lassen.
Die Erörterung dieser und anderer Varianten, sowie überhaupt die Darlegung der durch das Seilschleppsystem bisher erzielten Resultate, waren Gegenstand der [472] am 4. und 5. Juni 1869 auf der Maas bei Lüttich angestellten Schiffszugsproben, an denen sich, über Einladung der vorgedachten, seit November 1867 von der belgischen Regierung concessionirten Sociéte anonyme de Touage in Lüttich (beziehungsweise der Société centrale de Touage in Brüssel), die Delegierten von England, Frankreich, Rußland, Preußen, Sachsen, Württemberg, Holland, Belgien etc., dann die Vertreter der Ketten-Remorqueur-Gesellschaften an der Elbe und Donau, sowie zahlreiche andere deutsche, französische und englische Ingenieure, inclusive des von der österreichischen Regierung entsendeten Berichterstatters, betheiligten.
Behufs der näheren Beleuchtung dieser Proben, so wie der bei Gelegenheit derselben den Anwesenden von Seite der Touage - Directoren in zuvorkommendster Weise ertheilten Aufschlüsse muß vor Allem des Flusses selbst, auf welchem der Schiffszug ausgeübt wird, mit einigen Worten gedacht werden.
Die Maas (Meuse) ist in der 70 Kilometer (91/4 Meilen) langen Strecke zwischen Lüttich und Ramur bei normalem Stande etwa 50 Klafter breit und 6 Fuß tief, und hat ein beträchtliches Gefälle. Da dieses den gewöhnlichen Schiffsgegenzug mit Pferden sehr erschweren würde, der Schifffahrtsverkehr aber fast ausschließlich, von den reichen Industrie- und Kohlenbezirken aus, stromaufwärts stattfindet, also auf den Gegenzug angewiesen ist, so wurde eine Reihe von Wehren in den Fluß eingebaut, welche das Wasser vor sich etwa je 5 Fuß aufstauen, und auf diese Weise den Wasserspiegel der Flußlänge nach treppenförmig abstufen. Dieselben sind bewegliche, u. z. sogenannte Nadelwehren, bei denen der Aufstau blos durch eine Holzwand aus nahezu vertical neben einander gestellten, sich an eiserne Stützen lehnenden Latten oder Nabeln bewirkt wird und durch das Ausheben dieser letzteren wieder beseitigt werden kann.
Neben jedem Wehr ist an der linken Uferseite eine Schifffahrtskammerschleuse angelegt, durch deren Vermittlung die vorbeipassirenden Schiffe über den betreffenden Absatz hinweggeführt, respective aus der tieferen Haltung in die höhere gehoben oder aus dieser in die erstere gesenkt werden.
Solche mit Schleusen verbundene Wehre bestehen von Lüttich bis Ramur eilf, und es wird durch sie die Maas gewissermaßen in einen Schifffahrtscanal verwandelt, wobei jedoch — abweichend von der Einrichtung eigentlicher derartiger Canäle — der Wasserspiegel zwischen je zwei Schleusen nicht ganz horizontal ist, sondern noch einen gewissen Fall beibehält. Allerdings ist dieser, so wie die durch ihn bedingte Strömung nicht bedeutend, so daß man auch abwärts fahrende Schiffe häufig von Pferden ziehen läßt; dagegen werden im Winter die Wehre in der Regel wieder beseitigt und es tritt alsdann wieder die ursprüngliche Flußgeschwindigkeit ein.
Die Ufer sind zwar längs der größeren Ortschaften befestigt, außerhalb der letzteren finden sich aber auch längere Flußstrecken in irregulärem Zustande und an manchen Stellen selbst beträchtliche Flußkrümmungen vor. In das so gestaltete Flußbett ist das Eisendrahtseil für den Schiffszug versenkt, wobei nur dessen Endpunkte bei Lüttich und Ramur in den Ufermauern verankert sind, während es in den übrigen Theilen auf der Sohle des Flusses frei aufliegt.
Um den Durchgang des Seiles durch die Schleusen zu ermöglichen, sind die Schlagsäulen der Stemmthore an ihrem unteren Ende etwas ausgeschnitten und es bilden die beiden seitlichen Ausschnitte, wenn die Thore geschlossen sind, zusammen [473] einen schmalen Schlitz, durch den das am Schleusenboden liegende und über die Drempeln hinziehende Seil, welches beim Zumachen der Thore durch diese selbst gegen die Drempelspitze geschoben wird, durchgeht.
Nachdem die Maasschleusen, mit Rücksicht auf die Freimachung des Durchflußraumes im Winter, keine Fallmauern haben, sondern die Ober- und Unterthore gleich hoch sind, so wird das Seil bei diesem Durchgange blos über die geringe Höhe der Schlagschwellen gehoben, und es findet daher eine bemerkenswerthe Krümmung desselben aus diesem Anlasse nicht statt.
Auch der Wasserverlust, welcher während des Thorschlusses aus dem Grunde eintritt, weil der erwähnte Schlitz groß genug sein muß, um dem Seile einigen Spielraum zu lassen, ist so unbedeutend, daß er füglich ignorirt werden kann.
Behufs des Schiffszuges längs des Seiles stehen in der bezeichneten Maasflußstrecke dermalen vier Remorqueurdampfer — dort einfach Toueurs genannt — in Verwendung, welche sämmtlich nur fremde Schiffe stromaufwärts schleppen, und in Folge des billigen Frachtsatzes so in Anspruch genommen sind, daß für das nächste Jahr eine Vermehrung dieses Betriebsmateriales um weitere zehn Dampfer in Aussicht steht.
Von obigen vier Seil-Remorqueuren haben drei vertical hängende Clip-drums, wogegen bei einem derselben der Zugsmechanismus nach dem Horizontalsystem eingerichtet ist.
Bei den Experimenten standen abwechselnd drei dieser Dampfer, mit Maschinen von 14 bis 20 Pferdekräften, in Verwendung, mit denen am ersten Tage die 11/2 Meilen lange Strecke vom Bassin de Commerce in Lüttich bis zum Wehr oberhalb Seraing (barrage de Jemeppe) befahren, am zweiten Tage aber die Fahrt, nach Zurücklegung der gleichen Strecke, bis zum nächsten Wehr (barrage de Chokier) auf die Distanz von 21/2 Meilen ausgedehnt wurde. Zwei von den Toueurs führten dabei je 5 beladene und zwei unbeladene Boote mit circa 6000 Ctr. Ladung im Schlepptau, und legten die Strecke bis Seraing in 21/2 Stunden zurück.
Bei den regelmäßigen, nicht durch Experimente aufgehaltenen Fahrten soll jedoch die stromaufwärts gezogene Last weit größer und auch die Bewegung rascher sein, und können — nach Angabe der Touage-Directoren — mit dem Toueur I (14 Pferdekräfte) sogar 1000 bis 1500 engl. Tonnen Fracht, auf 10 bis 18 Boote vertheilt, mit einer Geschwindigkeit von 5 Kilometer (0,6 Meile) pr. Stunde gegen eine Strömung von 3 Kilometer pr. Stunde (2,6 Wiener Fuß pr. Secunde) flußaufwärts bewegt werden. Abgesehen von derlei außergewöhnlichen Leistungen soll sich dagegen im Durchschnitte annehmen lassen, daß der Toueur mit 800 Tonnen Schlepperladung zu der durch die Schleusen etc. aufgehaltenen Fahrt von Lüttich bis Ramur zwei Tage benöthigt und am dritten leer zurückfährt, also monatlich 10 Fahrten macht.
In Anbetracht des Frachtsatzes von 0,6 Centime pr. Tonne und Kilometer beträgt dabei die monatliche Einnahme 3360 Francs, wogegen die Ausgaben für das während dieser Zeit verbrauchte Kohlenquantum von 11,3 Tonnen und für die durch 4 Mann besorgte Schiffsbedienung — also ohne sonstige Verwaltungskosten, Amortisation etc. — sich auf 545 Francs belaufen.
Bei den Probefahrten selbst konnte natürlich das Hauptaugenmerk nicht diesen, nur nebenher in Erfahrung gebrachten Zifferansätzen, sondern lediglich den Schiffsmanövern zugewendet werden. Insbesondere nahm das Verhalten der Zugsvorrichtung die allseitige Aufmerksamkeit in Anspruch, und da die Absicht der Veranstalter dieser Proben in erster Linie dahin gerichtet war, die Vortheile der Verwendung eines [474] Eisendrahtseiles anstatt der Kette darzuthun, so ergaben sich sowohl während der Experimente, als auch bei den an dieselben geknüpften Besprechungen zahlreiche Anlässe, die Eigenschaften dieser beiden Schiffzugsmittel gegen einander abzuwägen.
Die diesfalls gemachten Wahrnehmungen, so wie die in loco erhaltenen Aufschlüsse und anderwärts gesammelten, auf den fraglichen Vergleich bezugnehmenden Daten lassen sich ungefähr in folgenden Punkten zusammenfassen:
a) Der Anschaffungspreis des an der Maas verwendeten Kabels beläuft sich mit Inbegriff des Legens auf 14 Franc pr. laufenden Meter, und es wird in einer von den Herren Eith und Baron de Mesnil veröffentlichten Schrift: „Touage sur Cable metallique immergé dans un cours d’eau navigable", Cap. VII, im Allgemeinen angedeutet, daß der Preis einer Kette das Vier-, ja Fünffache von dem eines Seiles betrage. Abweichend hievon soll nach anderen Angaben sich diese Verhältnißzahl wie 1 zu 1/2 bis 1/3 und unter Umständen auch niedriger stellen. Wie dem auch sein möge, so geht schon aus der Natur der Sache hervor, daß das Seil bedeutend billiger zu stehen komme, als eine gleich starke Kette, und es wird denn auch die hieraus resultirende Wohlfeilheit der Seilschifffahrtseinrichtung vor allem Anderen zu Gunsten des Kabels geltend gemacht.
Insoferne man hiebei blos die ersten Anlagekosten im Auge hat, muß dieses Motiv für die Wahl des Zugsmittels auch unzweifelhaft als vollwichtig anerkannt weiden.
Dagegen ist die für die Rentabilität der Capitalsanlage maßgebende Frage: ob das Seil auch hinsichtlich der Haltbarkeit mit der Kette concurriren könne, noch keineswegs gelöst.
b) Die Dauer der Kette kann nach den auf der Seine gemachten Erfahrungen und in Berücksichtigung des Umstandes, daß dort die Kette während eines 13jährigen Gebrauches nur geringer Reparaturen bedurfte, für die zuerst beschriebene Kettenschiffsconstruction wohl unbedenklich mit 20 Jahren angenommen werden. Sowohl die Société de Touage de la haute Seine, als auch die Compagnie de Touage de la basse Seine haben die Amortisation der Kettenankaufskosten mit 5% berechnet, und der gleiche Ziffersatz wurde auch von dem Gründungs-Comité der Keltenschleppschifffahrt auf der Ober-Elbe seinem Calcul zu Grunde gelegt.
c) Die Dauer des Kabels läßt sich dagegen, Angesichts der Neuheit seiner Anwendung für den Schiffszug, wohl zunächst nur nach Wahrnehmungen beurtheilen, welche beim bisherigen Gebrauche desselben in Bergwerken, dann für Dampfpflüge und für sogenannte Seilebenen an einigen Eisenbahnen gemacht wurden.
Der hierdurch gewonnene Maßstab ist jedoch schon deßhalb nicht ganz verläßlich, weil bei der Touage neue, den erwähnten Gebrauchsarten fremde, und auf die raschere Abnützung des Seiles einen mächtigen Einfluß nehmende Factoren mit in Betracht gezogen werben müssen, wie beispielsweise das Abschleifen des Seiles durch die auf der Flußsohle sich fortbewegenden Geschiebe, dann die durch den Zugsapparat bedingte wiederholte scharfe Krümmung des Seiles, bei welcher dessen äußere Fäden nach der Längenrichtung auseinander gezerrt, dessen innere aber gewaltsam gepreßt werden.
Ob und unter welchen Umständen hiernach wirklich auf einen zehnjährigen Bestand des Seiles zu rechnen sei, wie solcher in der vorgedachten Schrift, Capitel IV g, speciell den Canalkabeln prophezeit wird, muß dahingestellt bleiben; doch kann man [475] immerhin zugeben, daß gegenüber den Vortheilen, welche ein mäßigerer Anschaffungspreiß gewährt, unter gewissen Verhältnissen auch eine weit geringere Amortisationsfrist noch immer lohnend sein könne. Dabei wird überdies, wenn von der Dauer und Haltbarkeit der Kette die Rede ist, nicht nur der Zeitpunkt, in welchem dieselben sich vollständig abnützen, sondern auch ihr zwischenseitiges Verhalten gegenüber den Einflüssen, welche eine raschere Zerstörung, respective einen Bruch herbeiführen, in Betracht zu ziehen sein.
In dieser Beziehung ist
d) die Sicherheit des Schiffszuges offenbar durch das Drahtseil besser gewahrt, als durch die Kette, da die mangelhafte Anfertigung eines einzelnen Gliedes der letzteren oder ein gewaltsames Einklemmen an den Vorsprüngen steiniger Flußsohlen einen plötzlichen Kettenbruch nach sich ziehen kann; wogegen beim Kabel unter ähnlichen Umständen doch stets die größere Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, daß nicht alle Fäden gleichzeitig reißen, sondern die Schiffsleute im Stande sein werden, eintretende Schäden rechtzeitig zu entdecken und zu beheben. Ist dagegen ein Bruch thatsächlich eingetreten, dann wird
e) die Reparatur, d. i. die Wiedervereinigung der getrennten Theile nach dem Auffischen derselben, bei der Kette durch Einfügung eines der in Vorrath gehaltenen sogenannten Reserveglieder leicht und rasch bewirkt werden können, während das Splissen eines gerissenen Kabels immer einen größeren Zeitaufwand und auch eine größere Gewandtheit des damit betrauten Schiffspersonales voraussetzt; daher in dieser Beziehung das Seil der Kette augenscheinlich nachsteht.
Einen weiteren, bei der Vergleichung beider vorzugsweise maßgebenden Factor bildet
f) das Gewicht. Dasselbe beträgt bei dem Drahtseile auf der Maas 21/4 Kilogramm pr. laufenden Meter, wogegen eine Kette von gleicher Widerstandsfähigkeit das Dreifache und darüber wiegen würde. (Die allerdings auf eine größere Spannung berechnete Kette für die Elbe zwischen Magdeburg und Schandau ist sogar bei einer Gliederstärke von 7/8" pr. sächsischen Fuß Länge mit 7,1 Zollpfund, also pr. Meter mit circa 121/2 Kilogramm veranschlagt.)
Dieser bedeutende Gewichtsunterschied hat zur Folge, daß das leichtere Seil von der Zugsmaschine unter einem weit spitzeren Winkel aus dem Wasser gehoben wird, als die wegen ihrer Schwere von den Rollen steil abfallende Kette, und daß daher auch der Verlust an Zugkraft, welcher durch die schiefe Richtung des Zuges bedingt wird und zunimmt, je mehr die letzte von der Horizontalen abweicht, beim Seile weit geringer ist als bei der Kette.
Das Seil wird deßhalb auch in Flüssen mit großen Tiefen der Kette entschieden den Rang abgewinnen und selbst dort noch mit Vortheil verwendet werden können, wo die Kette bereits unpracticabel wird.
Die größere Leichtigkeit des Seiles gestattet ferner, daß die Geschwindigkeit der Schiffsbewegung bis zu einem Maße gesteigert werden kann, welches bei Anwendung der Kette nicht mehr zulässig ist — und erleichtert die Steuerung des Schiffes, durch deren Hilfe es wieder möglich wird, einem von der Seil-, so wie von der Kettenschifffahrt unzertrennlichen Uebelstande leichter abzuhelfen, nämlich das durch frühere Befahrungen seitwärts geschobene Seil in seine ursprüngliche Lage zurück zu versetzen.
Gegenüber diesen Vortheilen macht sich jedoch auch der Nachtheil geltend, daß das Seil, eben weil es mit einer sanfteren Neigung als die Kette aus dem Flusse emporgehoben wird, auch in einer größeren Distanz vor dem Toueur aus dem Wasser [476] emporragt, und daß daher entgegenkommende Fahrzeuge eher an dasselbe anfahren können.
Nicht minder bedeutend als der Unterschied zwischen dem Gewichte der Kette und des Seiles ist jener, welcher
g) die Anbringung beider Zugsmittel auf dem Schiffe betrifft. Es bedarf wohl keines Beweises, daß die Führung des Zugsmittels in der Richtung der Schiffsachse, wie sie bei den Seine- und Elbe-Ketten-Remorqueuren stattfindet, für den Zug selbst, nachdem die Last und der Druck der Kette sich auf beide Schiffsseiten vertheilt, vortheilhafter sei, als dessen Anbringung an der Außenwand des Schiffes nach Art der Seildampfer auf der Maas (verticalen Systems). Man hat sich deßhalb mit der Idee beschäftigt, auch die verticalen Leit- und Treibrollen für das Seil in der Deckmitte anzubringen und sie dort, um ihr zu weites Emporragen über das Verdeck zu vermeiden, in einen der ganzen Schiffshöhe nach ausgesparten, gegen das Wasser zu offenen Raum zu stellen, durch dessen Anordnung zugleich die Möglichkeit geboten wird, das Seil nicht über das Verdeck führen zu müssen, sondern es zu beiden Seiten des Zugs-Apparates unter dem Schiffsboden in’s Wasser abfallen zu lassen.
Hierbei ergibt sich jedoch der Uebelstand, daß die Ankunft des Seiles vor der Leitrolle, welche es aus dem Wasser hebt, nicht beobachtet werden kann und es deßhalb auch schwieriger ist, dessen Ausspringen bei seitlichem Zug in den Flußkrümmungen vorzubeugen und die im Flußbette sich an dasselbe anhängenden Gegenstände vor seinem Auftaufen auf das Clip-drum zu beseitigen.
Bei den Seil-Remorqueuren dürfte daher vorläufig wohl in den meisten Fällen die seitwärtige Anbringung des Zugsapparates beibehalten werden, welche übrigens, im Entgegenhalte zu dem berühmten Nachtheile der ungleichen Schiffsbelastung, auch einen namhaften Vortheil dadurch darbietet, daß sie dem Toueur das Abwerfen und Wiederaufnehmen des Seiles oder der Kette ohne besondere Nebenvorrichtungen möglich macht.
Es ist dies von hervorragender Bedeutung für
h) die Begegnung und Kreuzung der Toueurs unter einander und mit fremden Schiffen.
Das Kettenschleppschiff, dessen Zugsapparat in der Verdeckmitte angebracht ist, liegt — wie bei der Beschreibung des Elbe-Kettendampfers erwähnt wurde — stets unter der Kette. Dabei ist es in Bezug auf seinen Gang wohl im Wesentlichen an die Richtung der Kette gebunden; da jedoch diese nur lose auf der Flußsohle aufliegt und vom Schiffe mittelst der Ausleger innerhalb gewisser Grenzen nach rechts und links verlegt werden kann, so macht es dem Kettendampfer keine Schwierigkeit, entgegenkommenden fremden Schiffen auszuweichen. Ueberdies besitzt er an einer Bremsvorrichtung, mit welcher die Kettentrommeln versehen sind, daß geeignete Hilfsmittel, um bei besonderen Zufällen die Spannung der Kette momentan verringern und rasch anhalten zu können.
Ein Zusammenstoß mit anderen Schiffen ist daher, bei gehöriger Vorsicht von beiden Seiten, und ganz ungewöhnliche, die Touage an und für sich verbietende Flußverhältnisse ausgenommen, nirgends zu fürchten; am wenigsten aber in den diesfalls hauptsächlich beargwöhnten Flußkrümmungen, in denen der Stromstrich und die Thalschifffahrt sich hart an das concave Ufer andrängt, während der strömaufwärts fahrende Ketten-Remorqueur durch die nach vorne straff gespannte Kette dem convexen Ufer zugezogen wird, und alle Steuerkraft aufbieten muß, um sich [477] von der demselben vorliegenden Sandbank ferne zu halten und die nöthige Wassertiefe zu gewinnen.
Dagegen ist — wie an obgedachter Stelle weiter bemerkt wurde — ein Ausweichen zweier solcher Kettenschiffe, beziehungsweise die Benützung einer und derselben Kette durch zwei in entgegengesetzter Richtung verkehrende Remorqueure, welche die Kette ober Deck haben, nicht möglich, und es muß daher — wenigstens bei der gegenwärtigen Einrichtung des Zugsapparates und abgesehen von deren allerdings möglicher Modifikation — der Dienst mit mehreren derlei Kettendampfern auf Einem Flusse so eingerichtet werden, daß jeder Remorqueur eine bestimmte Flußstrecke zur Befahrung zugewiesen erhält, an deren Endpunkte er die mitgeführten Schleppboote einem zweiten Dampfer übergibt, wonach er mit der ihm von dem letzteren zugewiesenen Last wieder an den Anfangspunkt seiner Station zurückkehrt.
Anders verhält es sich mit den Remorqueuren, deren Zugsvorrichtung sich an der Außenwand des Schiffes befindet, und welche im Stande sind, sich von der ersteren ganz los zu machen, so daß ein in entgegengesetzter Richtung verkehrender Toueur, mit Benützung desselben Seiles oder derselben Kette, an ihnen vorbei passiren kann.
Die Kettendampfer auf dem Canale Willebroeck, bei denen dies der Fall ist, mäßigen vor dem Abwerfen der Kette plötzlich ihre Geschwindigkeit, wodurch die Kettenspannung vermindert und es leicht gemacht wird, die Kette aus den Leitrollen und aus der Seilscheibe zu heben, somit den Dampfer ganz von ihr zu befreien.
Ist der andere Toueur, dem man auf diese Weise die Kette überläßt, vorbei passirt, so wird die letztere wieder aufgefischt, in die Scheiben eingelegt und der zwischenzeitig sistirte Schiffszug neuerdings in Gang gebracht. Dabei ist die Procedur des Abwerfens, Auffischens und Wiedereinlegens der Kette höchst einfach und währt — wie der Berichterstatter am genannten Canale zu beobachten Gelegenheit hatte — im Ganzen blos einige Minuten.
Ein ähnlicher Vorgang wird bei den Seilschleppschiffen an der Maas beobachtet, und es wirft dabei in der Regel das in der Bergfahrt begriffene Schiff das Seil ab, während das thalwärts fahrende, mit ermäßigter Geschwindigkeit und Festhaltung des Seiles an ihm vorüberfährt. Das Freimachen und Wiederaufnehmen des Seiles erfordert hier, wegen der complicirteren Construction des Zugapparates, einen etwas größeren Zeitaufwand, ja derselbe steigerte sich, bei den während der Probefahrten in dieser Richtung vorgenommenen Manövers sogar bis zu einer vollen Stunde; was jedoch zunächst nur dem Mangel an Hilfswerkzeugen und der Unvertrautheit der Schiffsmannschaft mit dieser, dort selten vorkommenden Manipulation zuzuschreiben sein dürfte.
Jedenfalls steht fest, daß, bei Schiffen mit seitwärts angebrachtem Zugapparate, Kreuzungen an demselben Seile stattfinden können, was bei solchen, wo der Zug sich längs der Verdeckmitte bewegt, nicht der Fall ist.
Wenn jedoch der Verkehr, welcher derlei Kreuzungen bedingt, ein sehr lebhafter ist, erscheint allerdings
i) die Legung zweier Ketten oder Kabel nebeneinander, also gewissermaßen die Herstellung einer doppelgeleisigen Schiffsbahn, vortheilhafter; man wird sich jedoch zu diesem Auskunftsmittel unzweifelhaft beim Seilbetriebe leichter entschließen, als beim Gebrauche der Kette, und zwar einestheils wegen der Anschaffungskosten, anderentheils aber insbesondere deßhalb, weil bei Ketten, — wenn diese in Folge des steten Hin- und Herrückens durch die Toueurs aus ihrer anfänglichen parallelen Lage gebracht, und neben- oder übereinander geschoben werden, — [478] über kurz oder lang eine den Verkehr ernstlich störende Verwicklung nicht zu vermeiden ist; während bei Seilen, in Anbetracht ihrer Glätte, anzunehmen ist, daß sie im gleichen Falle leicht über einander wegschlüpfen werden.
Die letztere Eigenschaft, welche, im Vereine mit der größeren Leichtigkeit, auch den beim Gebrauche der Kette unvermeidbaren Stößen und Vibrationen, sowie der durch dieselben hervorgerufenen rascheren Abnützung der Maschine vorbeugt, kommt dem Seile außerdem:
k) bei Verschotterungen im Flußbette zu Gute, rücksichtlich welcher es auf der Hand liegt, daß das glatte Seil leichter sie durchschneiden und sich von ihnen frei machen werde, als die Kette, deren durchbrochene Glieder einen steten Anlaß zur Festsetzung und Verklemmung größerer Geschiebsstücke geben.
Die vorstehende Aufzählung aller, auf die Anwendung der Kette und des Seiles Bezug nehmenden Daten und Facta hat keineswegs den Zweck, über diese beiden Zugmittel abzusprechen. Im Gegentheile geht aus ihr hervor, daß ein Endurtheil in dieser Angelegenheit überhaupt dermalen noch gar nicht gefällt werden könne, sondern mehrjährige Erfahrungen zu diesem Behufe abgewartet werden müssen.
Mag man sich auch immerhin, — wie dies beim Berichterstatter in der That der Fall ist, — persönlich der Ansicht zuneigen, daß dem Drahtseile die Zukunft der Touage angehöre, so muß man doch zugestehen, daß voraussichtlich dieser Zukunft noch eine Reihe von Verbesserungen und Vereinfachungen des Zugsmechanismus vorangehen werde, und daß wenigstens im gegenwärtigen Momente noch nicht behauptet werden könne, es müsse allüberall bei Einrichtung der Touage von der älteren Kettenschifffahrt abgesehen, und sich auf den modernen Standpunct des Drahtseilzuges gestellt werden.
Für Oesterreich, welches im Begriffe ist, die Touage einzuführen, dürfte aus obigen Gründen der Streit um Kette und Seil vorläufig von secundärer Bedeutung, und vielmehr die Touage-Frage vorerst im Allgemeinen zu ventiliren, insbesondere aber zu erörtern sein:
ob und welche Aussicht auf Erfolg die Einführung der Touage in Oesterreich überhaupt habe?
und welche Rücksichten sowohl bei der Einführung, als beim Betriebe derselben zu beobachten seien?
Die Antwort in Betreff des voraussichtlichen Erfolges hängt von der eingehenden Würdigung sowohl commercieller als technischer Momente ab, von denen die Einen den Waarenverkehr zum Gegenstände haben, auf welchen das neue Transportmittel hoffen darf, während die Anderen ein Urtheil darüber begründen sollen, ob und in welchem Grade die zu befahrenden Gewässer sich für einen rationellen Touage-Betrieb eignen.
In ersterer Beziehung läßt sich, — auch ohne auf den exclusiv fachmännischen Theil der Sache einzugehen, — Angesichts der Wichtigkeit der österreichischen Wasserstraßen und der bekannten Hindernisse, welche sich der Bergfahrt auf denselben entgegenstellen, wohl mit Zuversicht behaupten, daß die Touage hier ein weites Feld für ihre Wirksamkeit vorfinde und auf eine ergiebige Ernte rechnen dürfe.
Es ist aber auch nicht zu verkennen, daß die Erreichung dieses Zieles energische Anstrengungen voraussetze; — daß das neue Communicationsmittel so manche Probe zu bestehen haben wird, ehe sich ihm das volle Vertrauen des handeltreibenden Publicums [479] zuwendet; — daß namentlich den vorhandenen Schifffahrtseinrichtungen gegenüber die äußerste Rücksicht wird beobachtet werden müssen, um den Widerstand zu bewältigen, den das Bestehende naturgemäß jeder Neuerung entgegenstellt; — und daß endlich auch die Eigenthümlichkeiten und der Zustand unserer Flüsse dem Unternehmen technische Schwierigkeiten der ernstesten Art bereiten werden.
Untersucht man, — um sich die letzteren klar zu machen, — die Bedingungen, denen die Flüsse zu entsprechen haben, wenn eine gedeihliche Entwicklung der Ketten- oder Seilschifffahrt auf denselben zu gewärtigen sein soll, so gelangt man zu folgenden Schlüssen:
Die Touage (in der einen oder der anderen Form) wird für die Bergfahrt, welche zu cultiviren sie wohl vorzugsweise berufen fein dürfte, anstatt des Schiffszuges mit Pferden, überall dort anwendbar sein, wo überhaupt die Schifffahrt mit Dampfern von geringerem Tiefgange möglich ist; und sie wird in derlei Fällen ihrer Anwendbarkeit den flußaufwärtigen Transport nicht nur, gleich den gewöhnlichen Dampfern, von den Leinpfaden und der Unterbrechung derselben durch Seitengerinne, sondern auch von dem Wechsel der Wasserstände und den Witterungseinflüssen unabhängig machen.
Sie wird, gegenüber der gewöhnlichen Dampfschiffahrt zu Berg, um so glänzendere Resultate erzielen, je heftiger die Strömung ist und je schwerer die Dampfer sie überwinden.
Sie wird dagegen unter den Unregelmäßigleiten des Flußlaufes mehr als die übrige Dampfschifffahrt zu leiden haben; insbesondere werden ihr bedeutende Flußkrümmungen, rasch auf einander folgende Erhöhungen und Vertiefungen, so wie überhaupt alle Unebenheiten und felsigen Vorsprünge der Flußsohle, dann Geschiebsbewegungen, Versandungen, Verschotterungen und Flußbett-Veränderungen viel zu schaffen machen, und sie wird sich um so günstiger gestalten, je weniger ihr derartige Vorkommnisse in den Weg treten. Nun treffen zwar bei den wichtigeren österreichischen Flüssen die beiden ersten Voraussetzungen in reichlichem Maße zu; dagegen kann die vollständige Beseitigung der aus den Flußzuständen erwachsenden Erschwernisse wohl noch für lange Zeit nicht in Aussicht gestellt werden; denn wenn auch behufs der Regulirung der österreichischen Flüsse im Allgemeinen bereits außerordentlich viel geschehen ist, — wie dies ein einziger Blick auf die älteren und auf die neueren Flußkarten überzeugend darthut, — so sind doch diesfalls noch immer der Zukunft riesige Leistungen vorbehalten, und die Längenausdehnung der österreichisch-ungarischen Wasserstraßen (von denen auf die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder allem circa 400 Meilen entfallen), so wie die Natur der bloß Schritt für Schritt, unter steter Abwehr des Elementes ausführbaren Correctionen selbst, machen es einleuchtend, daß letztere in ihrer Gesammtheit nur das Werk von Generationen sein können.
Den Touage-Unternehmungen stehen in dieser Hinsicht jedenfalls Kämpfe bevor.
Sie werden in vielen Flußstrecken durch Einschränkungen ihres Betriebes den bestehenden Verhältnissen Opfer bringen, — in manchen anderen selbst Hand anlegen und sich die Möglichkeit ihres Bestandes durch Baggerungen, Sprengungen, Schutzbauten etc. sichern müssen, wie dies die Dampfschifffahrts-Compagnien ja auch gethan und noch thun. — Dagegen können sie dort, wo sie darauf angewiesen sind, die Hilfe des Staates, des Landes oder einzelner Corporationen für sich in Anspruch zu nehmen, mit Recht geltend machen, daß die für die Touage erforderlichen Vorkehrungen eben keine anderen seien, als jene, welche zur Herbeiführung eines geregelten Flußzustandes überhaupt unerläßlich sind; daß ferner die Ketten- und Seilschiffe, [480] da sie keinen Wellenschlag erzeugen, die Ufer vor dem Schaden bewahren, den ihnen die Raddampfer in dieser Hinsicht zufügen, und daß endlich die Touage, wenn es ihr gelingt, den stromaufwärtigen Verkehr ganz an sich zu ziehen, die Hufschläge und Treppelwege entbehrlich machen, also nicht nur die Kosten für die straßenartige Herstellung und Erhaltung dieser Uferstreifen ersparen, sondern auch die anderweitige Benützung derselben ermöglichen wird.
Uebrigens bedarf es wohl kaum einer Erwähnung, daß dort wo, und so lange als größere Flußgebrechen bestehen, der Betrieb der <tt<Touage an besondere Vorsichtsmaßregeln zu binden sein wird, deren Feststellung von Fall zu Fall, für jeden einzelnen Fluß, ja unter Umständen vielleicht selbst für einzelne Strecken eines solchen, abgesondert erfolgen muß.
Worin selbe zu bestehen haben, hängt von der Gestaltung des Flußlaufes, von der Flußbreite, Wassertiefe, Beschaffenheit des Bettes und der Ufer, von den Geschiebszufuhren, den Erscheinungen bei Hochwässern und Eisgängen, den Verhältnissen der Dampf-, dann Ruderschiff- und Floßfahrt, so wie von all den anderen Umständen ab, welche auf die Beschiffung des fraglichen Gewässers überhaupt, auf die Touage aber in erhöhtem Maße Einfluß nehmen, und sich wegen ihrer Verschiedenartigkeit an den verschiedenen Gewässern absolut nicht von einem gemeinsamen Gesichtspuncte aus beurtheilen lassen.
Im Allgemeinen kann lediglich darauf eingerathen werden:
1. Dort, wo es sich um die Kettenschifffahrt handelt, in allen nicht vollständig regulirten Flußstrecken nur eine Kette zu legen, und vor der Hand von der Herstellung einer zweiten Schiffsbahn abzusehen;
2. dahin zu trachten, daß die Toueurs, in gefällreichen Flußstrecken ihre Thalfahrt wo möglich unabhängig von dem Seile oder der Kette bewerkstelligen, oder, wo dies nicht angeht, mindestens eine den localen Anforderungen anzupassende Fahrordnung genau einhalten;
3. jedem Mißverständnisse bei der Bewegung und dem Ausweichen fremder Schiffe durch leicht verständliche Signale vorzubeugen, und der Schiffsmannschaft gemessene Weisungen zu ertheilen, wie sie sich in dieser Hinsicht, so wie bei Passirung von Brücken und allen solchen Stellen, an denen das Fahrwasser auf eine enge Rinne zusammengedrängt ist, zu benehmen habe;
4. von Zeit zu Zeit, — unbedingt aber nach jedem Elementarereignisse, — die Lage der Kette oder des Seiles zu untersuchen und zu reguliren, und sich dabei von der fortdauernden Haltbarkeit der ganzen Zugsvorrichtung zu überzeugen;
5. den Betrieb der Touage sorgfältig zu beaufsichtigen und ohne Verzug zu sistiren, sobald durch plötzliche Veränderungen im Flußlaufe oder durch den Eintritt anderer besonderer Ereignisse eine Gefahr für sie selbst oder für die übrige Schifffahrt, in Folge ihres Betriebes, hervorgerufen wird.
Die Beobachtung dieser allgemeinen, so wie der für einzelne Oertlichkeiten noch zu bestimmenden besonderen Vorsichten wird der Aufschwung der Touage im Ganzen gewiß nicht hemmen, sondern dieser nur jene solide Grundlage geben, welche einem derartigen Unternehmen um so mehr gesichert werden muß, je vielseitigere Interessen es berührt und je größer die Erwartungen sind, die an das Inslebentreten und den Bestand desselben geknüpft werden. Daß man aber zu solchen Erwartungen überhaupt berechtigt sei, bedarf, nach dem Vorausgeschickten, wohl keiner weiteren Auseinandersetzung.
Wenn auch die Eisenbahnen unter Wasser — und dies sind die versenkten Schiffszugsmittel im vollsten Sinne des Wortes — nicht dazu berufen erscheinen, [481] eine eben so gewaltige Umstaltung der socialen Verhältnisse herbeizuführen, wie ihre älteren Schwestern auf dem Lande, so werden sie doch jedenfalls, bei systematischer und sachgemäßer Behandlung, in das Verkehrsleben tief und wohlthätig eingreifen, und es kann daher die Einfügung dieses neuen Gliedes in die große Kette der österreichischen Communications-Anstalten, von was immer für einem Standpuncte aus betrachtet, sicher nur willkommen geheißen werden.
- ↑ Derzeit ist die Kette bereits in einer 3 Meilen langen Strecke, von Magdeburg abwärts bis Nigripp, gelegt und befahren.