Nur aus Nachlässigkeit

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Autor: unbekannt
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Titel: Nur aus Nachlässigkeit
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aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 808–809
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Aus den Erinnerungen eines Gefängnißinspectors
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[808]
Aus den Erinnerungen eines Gefängnißinspectors.
1. Nur aus Nachlässigkeit.

Es war bereits zehn Uhr Abends, als die Klingel an der äußern Thür des Gefangenenhauses drei Mal heftig und in rascher Folge gezogen wurde. Das war das Zeichen, durch welches der Director seine Ankunft meldete, wenn er nicht selbst den Schlüssel zur Thür bei sich trug. Sein Erscheinen zu dieser Stunde ließ allemal auf etwas Ungewöhnliches schließen. An jenem Abend mußte ich das um so mehr annehmen, als ein schauerliches Wetter und eine fast undurchdringliche Finsterniß den Aufenthalt außerhalb seiner vier Pfähle höchst unangenehm machten. Ich beeilte mich daher auch, an die Thür zu kommen und diese zu öffnen.

Der Director war nicht allein. An seiner Seite befand sich ein Mann, den ich nicht kannte, der einige fünfzig Jahre alt sein mochte und leicht, aber anständig gekleidet war. Der Director ließ ihn zuerst in das Haus eintreten. Aus der Art und Weise, wie das geschah, konnte ich annehmen, daß der Mann nicht freiwillig gekommen war, daß er vielmehr ein Bewohner des Hauses werden sollte. Und die Anwesenheit des Directors war ein sicheres Zeichen dafür, daß ich eine Person von „Distinction“ vor mir hatte. Ich sollte darüber nicht lange in Zweifel bleiben. Bei dem Eintreten in das Haus sagte der Director: „Ich drücke Ihnen, Herr von S., nochmals mein Bedauern aus, daß mich die Nothwendigkeit zwingt, Sie hier zurückhalten zu müssen; ich wünsche und hoffe aber zuversichtlich, daß dies nur von kurzer Dauer sein, daß die Untersuchung Ihre Unschuld zweifellos herausstellen wird.“

Herr v. S. erwiderte nichts. Er schien gar nicht gehört zu haben, was der Director gesagt hatte, er starrte in den langen Gang hinein, welcher zu den Gefängnißräumen führte und ihm in seiner halben Beleuchtung unheimlich erscheinen mochte. Ich stand dicht an seiner Seite und sah, daß ein leises Zittern seinen Körper überlief. Vielleicht war das eine Folge der Kälte, denn S. war nur leicht gekleidet. Es konnte aber auch der Ausdruck von Furcht sein; ist doch das Gefängniß ein Ort, der manche Schrecknisse in sich birgt.

„Sie übernehmen den Herrn v. S.,“ wendete sich der Director zu mir, „und behandeln ihn mit aller Achtung, die Sie seiner Stellung schuldig sind.“

Diese Mahnung war eigentlich unnöthig. Aber der Director liebte es, in Gegenwart Dritter Weisungen zu ertheilen und sich so als Mann der Milde und Humanität zu geriren, während er dem Beamten gegenüber den gestrengen Herrn spielte und auch das geringste Abweichen von den zahlreichen Instruktionen unnachsichtlich, manchmal sogar unbarmherzig, ahndete. In diesem Falle sollte die Mahnung indeß nur eine Verlegenheit zudecken, welche das Schweigen des Herrn v. S. hervorgerufen hatte. Denn unmittelbar darauf verließ der Director nach einem kurzen „guten Abend“ das Haus.

Ich war nun mit Herrn v. S. allein. Vor der Einschließung mußten noch einige lästige Förmlichkeiten beseitigt werden. In der Regel geschah das durch einen Aufseher, in diesem Falle mußte ich aber selbst thätig sein, damit die Achtung nicht verletzt würde, auf welche der neue Gefangene Anspruch hatte. In meinem Zimmer war es angenehm warm. Außerdem hatte ich mir eine Tasse Thee bereiten lassen. Da Herr v. S. noch nicht als Gefangener eingeschrieben war, so durfte ich noch Rücksichten nehmen. Ich stellte ihm einen Stuhl in die Nähe des Ofens, machte eine Tasse Thee zurecht und bat ihn, diese anzunehmen. Zu meinem Befremden wurde Beides abgelehnt. S. war stolz, er wollte von mir nichts annehmen und blieb unfern der Thür stehen. Es war eine imponirende Figur, groß, stark und kräftig, mit einem feinen, aber blassen Gesichte, das von einem vollen dunkeln Barte eingefaßt wurde. Der Ausdruck des Gesichts war ruhig und ernst, ich möchte sagen würdevoll; nichts verrieth Schwäche oder Niedergeschlagenheit, Alles wies auf Festigkeit und Vertrauen hin. Als ich ihn darum bat, nannte mir S. seinen vollständigen Namen, sein Alter und seinem Stand. Erst als er mir den Grund der Verhaftung angeben sollte, da wollten die Worte nicht über die Lippen; ich mußte die Frage wiederholen.

„Man giebt mir schuld,“ sagte er dann hastig, „Cassengelder veruntreut zu haben.“

Er sagte nicht, daß er unschuldig sei; er wollte sich jedenfalls mir gegenüber nicht rechtfertigen. Aber er preßte die Lippen fest zusammen und vermochte mich nicht anzusehen.

„Sie müssen,“ versetzte ich, um ihm nicht wehe zu thun, mehr bittend als befehlend, „bis auf die Kleidung, welche Sie tragen, Alles, was Sie bei sich führen, herausgeben und an mich abliefern.“

S. rührte sich nicht.

„Ich darf keine Ausnahme eintreten lassen,“ fuhr ich fort, „es ist unerläßlich, daß Sie das thun.“

Auch diese Bemerkung blieb unbeachtet.

„Wenn Sie mein Verlangen nicht freiwillig erfüllen,“ sagte ich etwas erregt, „so nöthigen Sie mich zu einer Durchsuchung, die ich gern vermeiden möchte.“

Erst hierauf leerte S. seine Taschen und legte die verschiedenen Gegenstände hastig und trotzig auf den Tisch, er behielt nur seine Uhr und zwei Ringe, einen großen Siegelring und einen einfachen Goldreif mit einem blauen Steine.

„Sie müssen auch die Uhr und die Ringe zurücklassen.“

„Die Uhr?“ fragte er und fügte, noch ehe ich antworten konnte, hinzu: „ja, und auch den Siegelring. Aber den zweiten Ring lassen Sie mir.“

„Es thut mir unendlich leid, ich muß auf meiner Forderung beharren.“

„Aber,“ rief S. heftig, „ich habe diesen Ring seit einundzwanzig Jahren an meiner Hand, ich habe ihn nie abgelegt und gelobt, ihn nie abzulegen; ich kann mich von demselben nicht trennen, die theuersten Erinnerungen sind damit verbunden.“’

„Und dennoch darf ich den Ring nicht in Ihrem Besitze lassen. Ich bitte, legen Sie denselben zu den übrigen Sachen auf den Tisch.“

„Herr Gott!“ schrie S., fast weinend, „was ist aus mir geworden ! ich kann ihn nicht freiwillig hergeben; ich muß Ihnen überlassen, den Ring mir – wegzunehmen.“

Ich ergriff die Hand des Gefangenen, zog den Ring ab und legte ihn auf den Tisch. S. leistete keinen Widerstand, aber die Hand zuckte, und als ich ihm zufällig in das Gesicht sah, bemerkte ich, daß der große, starke Mann weinte. Ich mußte ihm unendlich wehe gethan, ihn tief gekränkt haben. Jedenfalls war dieser Ring der Schlußstein, auf welchen vieljähriges Familienglück sich gründete, und bei der gewaltsamen Wegnahme desselben mußten die vielfachen Freuden, welche jenem Glücke entsprossen waren, ihm vor das Auge getreten sein und dies genäßt haben.

Das Maß der Leiden war damit aber noch nicht voll. Die Eintragung in die Liste war erfolgt. Eben so hatte ich die Asservate verzeichnet und dies Verzeichniß anerkennen lassen. Ich konnte nun Herrn v. S. in meinem Zimmer nicht mehr zurückhalten, ich mußte ihn einschließen. S. mußte mir vorausgehen. Er folgte willig, aber schweigend. Ich führte ihn in die zweite Etage des Hauses, in welcher sich die Zellen für die Untersuchungs-Gefangenen befanden. Dieselben waren sämmtlich gleichmäßig groß und unterschieden sich nur dadurch von einander, daß ein Theil nach Mittag, der andere dagegen nach Mitternacht zu gelegen war. S. sollte eine nach Mittag gelegene Zelle bewohnen. Bei dem Ueberschreiten der Thürschwelle stutzte derselbe; er zog den bereits erhobenen Fuß wieder zurück, wendete sich mir zu und sagte dann: „Wollen Sie die Güte haben, zuerst einzutreten und Licht anzuzünden? Vielleicht, daß der Aufenthalt mir dann weniger schrecklich ist.“

„Sie erhalten kein Licht,“ entgegnete ich.

„Was?“ fragte er erschreckt, „gar kein Licht?“

„Nein,“ erklärte ich bestimmt, „es ist das ausdrücklich verboten.“

„Das ist ja schrecklich,“ rief er voller Entsetzen. „Jetzt im November von vier Uhr Nachmittag bis acht Uhr Morgens ohne Licht, also geistig todt, das muß ja einen vernünftigen Menschen wahnsinnig machen!“

„Sobald Sie geistig oder körperlich krank werden sollten,“ versetzte ich tröstend, „erhalten Sie Licht, wenn der Arzt dies für nöthig findet. Bis dahin darf Ihnen keins verabreicht werden.“

„Das ist entsetzlich, das ist fürchterlich!“ sagte S. dumpf in sich hinein, indem er die Schwelle hastig überschritt.

[809] Das Gefängniß war etwa zwölf Fuß lang und sechs Fuß breit. In der einen Ecke befand sich auf dem Fußboden ein Strohsack, darüber ausgebreitet ein weißes leinenes Tuch und eine wollene Decke; auf der andern Seite ein kleiner Tisch und eine Bank, welches Beides auf dem Fußboden befestigt war.

„Sie müssen,“ sagte ich zu dem Gefangnen, nachdem ich ihm die Einrichtung gezeigt hatte, „jetzt die Kleider ab- und geordnet auf die Bank legen und dann Ihr Lager aufsuchen. Da Sie sich im Dunkeln nicht werden zurechtfinden können, so werde ich das Licht hier an der Thür stehen lassen, nach fünf Minuten aber zurückkehren. Ich erwarte, daß Sie dann fertig sein werden.“

Der Gefangene erwiderte nichts. Als ich die Zelle verließ, bemerkte ich, daß er beide Hände an seinen Kopf legte, sonst aber sich nicht rührte. Der Mann that mir leid, er mußte unendlich viel leiden. Sein Stolz wurde gebeugt, sein Trotz gebrochen und ihm eine Wunde geschlagen, welche unheilbar sein und für die ganze Lebenszeit fortbluten mußte. Der Schmerz war tief in das Innere hineingedrungen, hatte sich hier festgesetzt und wühlte nun in der Brust, ohne einen Ausgang finden zu können. Solche Schmerzen thun zehnfach wehe.

Nach etwa zehn Minuten war ich wieder bei S. Er stand noch genau ebenso, wie ich ihn verlassen hatte. Ich durfte das nicht dulden.

„Herr v. S.,“ sagte ich ernst, „ich habe Ihnen statt fünf zehn Minuten Zeit gelassen. Sie haben meine Weisung nicht befolgt. Jetzt fordere ich Sie auf, dies sofort zu thun, damit Sie sich keine Verlegenheiten bereiten.“

Er schreckte zusammen, als er mich sprechen hörte, die Hände fielen schlaff herab, und seine großen, braunen Augen starrten mich wie abwesend an. Nach einer kleinen Pause sagte er langsam und in tiefer Bewegung: „Aber, mein Herr, ich will mich nicht legen, ich will auf meinen Füßen bleiben. Das werde ich doch thun dürfen?“

„Ich bedauere,“ entgegnete ich, „Ihnen bemerken zu müssen, daß der Gefangene in diesen Mauern keinen Willen hat. Nach der Hausordnung ist es unstatthatt, daß der Gefangene während der Nacht angekleidet bleibt und nicht auf seinem Lager zubringt. Es geschieht dies, um Fluchtversuche zu verhindern, weshalb bei Verdächtigen die Kleider während der Nacht auch außerhalb der Zelle verwahrt werden. Sie sind nicht verdächtig, Herr v. S., ich werde Ihnen daher Ihre Kleider belassen; aber auskleiden und niederlegen müssen Sie sich auf jeden Fall.“

Ich sagte das Letztere mit erhobener Stimme, damit S. nicht zweifelhaft sein konnte, daß er folgen müsse. Er that das auch. Aber ich werde in meinem Leben den Ausdruck seines Gesichts nicht vergessen. Ich hatte und habe nie etwas Schmerzlicheres gesehen. Und als er fertig war, als er sich auf den Strohsack niederwarf, da gewahrte ich, wie seine Brust keuchte und wie er das laute Aufschreien unterdrückte. Mir ging das so nahe, daß ich an seiner Stelle hätte weinen mögen. Auch der Gefängnißbeamte weiß den wahren Schmerz zu würdigen. –

Die Nacht war vorüber. Mich drängte es, S. aufzusuchen. Ich fand ihn noch unangekleidet auf seinem Strohsacke sitzen. Als ich eintrat, sprang er auf.

„Nun muß ich wieder aufstehen und mich ankleiden,“ sagte er ruhig, „nicht wahr? Ich bin ja hier nicht mehr als eine Maschine. Sie sehen, ich bin heute viel ruhiger, als ich diese Nacht war. Und wissen Sie, mein Herr, wodurch ich das geworden bin? Ich habe mein Leben Schritt vor Schritt verfolgt und mich so überzeugt, daß ich das nicht gethan habe, was man mir schuld giebt. Aber noch mehr, ich könnte mit einer seltenen Gedankenschärfe die Ursachen aufsuchen, welche zu meinem Mißgeschicke Veranlassung gegeben haben. Und ich bin auch so glücklich gewesen, auf einen Umstand zu stoßen, der mir meine Freiheit wiederbringen muß. Ich bitte, mein Herr, melden Sie dem Herrn Director oder, wenn dieser behindert sein sollte, dem Herrn Untersuchungsrichter, daß ich so bald als möglich vernommen zu werden wünsche, weil ich im Stande wäre, die Differenz aufzuklären.“

„Da werden Sie sich doch wohl noch einige Stunden gedulden müssen,“ versetzte ich. „Der Rapport geht erst acht Uhr ab. Außerdem haben Sie heute Vormittag Ihr Verhör zu gewärtigen, also Gelegenheit, sich auszusprechen. Eine besondere Meldung darf ich in diesem Falle nicht erstatten, weil derselbe nicht zu den besonders schleunigen gehört.“

„Ich werde warten,“ entgegneie S. ruhig, „bis ich gerufen werde.“

Gegen elf Uhr wurde er zum Verhör vorgeführt. Er ging aufrecht mit festen Schritten, mit erhobenem Kopfe, nicht wie ein Schuldiger. Das Auge strahlte in seltenem Glanze, wie das eines Siegers nach glücklich beendetem Kampfe. Und doch hatte er noch nicht gesiegt, er wollte erst für seine Freiheit kämpfen. Gegen ein Uhr kehrte er zurück, betrübt und niedergeschlagen.

„Man hat mir nicht glauben, mich nicht freigeben wollen.“ Das war Alles, was er mir sagte. Er hatte sich getäuscht, wie das so häufig geschieht. Die Criminal-Justiz läßt Den nicht so leicht wieder los, welchen sie einmal gefaßt hat. Nach etwa sechs Wochen, in welcher Zeit sich S. fügsam, willig und anspruchslos, aber auch stets schweigsam zeigte, wurde derselbe vor die Geschworenen gestellt. Ich erfuhr nun, daß er achthundert Thaler nicht zu der von ihm verwalteten Casse gebracht und ebenso die Eintragung in die Bücher unterlassen habe.

S. gestand das zu, bekannte sich aber nicht für schuldig und behauptete, daß der Fehler blos aus Vergeßlichkeit geschehen sei. Unmittelbar nach der Abgabe des mit der Post eingegangenen Geldcouverts sei eine entfernt wohnende Schwester unvermerkt bei ihm eingetreten. In der Freude über diesen Besuch habe er sich nicht die Zeit genommen, das Geld in die Casse zu bringen und den Eingang in das Cassenbuch einzuschreiben; er habe den Geldbrief eiligst in ein auf seinem Arbeitstische liegendes Actenheft gesteckt und damit weggelegt. An diesem Tage sei er nicht wieder in sein Arbeitszimmer gekommen und bei der Revision am Nachmittag des folgenden Tages sich in der Bestürzung nicht erinnern können, wo das Geld geblieben sei; erst in dem Gefängnisse sei ihm das wieder in das Gedächtniß gekommen.

Obgleich das Geld an der bezeichneten Stelle unentsiegelt gefunden worden war, so führte der Staatsanwalt in einer längeren Rede doch aus, daß das Nichtzurcassebringen ein Beiseiteschaffen und die unterlassene Eintragung in das Cassenbuch eine unrichtige Buchführung darstelle; daß auf den Nachweis des Geldes nichts gegeben werden dürfe, weil dieser Nachweis erst das Ergebniß der Verhaftung sei, und daß mithin das Schuldig ausgesprochen werden müsse.

Der Vertheidiger war ein geschickter Mann. Er sprach klar und faßlich. Zuerst wies er nach, daß von den Erfordernissen, welche die Anwendung des Strafgesetzes voraussetzten, hier nichts dargethan sei, und dann wußte er mit wenigen ergreifenden Worten auf das Gefühl der Geschworenen einzuwirken, indem er die bisherige Unbescholtenheit und Reinheit des Angeklagten vorhielt und diesen Eigenschaften das Ungeheuerliche der Strafe gegenüberstellte. Sein Antrag lautete: Nichtschuldig.

S. behielt unverändert seine Ruhe. Noch am Schlusse der Verhandlung erklärte er laut und fest, daß er nicht im Entferntesten daran gedacht habe, das Geld bei Seite zu schaffen und die Eintragung in die Bücher zu unterlassen, daß dies vielmehr aus Nachlässigkeit unterblieben sei, die er allerdings zugeben müsse.

Die Geschworenen blieben nur kurze Zeit in ihrem Berathungszimmer. Sie hatten dem Angeklagten Glauben geschenkt, denn ihr Obmann erklärte: „Nein, der Angeklagte ist nicht schuldig.“

S. kehrte nicht wieder in das Gefängniß zurück. Er hat die eine Nachlässigkeit schwer büßen müssen und trägt vielleicht jetzt noch daran, obgleich seitdem bereits mehr als zehn Jahre verstrichen sind.