Oberappellationsgericht München – Entwendung von Streu

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Autor: Oberappellationsgericht München
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Titel: Mittheilung oberstrichterlicher Erkenntnisse
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1876, Nr. 39, Seite 393–395
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Kurzbeschreibung: Wer in unbefugter Weise oder in den hiezu nicht angewiesenen Waldorten grünes oder trockenes Laub, Nadeln oder Moos holt, wird neben dem Ersatze des Werthes und eines Drittheils desselben für Schaden, mit einer dem Werthe gleichen Geldstrafe belegt. (Artikel 84 des Forstgesetzes vom 28. März 1852.)
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[393]

Den Entscheidungsgründen eines Erkenntnisses des obersten Gerichtshofes vom 9. September 1876 ist Folgendes zu entnehmen:

Die 36 Beschuldigte, Anwesensbesitzer der Gemeinde G., befinden sich unbestritten im Besitze eines Forstrechts, vermöge dessen sie in den Privatwaldungen der Bauern N. und N. sämmtliche Streu nach forstpolizeilichen Grundsätzen unentgeltlich beziehen dürfen.

Thatsächlich steht fest, daß die Beschuldigten in Ausübung dieses ihres Rechts auch im heurigen Frühjahre in den besagten Waldungen Streu gerecht haben, ohne vorher eine Anweisung hiezu von den betheiligten Waldbesitzern erholt zu haben, und daß dieselben bei Aneignung der fraglichen Streu sogar gegen den ausdrücklichen Protest der Waldbesitzer gehandelt haben.

Die Instanzgerichte haben nun auf die so konstatirte Sachlage die Strafbestimmung in Artikel 84 des Forstgesetzes vom 28. März 1852 nicht anwendbar erachtet.

Dieser Anschauung kann oberstrichterlich nicht beigetreten werden.

Inhaltlich des angezogenen Artikel 84 Absatz 1 wird neben Werth- und Schaden-Ersatz mit Geldstrafe belegt, wer unbefugter Weise oder in den hiezu nicht angewiesenen Waldorten grünes oder trockenes Laub, Nadeln oder Moos holt.

Die erste Alternative dieser Bestimmung bezieht sich auf jene, welche ohne alle Berechtigung sich Laub u. s. w. aus dem Walde zueignen, die zweite auf die Streuberechtigten, welche überhaupt ohne Anweisung oder an andern, als den angewiesenen Waldorten das ihnen zustehende Streurecht ausüben; „die bedingt unbefugte Streuzueignung, welche in nicht angewiesenen Waldorten stattfindet, ist der völlig unbefugten Zueignung durchgehends gleichzustellen.“

(– Motive zu Artikel 76 des Entwurfes eines F.G., jetzt Artikel 84 des F.G., in den Verh. d. K. d. Abg. des b. Landtags i. J. 1851. Beil. Bd. I, Seite 631 Sp. 1. –)

Es ist also nach dem Gesetze die Ausübung des Streurechts in allen Fällen an die vorgängige Anweisung des Streuplatzes gebunden, und auch solche Streuberechtigungen, welche nach dem früheren Besitzstande ohne vorgängige Anweisung ausgeübt worden sein sollten, sind durch die obige ganz unbedingte Vorschrift des F.G. in der bezeichneten Weise beschränkt worden. [394]

In diesem Sinne hat sich der oberste Gerichtshof schon in einer Reihe veröffentlichter Urtheile ausgesprochen.

An dieser allgemeinen ausnahmslosen Verpflichtung der Streuberechtigten vermag der Umstand nichts zu ändern, daß, wie die Instanzgerichte angenommen haben, – im gegenwärtigen Falle die Waldbesitzer ihre Waldungen nicht nach einem förmlichen Nutzungsplan bewirthschaften und eine Umtriebzeit nicht festgestellt ist, zu welchen Vorkehrungen der Privatwaldbesitzer an sich ohnehin gesetzlich nicht verhalten erscheint.

Vgl. Brater, Erläuterung des Forstgesetzes zu Artikel 19 Seite 433 Note 3.

Zu Folge der im Eingange hervorgehobenen thatsächlichen Feststellungen sind die Beschuldigten zu dem mehrberührten Streubezuge nur nach forstpolizeilichen Grundsätzen berechtigt. Von Seite der betreffenden Waldbesitzer wurde entgegnet, daß durch die schrankenlose Ausübung des in Frage stehenden Streurechts ihre Waldungen zu Grunde gehen, wonach es sich hier um die Geltendmachung forstpolizeilicher Grundsätze handelt; indem unter Anderem in Artikel 24 des F. G. der Grundsatz aufgestellt ist, daß Forstberechtigungen den Waldbesitzer in der nachhaltigen Bewirthschaftung des Waldes nicht hindern können, welcher Grundsatz in Artikel 25 seine nähere Bestimmung erhalten hat.

Kommt auch deshalb dem Waldbesitzer zum Behufe der nachhaltigen Bewirthschaftung des Waldes nicht die Befugniß zu, anerkannt bestehende Forstberechtigungen einseitig zu schmälern, da in einem solchen Falle die Entscheidung der Forstpolizeibehörde über die etwaige Ermäßigung – vorbehaltlich der Betretung des Rechtsweges – herbeizuführen ist, so kann hieraus doch nicht die Folgerung gezogen werden, daß der Streuberechtigte, welchem von dem Waldbesitzer das gebührende Streuquantum nicht angewiesen wird, berechtigt sein soll, entgegen der absolut gebietenden Vorschrift des Artikel 84 des F. G. eigenmächtig die Streu aus dem servitutpflichtigen Walde zu holen.

Streitigkeiten über die Art und Weise der Ausübung einer Forstberechtigung eignen sich gemäß Artikel 23 Absatz 2 zur Austragung vor den Forstpolizeibehörden. Auf diesem Wege ist dem Streuberechtigten die Erlangung der Anweisung zum Streubezuge eröffnet, welche Anweisung beim Befunde der Begründetheit seiner Beschwerde durch die von ihm angerufene Forstpolizeibehörde sofort verfügt werden wird, bis von dem Waldbesitzer, der die Nothwendigkeit der Ermäßigung des Streurechts darzuthun sucht, nach beschäftigter Vorlage der gehörig bearbeiteten Waldertragsermittlung und des Wirthschaftsplanes durch ihn die auf das Gutachten von forsttechnisch gebildeten Sachverständigen zu gründende Entscheidung der Forstpolizeibehörde erwirkt ist. [395]

Artikel 25 Absatz 1 und 4 mit Artikel 111 des F. G. Vorschriften zum Vollzuge des F. G. vom 29. Juni 1852 § 4.

Aus vorstehenden Erwägungen mußte das angefochtene Urtheil wegen Verletzung des Artikel 84 des F. G. durch Nichtanwendung in Gemäßheit der Artikel 138 und 139 des E. G. v. 10. November 1861 vernichtet werden.