Oberappellationsgericht München – Lebensmittelverfälschung

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Autor: Oberappellationsgericht München
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Titel: Mittheilung oberstrichterlicher Erkenntnisse
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1877, Nr. 10, Seite 110–111
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Kurzbeschreibung: Verfälschung von Butterschmalz mit Schweinefett
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[110]

Der oberste Gerichtshof des Königreichs erkannte am 10. Februar 1877 in Sachen der N. N. Viktualienhändlerin zu B. wegen Verkaufs gefälschten Schmalzes zu Recht:

Die von N. N. gegen das Urtheil des k. Bezirksgerichts B. vom 29. Dezember 1876 erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen und die Beschwerdeführerin in die betreffenden, der Staatskasse zur Last fallenden Kosten sowie weiter zu achttägiger Haft verurtheilt.
Gründe.

Auf erstattete Anzeige des Bäckermeisters N. in B., daß er von der Viktualienhändlerin N. N. daselbst sechs Häfen Schmalz gekauft habe, welches als mit Schweinfett untermischt erkannt worden sei, und auf Angabe der N. N., daß sie das Schmalz von der Viktualienhändlerin J. B. aus St. am 4. Oktober erkauft habe, wurden nach eingeholtem sachverständigen Gutachten genannte beide Frauenspersonen in die öffentliche Sitzung des k. Stadtgerichts B. vorgeladen, und daselbst durch Urtheil vom 16. Nov. 1876 wegen einer Uebertretung des Verkaufs gefälschter Lebensmittel nach §. 367 Ziff. 7 R.-St.-G -B. je in vierzehntägige Haftstrafe und in die der Staatskasse überbürdeten Kosten verfällt.

Das k. Bezirksgericht B., an welches die Sache in Folge der von beiden Beschuldigten eingelegten Berufung gelangte, bestätigte mittels Urtheils zweiter Instanz vom 29. Dez. 1876 den erstrichterlichen Ausspruch in Bezug auf Schuld und Kosten, ermäßigte jedoch die erkannte Haftstrafe auf fünf Tage, wobei es die Kosten zweiter Instanz der k. Staatskasse überbürdete.

Gegen dieses Urtheil hat N. N. am 30. dess. M. durch mündliche Erklärung auf der bezirksgerichtlichen Gerichtsschreiberei die Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt, ohne einen besonderen Beschwerdegrund zu bezeichnen.

In der öffentlichen Sitzung vom 10. Febr. 1877 des obersten Gerichtshofes kam die Sache zum Aufrufe.

Der Referent erstattete Vortrag, und da für die Beschwerdeführerin Niemand erschienen war, erörterte sofort der k. Staatsanwalt seinen dahingehenden Antrag:

die Nichtigkeitsbeschwerde der N. N. zu verwerfen und dieselbe in die betreffenden, der k. Staatskasse zur Last fallenden [111] Kosten sowie noch weiter zu achttägiger Haft zu verurtheilen.

Die bei der Art der eingelegten Beschwerde veranlaßte allgemeine Prüfung der Sache hat ergeben, daß in dem Verfahren zweiter Instanz jede wesentliche Förmlichkeit beobachtet und daß das Gesetz auf die festgestellten Thatsachen richtig angewendet worden ist.

In Bezug auf die Gesetzanwendung wird Folgendes besonders bemerkt:

Nach § 367 Ziff. 7 des R.-St.-G.-B. wird mit Geldstrafe oder Haft bedroht, wer verfälschte oder verdorbene Getränke oder Eßwaaren feil hält oder verkauft.

Verfälscht ist aber eine Eßwaare, wenn ihr fremde Stoffe beigemischt worden sind, welche naturgemäß nicht zu derselben gehören.

Das k. Bezirksgericht hat festgestellt, daß das von der Beschuldigten verkaufte Schmalz mit nicht weniger als 50 Prozent Schweinefett vermischt war.

„Schmalz“ wird bekanntlich aus Kuhbutter gewonnen und nach allgemeinem Gebrauche nur die solchergestalt gewonnene Fettigkeit als Schmalz verkauft. Schweinefett ist somit ein dieser Waare fremder Stoff und dessen Beimischung zu dem Butterschmalze eine Fälschung.

Der Thatbestand des § 367 Ziff. 7 ist hier aber auch in subjektiver Beziehung erschöpft, da nach der Natur dieser Bestimmung auch die Fahrlässigkeit bestraft wird, und bei der Annahme des k. Bezirksgerichts, daß die N. N. bei dem Verkaufe des Schmalzes, ohne dasselbe näher zu untersuchen, jedenfalls in grober Fahrlässigkeit gehandelt habe, deren Bestrafung im Hinblick auf § 59 R.-St-G.-B. um somehr gerechtfertigt erscheint, als festgestelltermaßen jene Fälschung unschwer zu erkennen ist, folglich auch die angebliche Unkenntniß der Fälschung als durch Fahrlässigkeit verschuldet betrachtet werden mußte.

Die erhobene Nichtigkeitsbeschwerde stellt sich daher als unbegründet dar. – Dieselbe war somit zu verwerfen, und es war weiter nach Art. 274 St.-P.-G. vom 10. Nov. 1848 mit Art. 409 Th. II St.-G.-B. von 1813, dann nach Art. 135 des Einf.-Ges. v. 10. Nov. 1861 wie oben geschehen zu erkennen.