Oberappellationsgericht München – Rückstau durch Mühlenwehr

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Autor: Oberappellationsgericht München
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Titel: Mittheilung oberstrichterlicher Erkenntnisse
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1877, Nr. 3, Seite 15–22
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Kurzbeschreibung: Bestimmung der Verjährungsfrist bei Unterlassungsdelikten
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[15]

Durch Beschluß des k. Bezirksamts W. vom 26. Januar 1874 ist dem Mühlenbesitzer J. A. B. v. H. die distriktspolizeiliche Erlaubniß, in dem Egerflusse bei H. zum Betriebe einer Mühle ein Stauwehr zu errichten, unter der Bedingung ertheilt worden, daß das Wehr die in dem Längennivellement eingetragene Höhe nicht überrage, mit einer Schütze von 4,2 Meter Weite versehen werde, eine zweite mit Balken oder Bohlen zu schließende Oeffnung erhalte, und daß in unmittelbarer Nähe ein Aichpfahl gesetzt werde, der genau die Höhe angibt, bis zu welcher der Wasserspiegel vor dem Wehre gestaut werden darf, ehe die Schütze gezogen werden muß.

Unterm 2. August 1875 wurde ein derartiger Aichpfahl durch eine Commission des k. Bezirksamts W. gesetzt und dem Müller B. eröffnet, daß er bei Errichtung seines neuen Wehres die Bestimmungen des voraufgeführten rechtskräftigen distriktspolizeilichen Beschlusses genau zu beachten habe, während in diesem Zeitpunkte, wie nachträglich sich herausstellte, der Wehrbau schon vollendet war.

Unterm 24. März 1876 hat nun A. K., welcher an dem genannten Flusse oberhalb der Mühle des B. eine Mühle betreibt, bei dem k. Bezirksamt W. zur Anzeige gebracht, daß B. das fragliche Wehr zu hoch gebaut habe, wodurch ein Rückstau erzeugt werde, der die Kupferplatte des Aichpfahles durchschnittlich um 15 Zoll überflute, dann daß die angeordnete Schütze an dem Wehr nicht angebracht sei, wodurch die Mühle des K. den Betrieb störendes Hinterwasser bekomme.

Diese Anzeige wurde vom genannten Bezirksamte behufs Strafeinschreitung gegen B. auf Grund der Art. 97 und 99 des Ges. v. 28. Mai 1852 über die Benützung des Wassers an den Staatsanwaltsvertreter am k. Landgerichte N. abgegeben und in der Strafsitzung dieses Gerichtes vom 30. September 1876, nachdem inzwischen erhoben wurde, daß B. zwar nunmehr das Wehr tiefer gelegt, jedoch die angeordnete Schütze noch nicht angebracht habe, gegen denselben unter der Anschuldigung, „bei dem im Jahre 1874 oder 1875 errichteten Wehr die bezirksamtlich angeordnete Schütze in einer Weite von 4,2 Meter nicht angebracht zu haben“, verhandelt.

Durch Urtheil dieses Gerichts vom nemlichen Tage wurde aber B. von der ihm zur Last gelegten Uebertretung des Gesetzes über Benützung des Wassers unter Ueberbürdung der Kosten auf die Staatskasse freigesprochen unter der Annahme, daß die Strafverfolgung wegen Ablaufes von mehr als 3 Monaten seit Vollendung des ordnungswidrigen Wehrbaues gemäß § 67 Abs. 3 und 4 des R.-St.-G.-B. [16] verjährt sei und wurde in Anwendung des § 367 Z. 15 des R.-St.-G.-B., dann der Art. 18 und 105 des P.-St.-G.-B. der Polizeibehörde die Ermächtigung zur Beseitigung des eigenmächtig angelegten Stauwehres, soweit es dem baupolizeilichen Beschlusse vom 26. Januar 1874 zuwider aufgeführt ist, zugesprochen.

Die vom Staatsanwaltschaftsvertreter gegen dieses Urtheil wegen der Freisprechung des Beschuldigten erhobene Berufung wurde durch Urtheil des k. Bezirksgerichts H. vom 16. November 1876 unter Ueberbürdung der Kosten zweiter Instanz auf die Staatskasse verworfen, indem auch dieses Gericht den Eintritt der Verjährung annahm, welche mit der Vollendung des Wehrbaues seit 2. August 1875 begonnen habe, weil der fortdauernde ordnungswidrige Zustand weder eine Handlung noch eine Unterlassung des Beschuldigten, sondern lediglich die Folge seiner gefährdenden Handlung (des ordnungswidrigen Wehrbaues) bilde.

Hiegegen hat der Staatsanwalt am k. Bezirksgerichte H. am 16. November 1876 auf der Gerichtsschreiberei des genannten Bezirksgerichts Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet und hiebei als Beschwerdegründe bezeichnet, daß durch die erfolgte Freisprechung des Beschuldigten § 67 des R.-St.-G.-B., Art, 3 Z. 10 lit. d. des Einf.-Vollz.-Ges. vom 26. Dezember 1871, Art. 97 Z. 1 und Art. 99 des Gesetzes vom 28. Mai 1852, die Benützung des Wassers betr., dann § 367 Z. 15 des R.-St.-G.-B. und endlich Art. 324 des St.-P.-G. vom 10. November 1848 durch unrichtige Anwendung verletzt worden seien, da festgestellt sei, daß in Folge der Nichterrichtung der Schütze bei hohem Wasserstande jedesmal eine Rückstauung des Wassers für die Mühle des A. K. entstehe, wodurch auch thatsächlich feststehe, daß B. zugleich das bei der Ertheilung der Erlaubniß von der Verwaltungsbehörde bestimmte Maß (Art. 10, 11, 12 des Wasserben.-Ges.) fortwährend und auch zur Zeit noch überschreite.

In dem oberstrichterlichen Urtheile vom 23. Dezember 1875 wurde über diese Beschwerde Nachstehendes bemerkt:

Durch Art. 3 Z. 10 lit. d. des Einf.-Vollz.-Ges. vom 26. Dezember 1871 sind die strafrechtlichen Bestimmungen, welche indem Gesetze über die Benützung des Wassers vom 28. Mai 1852 enthalten sind, aufrecht erhalten worden.

Nach Art. 10 dieses Gesetzes dürfen Abs. 1 ohne Erlaubniß der Verwaltungsbehörden innerhalb des Überschwemmungsgebietes eines öffentlichen Flusses keine Dämme oder ähnliche Anlagen errichtet werden, welche auf den Lauf des Wassers oder die Höhe des Wasserstandes Einfluß haben können, und dürfen Abs. 2 ohne solche Erlaubniß keine Triebwerke, Wasserleitungen, Abzugsgräben, [17] Schöpfwerke, Bade- oder Waschhäuser, noch sonstige, den freien Wasserlauf störende Anlagen errichtet werden.

Nach Art. 11 bedarf die Abänderung bestehender Einrichtungen und Anlagen von der im Art. 10 bezeichneten Art der gleichen Erlaubniß.

Nach Art. 12 bestimmt die Verwaltungsbehörde bei Ertheilung der Erlaubniß das Maß und die Art der Benützung und ist zu jeder Zeit befugt, auf Kosten des Benützenden die Überschreitungen der ertheilten Erlaubniß unterdrücken und die versäumten Leistungen vornehmen zu lassen.

Nach Art. 40 Abs. 2 finden diese Bestimmungen auch hinsichtlich der nicht zur Schiff- oder Floßfahrt dienenden Flüsse und Bäche (d. h. der Privatgewässer im Gegensatze zu öffentlichen Flüssen Art. 2) Anwendung, soferne sich dergleichen Gewässer im Eigenthume des Staates befinden.

Nach Art. 97 Z. 1 macht sich derjenige gemäß Art. 101 einer Polizeiübertretung (seit Einführung des Reichsstrafgesetzbuches gemäß Art. 5 des Einf.-Vllz.-Ges. vom 26. Dezember 1871 einer Uebertretung) schuldig, wer Anlagen der im Art. 10 Abs. 1 und 2 bezeichneten Art ohne Erlaubniß errichtet oder nach Art. 11 ohne Erlaubniß abändert, oder das bei Ertheilung der Erlaubniß von der Verwaltungsbehörde bestimmte Maß überschreitet, und nach Art. 99 greift die Strafbestimmung des Art. 97 Z. 1 auch dann Platz, wenn die erwähnten Handlungen an oder bezüglich von Privatflüssen oder Bächen vorgenommen wurden, welche sich nach Art. 40 im Eigenthume des Staates befinden.

Obiger Art. 12, welcher sich, wie Pözl in seinen Erläuterungen zum Wasserbenützungsgesetze S. 95 ff. erwähnt, allerdings auf die doppelte Art von Anlagen im Abs. 1 und 2 des Art. 10 beziehen läßt, unterscheidet sich gleichwohl von dem Inhalte dieses Artikels und des Art. 11 darin, daß letztere beide Artikel die bauliche Errichtung und Abänderung von Anlagen der dort bezeichneten Art zum Gegenstande haben, während der Art. 12 die Regulirung der durch solche Anlagen bezweckten Wasserbenützung im engsten Sinne, den wirklichen Wasserverbrauch zum Gegenstande hat.

Indem nun die Strafbestimmung des Art. 97 Z. 1 ausdrücklich nur auf die Zuwiderhandlungen gegen Art. 10 und 11 bei Errichtung und Abänderung von Wasserbauwerken hinweist, ist klar, daß der Schlußsatz jener Bestimmung, „oder wer das bei der Ertheilung der Erlaubniß von der Verwaltungsbehörde bestimmte Maß überschreitet“, nicht auf eine polizeiliche Maßbestimmung über den Wasserverbrauch (Art. 12) d. i. über Art und Umfang der Benützung eines Wasserbauwerkes, sondern nur auf eine Maßbestimmung, [18] über die objektive technische Ausführung des Bauwerkes selbst bezogen werden kann, wie solche Maßnahme nach Art. 76 in die Zuständigkeit und Verpflichtung der Verwaltungsbehörde bei Prüfung und Genehmigung eines derartigen Bauwerkes gelegt ist.

Nur eine Maßüberschreitung (eine Zuwiderhandlung) in dieser objektiv technischen Richtung fällt daher unter die Strafbestimmung des Art. 97 Z. 1 in Verbindung mit Art. 10 oder 11, während eine Zuwiderhandlung gegen Art. 12 nicht unter besondere Strafe gestellt, vielmehr deren Unterdrückung der Verwaltungsbehörde auf Kosten des Benutzenden anheimgegeben ist, wozu sich dieselbe auch zweifellos der nach Art. 21 des P.-St.-G.-B. zulässigen Ordnungsstrafen bedienen kann.

cf. oberstr. Erk. v. 21. Dez. 1874, Samml. Bd. IV S. 588.

Nachdem nun im gegenwärtigen Falle feststeht, daß dem Beschuldigten von dem k. Bezirksamte W. als zuständiger Verwaltungsbehörde bei der ihm mit rechtskräftigem Beschlusse vom 26. Januar 1874 ertheilten Erlaubniß zur Errichtung eines Stauwehres in dem in die Kategorie des Art. 40 Abs. 2 WBG. gehörigen Egerflusses auf Grund des Art. 76 das. als eine Ausführungsnorm unter anderem auch die Auflage gemacht wurde, das Wehr mit einer Schütze von 4,2 M. Weite zu versehen, daß aber der Beschuldigte das fragliche Wehr am 2. August 1875 ohne Beobachtung dieser Ausführungsnorm – ohne Anbringung einer Schütze ausgeführt hat, so fällt diese seine Handlungsweise zuverlässig unter die Strafbestimmung des Art. 97 Z. 1 WBG. als eine Überschreitung des ihm von der Verwaltungsbehörde bei Ertheilung der Baugenehmigung vorgeschriebenen Ausführungsmaßes (modus).

In dieser von der Baugenehmigung abweichenden Bauausführung liegt schon an und für sich ein verbotwidriger Zustand, welcher noch mit der besonderen Folge begleitet ist, daß er auch einen dem öffentlichen Interesse der Flußbenützung zuwiderlaufenden Rückstau zum Schaden Dritter erzeugt und dieser ordnungswidrige Zustand in seiner Gesammtheit ist auch zweifellos eine bis zur wirklichen Anbringung einer Schütze in dem Wehre fortdauernde Ordnungswidrigkeit, weil er sich seit der Vollendung des Wehrbaues vom 2. August 1875 ununterbrochen im Widerspruche mit der vorerwähnten distriktspolizeilichen Vorschrift befindet.

Dieser Auffassung der Sachlage würde es entsprechen, im Einklange mit den Plenarerkenntnissen des obersten Gerichtshofes vom 17. Juni 1867 (Samml. Entsch. das bayr. Kass. H. Bd. I S. 260) und vom 25. Mai 1870 (Bd. IV S, 225) die Strafbarkeit der vorliegenden Zuwiderhandlung so lange als fortdauernd anzunehmen, als nicht erst nach Beseitigung des [19] ordnungswidrigen Zustandes die gesetzliche Verjährungsfrist abgelaufen ist, somit den Beginn dieser Frist vorliegenden Falles nicht auf den 2. August 1875 – den Zeitpunkt der Vollendung des Wehrbaues – zurückzuverlegen und folgeweise auch ungeachtet eines bis zur ersten strafrichterlichen Verfügung vom 13. Sept, 1876 dazwischenliegenden Zeitablaufes nach § 67 Abs. 3 des R.-St.-G.-B. die Frist nicht für abgelaufen zu erachten.

Allein eine solche Annahme, welche unter der Herrschaft des bayer. Str.-G.-Buches von 1861 im Hinblick auf die Bestimmung im Art. 95 über den Beginn der Verjährung gerechtfertigt war, würde sich mit den nunmehrigen Bestimmungen des R.-St.-G.-B. § 67 Abs. 4 nicht mehr vertragen.

Nach Art. 95 des b. St.-G.-B. von 1861 sollte die Verjährung der gerichtlichen Verfolgung vom Tage der begangenen That und bei fortgesetzten strafbaren Handlungen von dem Tage der letzten Fortsetzungshandlung beginnen. Als fortgesetzt galt aber eine strafbare Handlung nicht nur dann, wenn sie durch ihre Wiederholung dasselbe Strafgesetz öfter verletzte, sondern auch wenn ihre einmalige Verübung von solcher Beschaffenheit war, daß dadurch ein fortdauernder gesetzwidriger Zustand erzeugt wurde, bei welchem die Strafbarkeit nicht sowohl an die einzelne Handlung, als an den durch dieselbe begründeten andauernden Zustand geknüpft ist. Diese Anschauung lag den oben angeführten Plenarerkenntnissen des obersten Gerichtshofes zu Grunde.

Dem Systeme des Reichsstrafgesetzbuches sind Fortsetzungsdelikte fremd und bestimmt daher auch § 67 Abs. 4 – abweichend von dem Art. 95 des b. St.-G.-B. von 1861 – daß die Verjährung mit dem Tage beginnt, an welchem die Handlung begangen ist, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Erfolges.

Letztere Bestimmung bezieht sich zwar zunächst nur auf die Delikte, bei welchen der Thatbestand erst durch den Hinzutritt eines gewissen, gesetzlich bestimmten Erfolges erfüllt wird, der Erfolg also ein Essentiale des Deliktes bildet, und möchte dieselbe deßhalb auf accidentielle Folgen wie einen ordnungswidrigen Zustand, von welchem ein an sich vollendetes Delikt in der oben erwähnten zweiten Fortsetzungsform des früheren bayer. Strafrechts – begleitet wird, unanwendbar erscheinen.

Allein der Gedanke der Gesetzesbestimmung ist offenbar kein anderer, als daß bei Delikten mit einem von der Handlung zeitlich getrennten Erfolge auch der erst später eintretende Erfolg zur Handlung selbst noch in dem Verhältnisse von Wirkung zur Ursache steht, und daß, weil die Strafbarkeit einer That von dem rechtswidrigen Thun als Ursache ausgeht, auch die Berechnung der Verjährungsfrist an diesen ursächlichen Moment geknüpft bleiben soll. [20]

In den Fällen nun, in welchen das Bestehenlassen eines einem Delikte nachgefolgten (accidentiellen) ordnungswidrigen Zustandes vom Gesetze nicht besonders mit Strafe bedroht, nicht zum selbstständigen Delikte erhoben ist, gleichwohl aber unter strafrechtliche Verfolgung behufs der Möglichkeit, den Zustand zu verdrängen, gezogen werden soll, kann dieß nur mit Zuhilfenahme der kausalen Verbindung geschehen, in welche sich die accidentielle Folge mit einem vorausgängigen prinzipalen Delikte (als Ursache) bringen läßt. Sobald man aber diesen Kausalverband walten läßt, nimmt auch eine blos accidentielle Folge gerade so gut die Stellung einer „Wirkung“ im Deliktsumfange ein, wie der oben besprochene essentielle Erfolg, und knüpft sich auch in diesem Falle die Strafbarkeit des Erzeugers der ordnungswidrigen Folgen an dessen prinzipales rechtswidriges Thun, gleichartig ob die hinzugetretenen Folgen einen vorübergehenden oder andauernden ordnungswidrigen Zustand bilden.

Stellt sich ein erzeugter ordnungswidriger Zustand nicht als die Folge einer einzigen strafbaren Handlung, sondern als das Produkt wiederholter strafbarer Handlungen dar, so kann allerdings der Lauf der Verjährungsfrist naturgemäß auch bei dem jetzigen Rechtssysteme erst mit dem Tage seinen Anfang nehmen, an welchem die letzte der aneinandergereihten strafbaren Handlungen als der schließliche Faktor des Produktes vorgenommen wurde; stellt sich dagegen die ordnungswidrige Folge als das Erzeugniß einer einmaligen ungesetzlichen Handlungsweise eines Beschuldigten dar, so ist bei Bestimmung des Verjährungsbeginnes nur der Zeitpunkt der Beendigung der gesetzwidrigen Handlung selbst, nicht deren Erfolg in das Auge zu fassen, und lediglich die Vornahme und Dauer der Handlung, nicht deren Fortwirkung von bestimmenden Einflusse, weil die Gesetzesverletzung (der Deliktsakt) lediglich in dem Verfahren des Beschuldigten, nicht aber in dem Produkte dieses Verfahrens gelegen ist.

Diesem Grundsatze gemäß, welchen der oberste Gerichtshof bereits mit Erkenntniß vom 24. November 1873 (Samml. Bd. III S. 523) zum klaren und bestimmten Ausdrucke gebracht hat, muß daher auch vorliegenden Falles vollkommen gebilligt werden, daß die Instanzgerichte den Beginn der Verjährungsfrist vom 2. August 1875 an – dem feststehenden Zeitpunkte der eingetretenen Vollendung des vorschriftswidrigen Wehrbaues – als des eigentlichen Deliktsaktes, ohne Rücksicht auf die dadurch herbeigeführte und fortdauernde Folge berechnet und die Verjährungsfrist sonach für abgelaufen erklärt haben.

Die Vorschriftswidrigkeit in der Ausführung des fraglichen Stauwehres besteht allerdings insoferne in einer Unterlassung, als der Beschuldigte in dem Wehr nicht die Schütze angebracht hat, deren [21] Aufziehung bei einer gewissen Wasserhöhe ihm noch weiter zur Pflicht gemacht wurde; allein durch dieses Thatbestandsmerkmal gewinnt die vorliegende Übertretung noch keineswegs die Natur eines sogenannten Omissivdeliktes, dessen Strafbarkeit nicht verjähren kann, so lange die Omission nicht behoben ist.

Denn die Existenz der fraglichen Schütze ist nicht selbstständig, sondern nur in Verbindung mit dem errichteten Wehre denkbar, und das Nichtanbringen der Schütze gibt sich nur in der vorschriftswidrigen Ausführung eines geschlossenen Wehrbaues kund, so daß die fragliche Unterlassung in einer positiven Handlung aufgeht, welche ein Commissivdelikt bildet, nemlich die Ueberschreitung des der polizeilichen Baugenehmigung zu Grunde gelegten Maßes nach den Worten des Art 97 Z. 1 des W.-B.-G. oder eigenmächtige Abweichung vom genehmigten Bauplane nach den Worten des § 367 Z. 15 des R.-St.-G.-B., welch letztere Strafbestimmung die Instanzgerichte gleichfalls angezogen haben, um die der Polizeibehörde zugesprochene Berechtigung zur Beseitigung des ordnungswidrigen Zustandes aus Art. 105 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 2 des P.-St.-G.-B. zu rechtfertigen.

Die von der staatsanwaltschaftlichen Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochtene Zuerkennung dieser Beseitigungsberechtigung ist auch in der That nur unter der Auffassung des Deliktes als eines planwidrigen Bauwerkes nach § 367 Z. 15 R.-St.-G.-B. justifikabel, denn unter einer andern Auffassung würden die Art. 105 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 1 des P.-St.-G.-B. nicht anwendbar erscheinen.

Von einem Unterlassungsdelikte des Beschuldigten läßt sich auch aus dem Gesichtspunkte nicht sprechen, daß derselbe nach den Baubewilligungsbedingungen verpflichtet gewesen wäre, jedesmal bei der vom Aichpfahle angezeigten Maximal-Wasserhöhe die Schütze zu ziehen; denn dieser Gesichtspunkt hätte zur Voraussetzung, daß der Wehrbau mit Anbringung einer Schütze wirklich ausgeführt wurde, halte aber auch zur Folge, daß dann wieder nicht die Strafbestimmungen nach Art. 97 Z. 1 über Maßüberschreitung bei der Bauausführung (Art. 10) zur Anwendung gebracht werden könnten, sondern nur die polizeilichen Exekutivbefugnisse gegen Maßüberschreitung in der genehmigten Benützungsart nach Art. 12 W.-B.-G. Allein eben weil vorliegenden Falls jene Voraussetzung nicht gegegeben und das Ziehen einer Schütze wegen Nichtanbringens einer solchen in dem Wehrbaue zur physischen Unmöglichkeit geworden ist, läßt sich auch das Unterlassen des Schützeziehens als ein besonderer den Rückstau des Wassers erzeugender Deliktsakt des Beschuldigten neben und außerhalb der vorschriftswidrigen Bauausführung nicht aufgreifen, sondern fällt immer unter das Produkt [22] dieser mit dem 2. August 1875 abgeschlossenen positiven Handlung des Beschuldigten, als einzigen commissiven Deliktaktes.